Über einen Anspruch auf Leistungen für Erstausstattungen gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von dem Träger der Grundsicherung isoliert und unabhängig von den übrigen Leistungen der Grundsicherung entschieden werden. Der Anspruch kann in der Folge auch isoliert gerichtlich geltend gemacht werden1.
Das damit zulässigerweise auf Erstattung von Kosten für bereits angeschaffte Einrichtungsgegenstände beschränkte Begehren verfolgt der Kläger zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) gegen den Ablehnungsbescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides). Zwar ist bei Streitigkeiten um die Erstausstattung einer Wohnung regelmäßig die sog Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) die statthafte Klageart. Nach der gesetzlichen Systematik hat der Hilfebedürftige nämlich einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das „Ob“ und nicht auch auf das „Wie“ der Leistungserbringung, denn nach § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II steht es im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als (gegebenenfalls pauschalierte) Geldleistung erbringt2. Beschafft sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, wie es in dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Rechtsstreit der Fall war, besteht für die gerichtliche Klärung eines Sachleistungsanspruchs im Sinne des § 23 Abs 3 Satz 5 SGB II (also etwa die Überlassung von Möbeln aus eigenen Beständen des Trägers der Grundsicherung oder durch Gutscheine für bestimmte Möbelkaufhäuser) regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse mehr. Das Begehren des Hilfebedürftigen richtet sich ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist.
Die Rechtmäßigkeit der Gewährung oder Ablehnung einer Erstausstattung misst sich in erster Linie an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Für die Entstehung des Anspruchs auf Erstausstattung für die Wohnung kommt es dagegen nicht auf eine (gesonderte) Antragstellung an3, sodass insoweit unerheblich ist, ob der Hilfebedürftige sich bereits vor seiner Vorsprache beim Grundsicherungsträger Möbel beschafft hatte.
Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen ist4. Entscheidend für die Auslegung des Begriffs der Erstausstattung ist, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen5. Ob in Fällen nur kurzfristiger Wohnungslosigkeit bzw bei kurzfristigem Fehlen einer Ausstattung gleiches gilt, brauchte im vorliegenden Verfahren vom Bundessozialgericht jedoch nicht entschieden zu werden, denn dort war infolge der Alkoholerkrankung ein eigener Hausstand jedenfalls für mehr als sechs Monate (wenn nicht sogar zukunftsoffen) aufgegeben worden. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass seine Situation dem in der Gesetzesbegründung (§ 131 Abs 1 Nr 1 SGB XII) genannten Fall der Haft entsprach6.
Das Bundessozialgericht hat ebenfalls bereits entschieden, dass Verschuldensgesichtspunkte nicht schon bei der Feststellung des Bedarfs eine Rolle spielen können7. Wie das Verhältnis von §§ 19 ff SGB II zu § 34 SGB II zeigt, ist ein bestehender Bedarf immer dann zu erfüllen, wenn dies Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein ist. Ob vorliegend das Verhalten des Klägers bei Auszug aus seiner letzten eigenen Wohnung (also die Aufgabe der bisherigen Wohnungsausstattung) den späteren Bedarf auf Ausstattung im Sinne des § 34 SGB II vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, erscheint ohnehin zweifelhaft. Der beklagte Grundsicherungsträger hat nicht konkret aufgezeigt, welche Handlungsalternativen sich dem Kläger geboten hätten. Unklar ist insbesondere geblieben, welche Kosten (auch für den Träger der Grundsicherung) durch einen Umzug der Möbel und die anschließende Einlagerung entstanden wären und ob vor dem Hintergrund solcher Folgekosten die Aufgabe des Mobiliars wirtschaftlich gesehen nicht geboten war. Schließlich gibt die akute Alkoholerkrankung des Klägers Anlass an einem subjektiv vorwerfbaren Verhalten zu zweifeln. Dies braucht vorliegend jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden, weil Ersatzansprüche nach § 34 SGB II nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Der Anspruch nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ist im Sinne eines unbedingten Rechtsanspruchs zu realisieren, wenn – wie hier – die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Dem Grundsicherungsträger steht allerdings ein Auswahlermessen dergestalt zu, dass er die Leistungen entweder als Sachleistungen oder als Geldleistungen, letztere auch in Form von Pauschalbeträgen, erbringen kann. Dieses Auswahlermessen kann die Behörde nach der Selbstbeschaffung der Möbel durch den Kläger nicht mehr ausüben. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Geldleistung scheitert mithin dann, wenn keine Gesichtspunkte vorliegen, die das Ermessen der Beklagten im Sinne einer „Ermessensreduktion auf Null“ einschränken. Gesichtspunkte des Einzelfalls, die eine Ermessensreduktion auf Null nahe liegend erscheinen lassen, sind dabei nach dem jetzigen Stand des Verfahrens nicht erkennbar. Der Bedarf des Klägers hätte (in dem Zeitpunkt, in dem er entstanden ist) grundsätzlich auch anderweitig als durch Geldleistungen gedeckt werden können. Ein Fall der Ermessensreduktion auf Null liegt allerdings auch dann vor, wenn die Beklagte – worauf ihr Vortrag in den Vorinstanzen hindeutet – auf Grundlage eines Beschlusses des Kreistages durch interne Verwaltungsrichtlinien dahin gebunden ist, für die Erstausstattung einer Wohnung stets eine Leistung in Geld (in pauschalierter Höhe) zu erbringen. Bestehen verwaltungsinterne Regelungen, mit denen sich die Beklagte entsprechend bindet, könnte sie nicht ohne Ermessensfehlgebrauch, insbesondere nicht ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG), zu einer Ablehnung der Leistung als Geldleistung gelangen8. Liegt eine solche Bindung vor, wäre auch dem Kläger gegenüber nur eine Auswahlentscheidung richtig, nämlich die Gewährung der Erstausstattung als Geldleistung.
