Behindertentestament mit Dauer-Testamentsvollstreckung – und die Grundsicherung des Erben

Mit der Frage der Hilfebedürftigkeit, wenn die dem Leistungsempfänger zugefallene Erbschaft (infolge eines „Behinderten-Testaments“) unter einer Dauer-Testamentsvollstreckung steht, hatte sich aktuell das Landessozialgericht Baden-Württemberg zu befassen:

Ein der/dem Leistungsbegehrenden im Wege des Vorvermächtnisses zugewandter, nicht zur Bestreitung laufender Kosten des Lebensunterhalts gedachter „Notgroschen“, für den der Erblasser die Verwaltung durch einen Testamentsvollstrecker nach dessen billigem Ermessen angeordnet hat, ist nach den Regelungen des BGB rechtlich unverwertbar. Denn der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass zu verwalten (vgl. § 2205 Satz 1 BGB), während der Erbe insofern nicht verfügen kann (vgl. § 2211 Abs. 1 BGB) und Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, sich nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten können (vgl. § 2214 Abs. 1 BGB).

Eine entsprechende Testamentsbestimmung ist nicht sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB zu Lasten des Grundsicherungsträgers bzw. Wahrnehmungszuständigen, wenn sie einer sittlichen Verpflichtung des Erblassers (z. B. Elternteil) betreffend das Wohl des Vermächtnisnehmers (z. B. Kind) entspricht und in dessen gesundheitlicher Situation begründet ist1.

Selbst wenn Sittenwidrigkeit bestehen sollte, folgt daraus nicht der Wegfall des rechtlichen Verwertungshindernisses, weil die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung noch besteht und erst erfolgreich angefochten werden muss2. Das Recht des Grundsicherungsträgers bzw. Wahrnehmungszuständigen, gegenüber dem Alleinerben gem. § 33 SGB II Pflichtteilsrestansprüche (vgl. §§ 2305, 2307 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB) geltend zu machen, bleibt unberührt3.

Landessozialgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 4. November 2020 – L 2 AS 1268/19

  1. vgl. zum SGB II: LSG Baden-Württemberg 9. 10.2007 – L 7 AS 3528/07 Rz 10 ff. m. w. N.; LSG Hamburg 13.09.2012 – L 4 AS 167/10; im Ergebnis ebenso LSG Niedersachsen-Bremen 13. 11.2014 – L 15 AS 457/12 Rz 29 ff.; vgl. zu § 6a BKGG: BSG 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R Rz 22 ff.[]
  2. vgl. BSG a. a. O.[]
  3. vgl. LSG Baden-Württemberg a. a. O.[]

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