Ein Stundenlohn von 3,88 Euro ist sittenwidrig und kann so nicht zur Beurteilung einer Arbeitnehmereigenschaft eines Ausländers herangezogen werden. Vielmehr ist von einem Mindestlohn von 8,50 Euro auszugehen, der aufgrund der Sittenwidrigkeit beansprucht werden kann.
So hat das Sozialgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden einstweiligen Rechtschutzverfahren einem rumänischen Staatsangehörigen Leistungen nach dem SGB II zuerkannt und entschieden, dass der Leistungsausschluss für arbeitsuchende Ausländer nicht zur Anwendung komme. Die Antragsteller, Mitglieder einer vierköpfigen rumänischen Familie, leben seit März 2014 in einer Wohnung in Frankfurt. Zuvor hatten sie zeitweise in einer Gartenlaube gehaust. Seit dem Bezug der Wohnung steht der Familienvater in einem Haushalts-Minijob-Verhältnis bei dem Wohnungseigentümer. Nach dessen Angaben beträgt der Verdienst aus dem Minijob 100,00 Euro monatlich, wobei hierfür mindestens sechs Stunden wöchentlich zu arbeiten seien. Dies entspricht – bei durchschnittlich 4,3 Wochen pro Monat – einem Stundenlohn von allenfalls 3,88 Euro. Die Behörde hat einen von der Familie gestellten Antrag auf Gewährung von Hartz IV-Leistungen im März 2014 abgelehnt. Die Antragsteller seien nach dem Gesetz von Leistungen ausgeschlossen, weil sie sich als Ausländer allein zur Arbeitsuche hier aufhielten. Dies gelte trotz der Arbeitstätigkeit des Familienvaters. Denn diese Tätigkeit sei aufgrund des sehr geringen Verdienstes unerheblich. Die Erheblichkeitsgrenze liege bei einem Entgelt von 200,00 Euro monatlich.
Nach Auffassung des Sozialgerichts Frankfurt am Main konnte bei seiner Entscheidung die höchst umstrittene und beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Frage offenlassen, ob der gesetzliche Leistungsausschluss für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, mit dem Europarecht vereinbar ist. Denn das Sozialgericht hat angenommen, dass bereits die gesetzlichen Voraussetzungen dieses Leistungsausschlusses nicht vorliegen: Der Familienvater sei aufgrund seines Minijobs als Arbeitnehmer und damit nicht als arbeitsuchend anzusehen. Dies gelte auch unter Zugrundelegung der Auffassung der Behörde, dass eine Arbeitnehmereigenschaft erst ab einem Verdienst von monatlich 200,00 Euro vorliege. Das hier vereinbarte Entgelt von 100,00 Euro monatlich für mindestens sechs Stunden Tätigkeit pro Woche sei sittenwidrig niedrig. Es liege deutlich unterhalb des diskutierten Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde. Im Übrigen liege es nahe, dass die Zwangslage und Unerfahrenheit des Arbeitnehmers ausgenutzt worden sei. Die hierdurch begründete Sittenwidrigkeit führe dazu, dass der übliche Lohn beansprucht werden könne. Wenn ein Stundenlohn von 8,50 Euro angesetzt würde, ergebe sich ein monatlicher Lohnanspruch von über 200,00 Euro. Daher sei der Familienvater als Arbeitnehmer und nicht als nur arbeitsuchend anzusehen. Deshalb seien er und seine Familie von dem Ausschlusstatbestand für Ausländer, die sich allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten, nicht umfasst.
Sozialgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 13. Juni 2014 – S 32 AS 620/14 ER