Einstweiliger Rechtsschutz gegen Versagungsbescheide

Bei einem Versagungsbescheid ist, so das Landessozialgericht Baden-Württemberg, auch eine isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGG) zulässig1, die – entgegen einer zur früheren Fassung des § 39 Nr. 1 SGB II vertretenen Auffassung2 – nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung hat; keiner der Ausnahmefälle des § 86a Abs. 2 SGG ist gegeben.

Nach § 39 Nr. 1 SGB II3 haben Widerspruch und Anfechtungsklage lediglich gegen Verwaltungsakte, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regeln, keine aufschiebende Wirkung. Die vollständige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I wird mithin von den in § 39 Nr. 1 SGB II bezüglich einer Leistungsverweigerung abschließend aufgeführten Fallvarianten nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht erfasst4; denn eine solche Leistungsversagung ist gerade nicht auf die Kassation einer früheren Leistungsbewilligung oder aber auf eine Leistungsherabsetzung gerichtet. Im Gegenteil wird über die Anspruchsvoraussetzungen der Leistung in einem Verfahren nach § 66 SGB I gerade nicht entschieden5.

Da der Grundsicherungsträger indessen die aufschiebende Wirkung der rechtzeitig erhobenen Klage missachtet, hält es das Landessozialgericht Baden-Württemberg in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 SGG für geboten, vorliegend die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen6. Diese entsprechend § 86b Abs. 1 SGG zu treffende stattgebende vorläufige Entscheidung hilft dem Antragsteller hier freilich allein nicht weiter, weil damit noch nichts über eine einstweilige Leistungsgewährung durch den Grundsicherungsträger gesagt ist und jener somit – bei fehlender anderweitiger Bedarfsdeckung – gleichsam schutzlos wäre7.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. April 2010 – L 7 AS 304/10 ER-B

  1. vgl. BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; SozR 4-1200 § 66 Nr. 1; BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 78/08 R[]
  2. vgl. LSG B-W., Beschluss vom 27.10.2008 – L 13 AS 4562/08 ER-B; LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 14.01.2008 – L 7 AS 772/07 ER, FEVS 59, 469[]
  3. in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008, BGBl. I S. 2917[]
  4. vgl. auch Groth in GK-SGB II, § 39 Rdnr. 25; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 39 Rdnr. 75; ferner Coseriu/Holzhey in Linhart/Adolph, SGB II § 39 Rdnr. 10[]
  5. vgl. BSG, Urteil vom 17.04.1986 – 7 RAr 91/84; BSG SozR 1200 § 66 Nr. 13; BVerwGE 71, 8, 10 f.[]
  6. vgl. hierzu LSG B-W., Beschluss vom 02.07.2004 – L 13 RJ 2467/04 ER-B; Binder in Hk-SGG, 3. Auflage, § 86b Rdnr. 2; Krodel, a.a.O., Rdnr. 179[]
  7. vgl. LSG B-W., Beschluss vom 12.01.2006 – L 7 AS 5532/05 ER-B). Deshalb ist in derartigen Fällen der Leistungsversagung ausnahmsweise auch die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs nach § 86b Abs. 2 SGG zu bejahen ((vgl. auch LSG B-W., Beschluss vom 27.10.2008, a.a.O.; LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 14.012008, a.a.O.; Krodel, a.a.O., Rdnr. 288b; offengelassen von LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 18.01.2010 – L 13 AS 412/09 B[]