Die Übernahme von Bestattungskosten ist in § 74 SGB XII geregelt. Nach dieser Vorschrift werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Die Übernahme der Bestattungskosten scheidet dagegen aus, wenn der Antragsteller selbst nicht Bestattungsverpflichteter ist.
Die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten kann sich aus Vertrag, aus Familienrecht, aus Erbrecht oder aus Unterhaltsrecht ergeben. Daneben kommt auch eine öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht aus dem jeweiligen Bestattungsgesetz des zuständigen Bundeslandes in Betracht1. Nicht ausreichend ist demgegenüber die sittliche bzw. moralische Verpflichtung2.
Aufgrund der noch lebenden gemeinsamen Eltern ist der (hier: antragstellende) Bruder nicht der Erbe seines Bruders, § 1925 ABs. 2 BGB.
Auch aus dem Unterhalts- bzw. Familienrecht ergibt sich keine Verpflichtung des Bruders, die Bestattungskosten seines Bruders zu tragen. Unterhaltsansprüche zwischen den Brüdern bestanden, soweit ersichtlich, nicht.
Damit ist wesentlich auf die landesrechtlichen Bestattungsverpflichtungen abzustellen. Maßgeblich ist insofern das BestG NRW in der Fassung vom 17.06.2003.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW sind zur Bestattung verpflichtet in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder (Hinterbliebene). Soweit diese ihrer Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, hat die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten ist oder die oder der Tote gefunden worden ist, die Bestattung zu veranlassen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW).
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen schließt das Vorhandensein eines vorrangigen Bestattungspflichtigen nachrangig Bestattungspflichtige von der Inanspruchnahme durch die Gemeinde aus, sei es nun im Wege der Ersatzvornahme oder im Wege des Kostenerstattungsanspruchs3. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass bestattungspflichtig allein die Eltern sind, ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ihres Wohnorts/Aufenthaltes in der Republik Kosovo. Zugleich wird die Bestattungsverpflichtung des Bruders von Gesetzes wegen ausgeschlossen.
An diese Rechtsprechung der zuständigen Landesverwaltungsgerichtsbarkeit sieht sich das Sozialgericht Osnabrück gebunden. Eine solche Rechtsprechung ist nach § 137 VwGO nicht der Revision zugänglich und damit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entzogen. Damit müssen aber auch die anderen staatlichen Gebietskörperschaften der Bundesrepublik Deutschland diese Bindung akzeptieren.
Das Sozialgericht räumt dabei ausdrücklich ein, dass das Ergebnis als unbefriedigend empfunden werden mag, insbesondere dann, wenn die vom Gesetzgeber gewollte Freistellung von der ordnungsbehördlichen Bestattungsverpflichtung und der damit verbundenen Kostentragung sich sozialhilferechtlich gleichsam als Bumerang erweist, weil gerade dadurch auch die Verpflichtetenstellung im Sinne des § 74 SGB XII entfällt.
Soweit demgegenüber zwischen der primären Bestattungsverpflichtung auf der einen Seite und der sekundären Kostenerstattungsverpflichtung auf der anderen Seite dahingehend differenziert wird, dass die fehlende Bestattungsverpflichtung als solche die Inanspruchnahme für die Kostenerstattung auf der Sekundärebene nicht entfallen lasse4, so ist dem entgegenzuhalten, dass eine solche Auslegung mit dem Wortlaut des § 74 SGB XII nicht vereinbar ist. § 74 SGB XII begrenzt die zu übernehmenden Kosten auf die „erforderlichen“ Kosten einer Bestattung, ohne selbst zu formulieren, welche Kosten als erforderlich anzusehen sind. Für die nähere Bestimmung der erforderlichen Kosten ist das Sozialhilferecht damit auf Normen angewiesene, die außerhalb des Sozialhilferechts liegen, in diesem Falle insbesondere das landesspezifische Ordnungs- bzw. Gefahrenabwehrrecht unter Einschluss des jeweiligen Bestattungsgesetzes. Selbst wenn es insoweit denkbar wäre, zwischen der Bestattungsverpflichtung auf der einen Seite und der (ordnungsrechtlichen) Kostenerstattungsverpflichtung auf der anderen Seite zu differenzieren, so ist doch zu berücksichtigen, dass die sekundäre Kostenerstattungsverpflichtung mit der im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Leistungsfähigkeit des Verpflichteten von einem Kriterium abhängt, das seinerseits den Anspruch nach § 74 SGB XII ausschließt. Sofern der Kostenerstattungsverpflichtete leistungsfähig ist, entfällt der sozialhilferechtliche Anspruch; ist er dies nicht, wäre bereits seine Auswahl als isoliert Kostenerstattungsverpflichteter zumindest ermessensfehlerhaft. Allenfalls dann, wenn in absehbarer Zeit mit dem Eintritt von Leistungsfähigkeit zu rechnen wäre, könnte eine entsprechende Inanspruchnahme nach Ordnungsrecht in Betracht kommen; dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Bereich des § 74 SGB XII eine darlehnsweise Bewilligung wenig Sinn ergibt, wenn die Bestattung bereits stattgefunden hat.
