Der „Aussteuerungsbetrag“ der Bundesagentur für Arbeit für Eingliederungsmaßnahmen

Der „Aussteue­rungsbetrag“, den die Bundesagentur für Arbeit (BA) seit 2005 an den Bund abführen musste, sowie der ähnlich konzipierte „Eingliederungsbeitrag“, der den Aussteuerungsbeitrag seit 2008 ersetzt hat (beide gemäß § 46 Abs 4 SGB II) sind nach einer aktuellen Entscheidung des Bundessozialgerichts mit dem Grundgesetz vereinbar. Zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu diesen Instrumenten, die Zah­lungen in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe zum Gegenstand haben, kam es daher nicht.

Ein Arbeitnehmer sowie ein Arbeitgeber begehrten die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenver­sicherung, weil sie ‑ gestützt durch die Ansicht zahlreicher Rechtswissenschaftler ‑ meinen, ihre Bei­träge seien deutlich zu hoch. Sie halten es für verfassungswidrig, dass die auf der Grundlage von Versicherungspflicht eng zweckgebunden erhobenen Beiträge hier unzulässig zur Stärkung des Bun­deshaushalts eingesetzt würden; die Finanzierung von Fürsorgemaßnahmen nach dem SGB II ob­liege dem Staat, nicht der Versichertengemeinschaft. ‑ Die Kläger blieben ohne Erfolg.

Das Bundessozialgericht hat die klagenden Beitragszahler ausnahmsweise für befugt gehalten, die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Pflichtbeiträge auch wegen einer bestimmten Mittelverwendung gerichtlich prüfen zu lassen. Das Bundessozialgericht ist den Klägern aber ‑ trotz ihres zutreffenden Ausgangspunkts der engen Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen ‑ im Ergebnis nicht ge­folgt. Selbst wenn man annähme, dass „Aussteuerungsbetrag“ und „Eingliederungsbeitrag“ sich je­weils auf die konkrete Beitragshöhe auswirkten, wurden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung je­denfalls nicht „zu Unrecht“ entrichtet. Der Gesetzgeber hat die allein zu überprüfenden äußersten Grenzen des zulässigen Einsatzes von Beitragsmitteln eingehalten. Die Milliarden-Zahlungen der BA an den Bund haben einen noch hinreichenden Bezug zu den beitragsfinanzierten Aufgaben der Ar­beitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Dazu gehört seit jeher nicht nur die Gewährung von Entgeltersatz bei Arbeitslosigkeit, sondern auch die Eingliederung in Arbeit. Die Auf­gaben- und Finanzierungsverantwortung der BA für Letzteres entfiel ab 2005 nicht vollständig, auch wenn nach Einführung des SGB II die Aufgabe, Erwerbsfähige in Arbeit einzugliedern, nun nicht mehr umfassend ihr, sondern ‑ für Empfänger steuerfinanzierter Grundsicherungsleistungen ‑ auch dem Bund oblag. § 46 Abs 4 SGB II und die damit verfolgten Zwecke haben einen hinreichenden Bezug zur „Arbeitsvermittlung sowie Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ im Sinne von Art 74 Abs 1 Nr 12 Grundgesetz. Die beschränkt fortbestehende Verantwortlichkeit der BA korrespondierte mit der begrenzten Höhe der Zahlungen. Die angestrebte Integration von SGB II-Leistungsempfängern in den Arbeitsmarkt eignete sich zudem, die Zahl der Beitragszahler zu erhöhen und kam so zeitversetzt dem SGB III-Leistungssystem zugute. Die Konstellation weist insoweit Paral­lelen zu der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Finanzierung sozialrechtlicher Folgen der deutschen Einigung aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung auf.

Die ab 2008 mit dem „Eingliederungsbeitrag“ mitfinanzierten, vom Bund wahrgenommenen Aufgaben sind aus ähnlichen Gründen ebenfalls noch hinreichend mit dem im SGB III geregelten Ziel aktiver Arbeitsförderung verknüpft. Das zeigt nun deutlich die pauschale Ausrichtung der Höhe des Eingliede­rungsbeitrags an den Aufwendungen für die Eingliederung von SGB II-Leistungsbeziehern. Von den Eingliederungsleistungen des Bundes kann darüber hinaus auch der Personenkreis der sog „Auf­stocker“ profitieren, die sogar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichten.

Bundessozialgericht, Urteil vom vom 29. Februar 2012 – B 12 KR 5/10 R und B 12 KR 10/11 R