Eine Gehaltszahlung ist als Einnahme im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II und nicht als Vermögen anzusehen, wenn sie an dem selben Tag auf dem Konto eingeht, an dem auch der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt wird. Auf die Uhrzeit der Kontogutschrift und den der Antragstellung beim Grundsicherungsträger kommt es nicht an.
Dies kann schon den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 30.07.2008 1 entnommen werden. Nach diesen ist zusammengefasst von Folgendem auszugehen: Als Einkommen zu berücksichtigen ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, Vermögen ist alles, was er vor der Antragstellung bereits hatte. Dies folgt aus § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, der im Wesentlichen wortgleich mit dem bis zum 31.12.2004 geltenden § 76 BSHG übereinstimmt, sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, den Gesetzesmaterialien 2 und dem Sinn und Zweck der Leistungen nach dem SGB II als bedarfsabhängige Fürsorgeleistungen. Entsprechend der vom Bundesverwaltungsgericht zuletzt vertretenen modifizierten Zuflusstheorie ist auf den tatsächlichen Zufluss der Einnahmen abzustellen, soweit nicht rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (normativer Zufluss). Auf die Identität der Zweckbestimmung oder des Zeitraums der Leistung und des Bedarfs kommt es nicht an 3. Da die Leistungen nach dem BSHG keinen Antrag voraussetzten (§ 5 BSHG), während die nach dem SGB II antragsabhängig sind (§ 37 SGB II), beginnt die „Bedarfszeit” – so der Begriff des BVerwG – im Rahmen des SGB II erst mit der Antragstellung, sodass diese auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist.
Dem hat sich der ebenfalls für das SGB II zuständige 4. Senat des Bundessozialgerichts in mehreren Entscheidungen vom 30. September 2008 4 und vom 16. Dezember 2008 5 angeschlossen. Der 14. Senat des Bundessozialgerichts ist dieser Rechtsprechung auch im Weiteren gefolgt 6.
Diesen Entscheidungen kann darüber hinaus entnommen werden, dass „mit Zeitpunkt der Antragstellung” als Zäsur zwischen Einkommen und Vermögen nicht die Uhrzeit an dem jeweiligen Tag der Antragstellung gemeint ist, sondern dieser Tag der Antragstellung. Denn als maßgebliche Begründung wird anknüpfend an die Rechtsprechung des BVerwG auf die Bedarfszeit abgestellt und die kleinste mögliche Bedarfszeit nach dem SGB II ist der Tag (vgl § 41 Satz 1 SGB II, die Rückwirkungsregelung in § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II aF). Wird der Antrag an einem bestimmten Tag gestellt, so gilt er schon für diesen Tag und nicht erst für den nächsten. Der Antrag gilt auch nicht nur anteilig für diesen Tag der Antragstellung, je nachdem um wie viel Uhr er gestellt wurde. Denn mit der Antragstellung beim zuständigen Träger ist der Antrag bei diesem eingegangen (§ 16 Abs 2 Satz 2 SGB I). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag und eine zeitlich anteilige Erbringung von Leistungen sieht das Gesetz nur für Monate vor (§ 41 Abs 1 Satz 1, 3 SGB II).
Im Übrigen wird zur Konkretisierung des Begriffs „Zeitpunkt” schon in den Urteilen vom 30.07.2008 auf das Datum abgestellt und der Begriff damit einem Kalendertag gleichgesetzt. Denn es wird ausgeführt, „da die Antragstellung gemäß § 37 SGB II am 25.05.2005 erfolgte, stellt dieses Datum hier die maßgebliche Zäsur dar” 7.
Bestätigt wird dieses auf den Kalendertag abstellende Ergebnis durch die zwischenzeitliche Neuregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch vom 24. März 2011 8, nach der der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf „den Ersten des Monats” zurückwirkt, auch wenn diese Neuregelung vorliegend nicht anzuwenden ist, weil der Entscheidung die Rechtslage im strittigen Zeitpunkt zugrunde gelegt wird.
Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 51/12 R
- BSG Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R, SozR 4–4200 § 11 Nr 17 RdNr. 19 ff; – B 14 AS 43/07 R, RdNr. 22 ff; – B 14/11b AS 17/07 R, RdNr. 19 ff, jeweils mwN[↩]
- BT-Drucks 15/1516 S 53 zu § 11[↩]
- vgl nur BVerwG Urteil vom 18.02.1999 – 5 C 35/97, BVerwGE 108, 296 ff[↩]
- BSG Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 19/07 R, BSGE 101, 281 = SozR 4–4200 § 11 Nr 14; B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4–4200 § 11 Nr 15; B 4 AS 57/07 R, SozR 4–4200 § 11 Nr 16[↩]
- BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 70/07 R, SozR 4–4200 § 11 Nr 19[↩]
- BSG Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 13/08 R, SozR 4–4200 § 22 Nr 22; Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 45/09 R, SozR 4–4200 § 11 Nr 36[↩]
- so wörtlich in BSG Urteil – B 14 AS 43/07 R, RdNr. 26; ähnlich in B 14 AS 26/07 R, SozR 4–4200 § 11 Nr 17 RdNr. 23 am Ende[↩]
- BGBl I 453[↩]