Das „Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer“ bleibt für Unionsbürger auch im Falle unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nur dann auf Dauer erhalten, wenn sie mehr als ein Jahr beschäftigt waren und solange sie den Vermittlungsbemühungen der zuständigen Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen, so das Landessozialgericht Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung.
Das „Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer“ erlischt daher mit der Ausreise. Reist der Unionsbürger erneut in das Bundesgebiet ein und ist er danach nicht mehr als ein Jahr beschäftigt gewesen, so leitet sich sein Aufenthaltsrecht bei erneuter Arbeitslosigkeit allein aus der „“Arbeitssuche““ ab, was gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II führt. Die Ausschlussvorschrift ist europarechtskonform1.
Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU sind Unionsbürger als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU bleibt dieses Recht aber nur unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit (nach mehr als einem Jahr Tätigkeit). Hieraus folgt für das Landessozialgericht Baden-Württemberg, dass die Arbeitslosigkeit gemäß § 119 SGB III Tatbestandsvoraussetzung für die Aufrechterhaltung dieses Freizügigkeitsrechts ist; die Arbeitnehmereigenschaft besteht nur solange fort, wie Arbeitslosigkeit in diesem Sinne gegeben ist2.
Der Antragsteller in dem jetzt vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall ist damit spätestens seit der Ausreise nach Italien nicht mehr arbeitslos gewesen, da er den Vermittlungsbemühungen der BA nicht zur Verfügung stand (§ 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III). Da die anderen Antragsteller ebenfalls ausreisten, erlosch auch deren -abgeleitetes- Freizügigkeitsrecht (vgl. § 3 Freizügigkeitsgesetz/EU).
Mangels anderslautender gesetzlicher Regelung folgt für das Landessozialgericht Baden-Württemberg bereits aus dem Verlust des Freizügigkeitsrechts (als Arbeitnehmer), dass die damaligen Zeiten der das Freizügigkeitsrecht begründenden Beschäftigung nicht mit den nach der Wiedereinreise verrichteten Zeiten der Beschäftigung für die Wiederbegründung eines neuen Freizügigkeitsrechts zusammengerechnet werden können.
Des Weiteren hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg keinen Zweifel daran, dass der Leistungsausschluss europarechtskonform ist, da der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften3 ohne nähere Darlegung sogar einen fehlenden Anspruch eines Unionbürgers billigte, wenn ein Drittstaatsangehöriger eine bessere Rechtsstellung innehat. Die Leistungen des SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts sind auch als Sozialhilfeleistung im Sinne des Artikel 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie4 anzusehen5.
Denn das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II ist in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz zur Sozialhilfe vergleichbare Regelung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Ähnlich wie in der Sozialhilfe sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe vorgesehen (vgl. § 21 SGB II). Die nunmehr bestehende Aufteilung in erwerbsfähige (SGB II) und nichterwerbsfähige (SGB XII) Hilfebedürftige ist für die Zuordnung zur Lebensunterhaltssicherungsfunktion unerheblich. Jedenfalls stellen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II keine solche Leistungen dar, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen6.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2010 – L 13 AS 365/10 ER-B
- EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08, C- 23/08[↩]
- vgl. dazu auch Hamb. OVG, Beschluss vom 14.12.2005 – 3 Bs 79/05[↩]
- EuGH, Urteil vom 04.06.2009, C-22/08, C-23/08[↩]
- Richtlinie 2004 /38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten [ABl. L 158/77][↩]
- so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.09.2009- L 15 AS 909/09 B-ER m.w.N.[↩]
- vgl. LSG Niedersachsen-Bremen a.a.O. m.w.N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2009, L 34 AS 1350/09 B ER[↩]