Die während des Grundsicherungsbezugs nicht bezahlte Pflegeversicherung

Bei der Ordnungswidrigkeit gemäß § 121 Abs 1 Nr 6 SGB XI handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, so dass dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten möglich und zumutbar sein muss1.

Einem Betroffenen, der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, ist es nach den Grundsätzen der „omissio libera in causa“ vorzuwerfen, wenn er den erforderlichen Antrag auf Übernahme der Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung (§ 26 Abs 2 S 1, Abs 4 SGB II), der zu einer entsprechenden Zahlung an das Versicherungsunternehmen geführt hätte (§ 26 Abs. 4 SGB II), bewusst nicht gestellt hat.

Es trifft zwar zu, dass es sich bei der Ordnungswidrigkeit gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 6 SGB XI um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt und dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten mithin möglich und zumutbar sein muss2. Daraus folgt, dass einem Betroffenen das Unterlassen der Prämienzahlung nicht vorgeworfen werden kann, wenn er nicht zahlungsfähig ist3. Dies entlastet ihn jedoch dann nicht, wenn er, was hier das Amtsgericht ohne nähere Prüfung erwägt, einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.

Dem Betroffenen wäre es in einem solchen Fall nach den Grundsätzen der „omissio libera in causa“ vorzuwerfen, dass er nicht rechtzeitig den erforderlichen Antrag (§ 37 SGB II) auf Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Denn für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die in der sozialen Pflegeversicherung weder versicherungspflichtig noch familienversichert sind, werden für die Dauer des Leistungsbezugs die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang übernommen (§ 26 Abs. 2 S. 1 SGB II). Der Zuschuss wird in einem solchen Fall direkt an das Versicherungsunternehmen – hier offenbar die DKV Krankenversicherungs AG – gezahlt (§ 26 Abs. 4 SGB II).

Ein Betroffener kann nach Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig nicht einwenden, dass es ihm unzumutbar sei, den Antrag zu stellen, um die Zahlung des Sozialleistungsträgers nach § 26 Abs. 4 SGB II zu veranlassen. Das Sicherungssystem nach dem SGB II, in das der Antragsteller dadurch faktisch gezwungen wird, mag mit Restriktionen verbunden sein4. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II ist aber dennoch zumutbar, weil nur so die regelmäßige Zahlung von Beiträgen an die private Pflegeversicherung gesichert werden kann. Denn der Versicherungsgeber ist gemäß § 110 Abs. 4 SGB XI nicht berechtigt, Beitragsrückständen mit einer Kündigung zu begegnen5.

Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist dennoch geboten, weil es unter Darlegungsmängeln leidet:

Da die private Pflegeversicherung mit Abschluss eines Versicherungsvertrages zustande kommt6, ist zunächst der Vertragsschluss darzulegen. Entsprechende Feststellungen fehlen im angefochtenen Urteil. Weiterhin geht das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil nicht darauf ein, wann die Beiträge nach dem Versicherungsvertrag fällig waren. Ob Fälligkeit gegeben ist, bestimmt sich nach den vertraglichen Regelungen7. Es ist deshalb zu untersuchen, ob und welche einzelnen Beiträge bis zum 8.09.fällig waren.

Schließlich bestimmt sich der Anspruch auf Gewährung eines Beitragszuschusses zur privaten Pflegeversicherung nach § 26 Abs. 2 SGB II danach, ob ein Leistungsanspruch nach dem SGB II besteht8. Ob dies der Fall ist, insbesondere die Voraussetzungen des § 7 SGB II vorliegen, lässt sich dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnehmen. Das Urteil erschöpft sich vielmehr in der Feststellung, dass der Betroffene „zum Beispiel Arbeitslosengeld“ in Anspruch nehmen könne.

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 3. September 2014 – 1 Ss (OwiZ) 1060/14

  1. Anschluss: OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2013 – 53 Ss OWi 93/13 8[]
  2. OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2013, 53 Ss OWi 93/13 8[]
  3. OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2013 – 53 Ss OWi 93/13 8[]
  4. dazu: Löns in Löns/Herold-Tews, SGB II, 2. Aufl., § 37 Rn. 4[]
  5. vgl. zum Ausschluss des Kündigungsrechts: BT Drucksache 12/5952, S. 49 sowie Gürtner in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 82. Aufl., Rn. 24 ff.[]
  6. Beck in jurisPK, SGB XI, § 23 Rn. 25; Behrend in jurisPK, SGB XI, § 110 Rn. 10[]
  7. Gutzler in juris PK SGB XI § 121 Rn. 30[]
  8. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 108/10 R 13; LSG NRW, Beschluss vom 13.03.2013 – L19 AS 2091/12 32[]