Im Rahmen der sog Quasiversicherung des § 264 Abs 2 bis 7 SGB V gewährt der Sozialhilfeträger keine Leistungen; der Sozialhilfeträger ist lediglich der Krankenkasse zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet.
Man mag dieses Verhältnis als Auftragsverhältnis bezeichnen; um ein Auftragsverhältnis im eigentlichen Sinne, bei dem der Beauftragte für den Auftraggeber Leistungen erbringt, handelt es sich nicht. Vielmehr entsteht von Gesetzes wegen ein Leistungsverhältnis ‑ ohne Mitgliedschaft ‑ des Sozialhilfeempfängers nur gegenüber der Krankenkasse, sofern er nicht versichert ist und voraussichtlich mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht.
Nach § 19 Abs 5 SGB XII dürfen Sozialhilfeleistungen unter weiteren – allerdings nicht im Gesetz genannten – Voraussetzungen1 auch erbracht werden, wenn die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen (eigentlich) möglich und zumutbar ist; in diesem Fall sind die Aufwendungen jedoch in entsprechendem Umfang zu ersetzen (sog Bruttoprinzip).
Bei der Quasiversicherung handelt sich jedoch – anders als nach der vor dem 1.01.2004 geltenden Rechtslage (§ 264 SGB V aF) – im Rahmen des § 264 Abs 2 SGB V nicht um ein Leistungsgeschehen zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Sozialhilfeempfänger, für den die Krankenkassen bei entsprechender Beauftragung die erforderlichen Krankenhilfeleistungen erbringen, sondern vielmehr um ein den Hilfen zur Gesundheit (§§ 47 ff SGB XII) vorgehendes (§ 2 SGB XII) eigenes Leistungssystem ausschließlich zwischen Krankenkasse und Sozialhilfebezieher. Dies wird in § 48 Satz 2 SGB XII für die Hilfe bei Krankheit besonders betont. Nur soweit keine Leistungen über die „Quasiversicherung“ erbracht werden müssen bzw ggf erbracht werden, kommen (Einzel-)Hilfen nach den §§ 47 ff SGB XII in Betracht. Diese können allenfalls nach § 264 Abs 1 SGB V (im Auftrag) durch schriftlichen Vertrag (§§ 88, 56 SGB X) von der Krankenkasse – wie vor dem 1.01.2004 nach § 264 SGB V aF – übernommen werden2, was hier indes nicht geschehen ist.
Dass im Rahmen der „Quasiversicherung“ entgegen der Ansicht der Beteiligten die Leistungen durch die Krankenkasse auch ohne Mitgliedschaft im Rahmen eines zwischen (nur) ihr und dem Sozialhilfebezieher bestehenden Leistungsverhältnisses erbracht werden, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung3. Insoweit ist in § 264 Abs 2 SGB V formuliert, die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem 3. bis 9. Kapitel des Zwölften Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, werde von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt (jedoch) nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen, sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen. Die „Quasiversicherten“ erhalten zwar eine Krankenversichertenkarte, für sie wird jedoch ein Versichertenstatus (§ 264 Abs 4 SGB V) nur fingiert („gilt“). In das unmittelbare krankenversicherungsrechtliche Leistungsgeschehen ist der Sozialhilfeträger in keiner Weise eingebunden; ihm obliegen lediglich Meldeverpflichtungen und die Verpflichtung zur Einziehung der Krankenversichertenkarte für die Krankenkasse (§ 264 Abs 5 und Abs 3 Satz 3 SGB V), und er muss den Krankenkassen die Aufwendungen für die Durchführung der Krankenbehandlung erstatten (§ 264 Abs 7 SGB V).
Dies hat das Bundessozialgericht bereits entschieden4. Soweit darüber hinaus – nicht tragend – als denkbare Ausnahme davon für Satzungsleistungen der Krankenkasse auf § 52 Abs 1 Satz 2 SGB XII verwiesen wurde, kann dem nur insoweit gefolgt werden, als der Sozialhilfeträger eine eigene Entscheidungsbefugnis allenfalls im Rahmen der Hilfen zur Gesundheit (§§ 47 ff SGB XII ggf iVm § 264 Abs 1 SGB V) besitzt. Um Satzungsleistungen geht es hier ohnedies nicht.
