Das Jobcenter vor dem Sozialgericht

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 3. August 20101) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs 1 Satz 1 SGB II2), die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist3. Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Nach dieser Vorschrift tritt bei einem Wechsel der Trägerschaft oder der Organisationsform der zuständige Träger oder die zuständige Organisationsform an die Stelle des bisherigen Trägers oder der bisherigen Organisationsform; dies gilt insbesondere für laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung im Sinne von §§ 99, 168 Satz 1 SGG dar4. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 3. August 2010 bestehen nicht. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat die „Leistungserbringung aus einer Hand“ mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art 91e GG) vom 21. Juli 20105 in zulässiger Weise verfassungsrechtlich verankert6. Der Gesetzgeber hat sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt7.

Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 90/10 R

  1. BGBl I 1112[]
  2. i.d.F. des Gesetzes vom 03.08.2010, BGBl I 1112[]
  3. Luik, jurisPR-SozR 24/210 Anm 1[]
  4. vgl BSG, Urteil vom 09.12.1987 – 10 RKg 5/85 = BSGE 62, 269, 270 f = SozR 1200 § 48 Nr 14; BSG, Urteil vom 18.07.2007 – B 12 P 4/06 R = BSGE 99, 15, 16 = SozR 4-3300 § 55 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl 2008, § 168 RdNr 2c[]
  5. BGBl I 944[]
  6. Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl 2011, Art 91e, RdNr 43; Volkmann in v Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 6. Aufl 2010, Art 91e GG, RdNr 3 f.; unklar Hermes in Dreier, Grundgesetzkommentar, 2010, Art 91e RdNr 26 ff.[]
  7. vgl Henneke, aaO, RdNr 46 ff.; Volkmann, aaO, RdNr 6 f.[]