Bindet sich der Träger der Grundsicherung bei der Auswahl der Leistungen auf die Leistungsart „Geldleistung“ und erbringt er diese in Form von Pauschalbeträgen, unterliegt auch die Festsetzung der Höhe der Pauschalen der richterlichen Kontrolle9. Es muss dem Hilfebedürftigen möglich sein, mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung in vollem Umfang zu befriedigen. Die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung. Ggf. hat daher das Sozialgericht in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob die in Bezug genommenen Pauschalbeträge für die Erstausstattung einer Wohnung in Höhe von 700 € diesen Anforderungen genügen. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (vgl § 23 Abs 3 Satz 6 SGB II). Der Grundsicherungsträger wird insofern „nachvollziehbare Erfahrungswerte“ über die Kosten von Einrichtungsgegenständen (allerdings in einem unteren Segment des Einrichtungsniveaus) zur Stützung ihrer Pauschalbeträge vorzulegen haben, die vom SozialgerichtLdahin zu überprüfen sind, ob sie hinreichend empirisch abgesichert sind. Ist dies der Fall, steht dem Hilfebedürftigen lediglich eine Geldleistung in pauschalierter Form zu.
Besteht im Ergebnis ein Leistungsanspruch auf Geld unmittelbar aus § 23 Abs 3 SGB II nicht, hat das Sozialgericht im Hinblick auf die selbst beschafften Leistungen (hilfsweise) einen Kostenerstattungsanspruch zu prüfen. Wie das Bundessozialgericht bereits entschieden hat, ist die Erstattung von Kosten bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Sozialrecht10. Liegen seine Voraussetzungen vor, wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gerichtet auf Geld um11.
Auch wenn die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der §§ 19 ff SGB II im Einzelnen – wie oben dargelegt – nicht „antragsabhängig“ sind, sondern die im Einzelfall erforderlichen Leistungen von dem (ersten) Antrag auf laufende Leistungen erfasst sind, setzt ein Kostenerstattungsanspruch in den Fällen des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II im Grundsatz aber voraus, dass der Träger der Grundsicherung vor Inanspruchnahme einer vom Hilfebedürftigen selbst beschafften Leistung bei Entstehen des konkreten Bedarfs mit dem Leistungsbegehren in der Sache befasst wurde. Nur dann ist es dem Träger möglich, sein Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Eine Kostenerstattung kommt damit grundsätzlich erst bei Selbstbeschaffung einer Leistung nach einer rechtswidrigen Leistungsablehnung in Betracht.
Wird die Ablehnung der Leistung „Erstausstattung“ durch die Behörde nicht abgewartet, kommt ein Anspruch auf Kostenerstattung nach den in Bezug genommen allgemeinen Grundsätzen des Kostenerstattungsrechts nur in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung ein unaufschiebbarer Eil- bzw Notfall vorgelegen hat.
Bundessozialgericht, Urteile vom 19. August 2010 – B 14 AS 36/09 R und B 14 AS 10/09 R
- vgl. BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 12 und BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 9[↩]
- vgl. BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 10; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 19[↩]
- siehe dazu im Einzelnen: BSG, Urteile vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R; sowie vom 23.03.2010 – B 14 AS 6/09 R[↩]
- BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, jeweils RdNr 19; BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 14[↩]
- BSG aaO mwN[↩]
- vgl BT-Drs. 15/1514 S 60 zu § 32[↩]
- vgl BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 15[↩]
- vgl BSGE 85, 75, 83 = SozR 3-3610 § 27 Nr 2 RdNr 25[↩]
- vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 20 f.[↩]
- vgl bereits BSGE 84, 50, 56 f = SozR 3-3300 § 12 Nr 1 S 8; Grube, Sozialrecht aktuell 2010, 11, 12[↩]
- vgl BSG Urteil vom 17.6.2010 – B 14 AS 58/09 R[↩]