Man mag das Rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Krankenkasse bei der „Quasiversicherung“ als Auftragsverhältnis bezeichnen5; ein Auftragsverhältnis im eigentlichen Sinne ist es indes nicht6. Denn die Krankenkasse erbringt gerade keine Leistungen, zu deren Gewährung der Sozialhilfeträger verpflichtet ist. Allenfalls würde sich regelmäßig eine solche Verpflichtung ergeben, wenn es die „Quasiversicherung“ nicht gäbe. Gedanklich zwingend ist dies andererseits nicht; denn bei vorhandenem Einkommen oder Vermögen ist schon wegen des Bestimmungsrechts des Sozialhilfeträgers, bei welchem Bedarf dieses zu berücksichtigen ist (vgl nur: § 89 SGB XII)7, nicht ausgeschlossen, dass besondere Sozialhilfeleistungen nicht oder nicht in vollem Umfang, Leistungen für den Lebensunterhalt aber trotz ungünstigerer Einkommensberücksichtigung zu erbringen sind, weil dafür kein anrechenbares Einkommen mehr bleibt.
Der Gesetzgeber hat mit § 264 Abs 2 bis 7 SGB V für die Berechtigten einen Status normiert, der einer Versicherungspflicht bei Bezug sonstiger Sozialleistungen gleicht (siehe etwa § 5 Abs 1 Nr 2 und 2a SGB V). Während bei letzterer der Träger von Sozialleistungen Beiträge zu entrichten hat, hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 264 Abs 2 bis 7 SGB V allerdings wegen Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen einer Beitragspflicht die Variante der unmittelbaren Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger gewählt8. Diese Kostenerstattung ist mangels individueller Begünstigung des Hilfeempfängers keine Sozialleistung an den „Quasiversicherten“9.
Hat der Sozialhilfeträger vor diesem rechtlichen Hintergrund „Leistungen nach § 264 SGB V“ bewilligt, so kann dieser Bescheid nur so verstanden werden, dass er – unabhängig davon, ob dies überhaupt rechtlich zulässig oder möglich ist – ein Vorgehen durch ihn selbst im Rahmen der gesetzlichen Konstruktion des § 264 Abs 2 bis 7 SGB V zusichert und dadurch die Voraussetzungen für eine Quasiversicherung schafft. Eine Leistung, die § 19 Abs 5 SGB XII voraussetzt, ist dies nicht. Ein Vorgehen nach § 264 Abs 2 bis 7 SGB V darf deshalb nicht mit dem Vorbehalt des Aufwendungsersatzes durch den Hilfeempfänger verbunden werden. Eine Rechtsgrundlage dafür ist auch ansonsten nicht vorhanden.
Deutsche im Ausland (§ 24 SGB XII) sind generell und Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 33 SGB XII (Vorsorgebeiträge) beziehen, sind auch dann von der „Quasiversicherung“ ausgeschlossen, wenn sie nur diese Leistungen für mindestens einen Monat beziehen. Alt 1 des Satzes 2 behält damit in allen anderen Fällen seine Bedeutung. Dies gilt auch für den Ausschluss der Personen, denen ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs 5 S 3 SGB XII (angemessene Kosten einer Beratung) gewährt werden. Zwar ist eine Beratung ausschließlich in Zusammenhang mit besonderen Sozialhilfeleistungen möglich, und der Ausschluss von der „Quasiversicherung“ ergäbe sich dann schon aus Alt 1; jedoch stellt § 264 Abs 2 Satz 2 SGB V insoweit zumindest klar, dass eine Beratung in Zusammenhang mit der Hilfe zum Lebensunterhalt, gleichgültig wie lange sie gewährt wird, nicht als Hilfe zum Lebensunterhalt zu verstehen ist.
Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Mai 2014 – B 8 SO 26/12 R
- s dazu nur Coseriu in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 19 RdNr 38 mwN[↩]
- vgl etwa BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 4 RdNr 14, allerdings ohne Unterscheidung zwischen Abs 1 und 2 bis 7[↩]
- vgl BT-Drs. 15/1525, S 140 f zu Nr 152: „Leistungsverpflichtung der Krankenkasse“; „leistungsrechtliche Gleichstellung mit gesetzlich Krankenversicherten“[↩]
- BSGE 101, 42 ff RdNr 18, SozR 4-2500 § 264 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 19[↩]
- BSGE 101, 42 ff RdNr 10 ff, SozR 4-2500 § 264 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 12 ff; SozR 4-2500 § 264 Nr 4 RdNr 10 und 14[↩]
- noch offen gelassen von BSG, Urteil in BSGE 102, 10 ff RdNr 23, SozR 4-2500 § 264 Nr 2; wie hier Söhngen in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 48 SGB XII RdNr 26 mwN: auftragsähnliches Verhältnis[↩]
- Coseriu in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 27 SGB XII RdNr 34 ff[↩]
- BT-Drs. 15/1525, S 140 zu Nr 152[↩]
- vgl zum Begriff der Sozialleistung zuletzt BSG, Urteil vom 06.08.2014 – B 11 AL 7/13 R, RdNr 14 ff mwN[↩]