Damit kann eine mögliche isolierte Kostenerstattungsverpflichtung nach Gefahrenabwehr- bzw. Ordnungsrecht oder Bestattungsrecht nicht für die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit im Sinne des § 74 SGB XII herangezogen werden. Maßgeblich muss vielmehr allein die Bestattungsverpflichtung als solche sein.
Dabei kann denknotwendig nur auf die am Ort des Versterbens sich ergebende Bestattungsverpflichtung abgestellt werden und nicht etwa auf eine fiktive, sich am Wohnsitz des möglicherweise Bestattungsverpflichteten ergebende. Das bedeutet für den konkreten Fall, dass die bestattungsrechtliche Situation in Niedersachsen außer Betracht bleiben muss, obgleich diese möglicherweise zu einer Bestattungsverpflichtung des Bruders geführt haben könnte.
Nicht ausreichend ist demgegenüber die sittliche bzw. moralische Verpflichtung5, wie sie der Bruder im vorliegenden Fall für sich angenommen hat.
Neben den ausdrücklich formulierten gesetzlichen Grundlagen für eine Bestattungsverpflichtung ist für eine ergänzende Anwendung der gewohnheitsrechtlich fundierten, sog. Totenfürsorge kein Raum6.
Damit ist der Bruder nicht Bestattungsverpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII.
Darauf, dass den gemeinsamen Eltern ihrerseits offensichtlich nicht zugemutet werden kann, die Kosten der Bestattung zu tragen, kommt es nach Ansicht des Sozialgerichts nicht an. Die Eltern des Bruders sind nach § 23 SGB XII bereits deshalb von Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen, weil sie im Inland keinen tatsächlichen Aufenthalt innehaben.
Das Sozialgericht sieht auch keine Wertungswiderspruch dazu, dass bei einer im Wege der Ersatzvornahme durch die Ordnungsbehörde/Gemeinde erfolgten Bestattung die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegen die Eltern des Bruders und seines Bruders vermutlich nicht zu realisieren gewesen wäre. Umgekehrt geht sie vielmehr davon aus, dass die fehlende Bestattungsverpflichtung des Bruders entweder zu einem Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 BGB ff.) gegen die gemeinsamen Eltern oder aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB in entsprechender Anwendung) gegen die zuständige Ordnungsbehörde geführt hat, der dadurch die Aufwendungen für die eigentlich durchzuführende Ersatzvornahme erspart geblieben sind. Beide Ansprüche sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 2. Juli 2014 – S 4 SO 222/11
- vgl. BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R[↩]
- vgl. SG Oldenburg, Urteil vom 02.12.2011 – S 21 SO 231/09[↩]
- so OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2010 – 19 A 1666/08; anders noch die vorherige Gesetzesfassung, vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2006 – 19 E 969/04[↩]
- Nachweise dazu bei Greiser, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl.2014, § 74 Rdnr. 45 f.[↩]
- vgl. SG Oldenburg, Urteil v. 02.12.2011 – S 21 SO 231/09[↩]
- vgl. dazu Greiser, a.a.O., Rdnr. 51 jedenfalls für die Bestattungsverpflichtung[↩]