Kann kein Familienmitglied hilfebedürftig im Sinne des SGB II sein, besteht kein Anspruch auf Kinderzuschlag. Dies gilt auch, wenn Grund für die fehlende Hilfebedürftigkeit die mangelnde Erwerbsfähigkeit der Eltern ist.
In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall waren die klagende Mutter dreier unter 15-jähriger Kinder und ihr Ehemann beide schon dem Grunde nach nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II. Sie waren – anders als in der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorausgesetzt – nicht erwerbsfähig. Ihr Leistungsvermögen war zeitlich auf unter drei Stunden täglich begrenzt. Hieraus folgt, dass sie auch nicht hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende sein konnten. Damit konnte durch den Kinderzuschlag aber auch Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II weder vermieden noch deren Bestehen ausgeschlossen werden. Dies ist jedoch Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag. Da auch kein anderes Familienmitglied die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II erfüllte, hat das Bundessozialgericht die ablehnenden Entscheidungen des Sozialgerichts Duisburg1 und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen2 bestätigt:
Für den Zeitraum bis zum 31.12.2019 hat die Mutter bereits deshalb keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag, weil durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II nicht vermieden wird, wie es § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung voraussetzte. Denn keines der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, in der die Mutter lebt, kann Leistungen nach dem SGB II erhalten. Die Mutter und ihr Ehemann sind nicht erwerbsfähig, weil sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Damit sind sie gem § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 Abs 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Kinder der Mutter haben schon nicht das erforderliche Mindestalter nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II, um erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu sein und ihren erwerbsunfähigen Eltern einen Sozialgeldanspruch zu vermitteln.
Der – mittelbare – Ausschluss vom Kinderzuschlag bei einer fehlenden SGB II-Leistungsberechtigung für den Fall der Nichtgewährung des Kinderzuschlags gilt auch nach § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG in der ab dem 1.1.2020 geltenden Fassung. Danach setzt der Anspruch auf Kinderzuschlag ua voraus, dass „bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“ besteht. Mag der Wortlaut der Vorschrift insoweit zwar weniger eindeutig sein als der der Vorgängerformulierung. Dies ändert aber nichts daran, dass bereits nach dem Wortsinn bei Bezug des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II (nur) dann nicht besteht, wenn sie jedenfalls hypothetisch bestehen könnte. Im Übrigen wird dieser Befund durch die Betrachtung des systematischen Zusammenhangs der Regelung sowie deren Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bestätigt. Zwar kann nun Arbeitslosengeld II und Kinderzuschlag in bestimmten Konstellationen parallel bezogen werden. Allerdings bleibt es dabei, dass auch nach der Neufassung des § 6a BKGG Kinderzuschlag alternativ oder maximal ergänzend zu den Leistungen nach dem SGB II bezogen werden können soll. Der sozialpolitische Zweck des Kinderzuschlags bleibt unangetastet. Es sollen Familien unterstützt werden, bei denen der SGB II-Leistungsbezug sich allein aus dem Bedarf der Kinder ergibt, während die Eltern ihren Bedarf zumindest zum überwiegenden Teil durch Erwerbseinkommen selbst decken können. Soweit auch von diesem Grundgedanken abweichende Konstellationen denkbar sind, in denen nicht die erwerbsfähigen und -tätigen Eltern/Elternteile sondern zB die über 15-jährigen erwerbsfähigen Kinder den Zugang der Familie zum SGB II eröffnen, ist Grund hierfür die enge Bindung des Kinderzuschlags an die Zugangsvoraussetzungen zum SGB II. Gerade dies belegt jedoch, dass ohne die Möglichkeit eines Leistungsanspruchs auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Gewährung von Kinderzuschlag ausscheidet.
Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Mutter insoweit vermag der Senat nicht zu teilen. Die Regelungen verletzten nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG.
Bundessozialgericht, URteil vom 13. Juli 2022 – B 7/gericht – 1/21 R