Steuerfreie Spesenzahlung für Verpflegungsmehraufwendungen als Einkommen

Steuerfreie Spesenzahlung des Arbeitgebers für Verpflegungsmehraufwendungen stellen im Rahmen des ALG II-Bezugs Einkommen dar, das bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen ist.

Hilfebedürftig nach § 9 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.20031 ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs 2 S 2 SGB II). Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs 2 S 3 SGB II). Dabei müssen sich die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft das nach Maßgabe des § 11 SGB II zu berücksichtigende Einkommen eines anderen Mitglieds zurechnen lassen

Die „Spesen“ sind als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen. Es handelt sich hierbei nicht um zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage, die nach der Rechtslage bis zum 31.03.2011, wenn ein privatrechtlicher Verwendungszweck vereinbart war, ggf unberücksichtigt bleiben konnten2.

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II3 sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme ua der Leistungen nach dem SGB II und weiterer hier nicht gegebener Einkünfte. Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen, einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die an den Begriff der „zweckbestimmten Einnahmen“ zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus der Systematik des § 11 SGB II und dem Sinn und Zweck der Regelung. Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt unabhängig davon, ob diese steuerfrei sind, nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch den Zweck der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

Nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.03.2011 konnten nach diesen Maßstäben auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage unberücksichtigt bleiben. Die für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben insofern gefordert, dass eine Vereinbarung vorhanden sein muss, aus der sich objektiv erkennbar ergibt, dass die Leistung von dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zweck verwendet werden soll4, ihm also ein bestimmter privatrechtlicher Verwendungszweck „auferlegt“ wird5. Da tatsächliche Einnahmen abweichend von der Grundregel des § 11 Abs 1 S 1 SGB II nach dem Sinn des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II nur dann außer Betracht bleiben können, wenn dies eine besondere Zweckbestimmung einer Leistung außerhalb des SGB II gebietet, welche durch die Berücksichtigung der Leistung als Einkommen nach dem SGB II verfehlt würde, muss – bereits für die Abgrenzungsentscheidung – klar erkennbar sein, für welche Zwecke die Leistung verwendet werden soll6.

Für die in verschiedener Höhe gezahlten, arbeitsvertraglich vereinbarten und vom LSG schon unterschiedlich als Entgelte für „Verpflegungsmehraufwendungen“, „Verpflegungszuschüsse“ und „Spesen“ bezeichneten Vergütungsanteile (im Folgenden: „Spesen“) ist ein solcher konkreter privatrechtlicher Verwendungszweck nicht vereinbart. Er ist weder dem zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrag noch der Betriebsvereinbarung zu entnehmen. Allein die Bezeichnung als Entgeltbestandteil rechtfertigt nicht die Annahme eines vereinbarten privatrechtlichen Verwendungszwecks. Eine Bestimmung, wofür und ggf in welcher Höhe die „Spesen“ verwendet werden sollen, ist nicht erfolgt. Zwar sind diese in ihrer Staffelung nach der Dauer der Abwesenheit ähnlich wie im BRKG festgelegt worden. Dies lässt jedoch schon deshalb keinen Rückschluss auf eine „zwingende“ Verwendungsform der Einnahmen durch den Kläger zu 2 zu, weil die zwischen ihm und seinem Arbeitgeber arbeitsvertraglich vereinbarten Werte ihrer Höhe nach von den Sätzen des BRKG abweichen. Auch werden die festgesetzten Spesen nicht ausschließlich für Mehraufwendungen für Verpflegung, sondern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des LSG auch für die bei Fernfahrern üblichen Reise- und Übernachtungskosten, insbesondere Gebühren für Toiletten- und Duschraumbenutzung, und kostenpflichtige Lkw-Stellplätze geleistet. Auf die von dem Beklagten geforderte Gerechtfertigkeitsprüfung nach § 11 Abs 3 Nr 1 Halbs 2 SGB II kommt es daher nicht an.

Da die „Spesen“ demnach als tatsächliche Einnahmen zu berücksichtigen sind, sind noch weitere Feststellungen dazu zu treffen, in welchem Umfang (Teil-)Beträge vom Gesamteinkommen abgesetzt werden können. Dabei sind u.a. auch die konkret mit der beruflichen Tätigkeit als Fernfahrer verbundenen Aufwendungen als Absetzbeträge zu berücksichtigen.

Nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II7 sind die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Aufwendungen abzusetzen. § 13 S 1 Nr 3 SGB II8 bzw – ab 1.01.2008 – § 13 Abs 1 Nr 3 SGB II9 ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind10. Aufgrund von § 13 S 1 Nr 3 SGB II bzw § 13 Abs 1 Nr 3 SGB II hat der Verordnungsgeber die Alg II-V vom 20.10.200411 erlassen. Diese Verordnung wurde mehrfach geändert, durch § 10 der „neuen“ Alg II-V vom 17.12.200712 aufgehoben und mit Wirkung vom 01.01.2008 während des hier streitigen Zeitraumes durch die neue Alg II-V vom 17.12.200712 ersetzt. Diese trat am 1.01.2008 in Kraft. Außer für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit wurde ihre Anwendbarkeit nicht auf die nach dem 1.01.2008 neu beginnenden Bewilligungsabschnitte begrenzt (§ 9 Alg II-V). Nach § 6 Abs 3 Alg II-V vom 17.12.200712 ist für Mehraufwendungen für Verpflegung, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten Erwerbstätigkeit entfernt erwerbstätig ist, für jeden Kalendertag, an dem der erwerbsfähige Hilfebedürftige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt mindestens zwölf Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag in Höhe von 6 € abzusetzen.

Bei der – nach den vorbenannten Ermittlungen zur Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für Verpflegungsmehraufwendungen – noch vorzunehmenden Prüfung der Absetzbarkeit von Mehraufwendungen für Verpflegung ist zwischen der Zeit bis zum 31.12.2007 und nach dem Inkrafttreten von § 6 Abs 3 Alg II-V zu unterscheiden. Für die Zeit vor dem 1.01.2008 verbleibt es mangels rückwirkender Anwendbarkeit der neuen Verordnungsregelung bei dem Maßstab des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II. Für die Zeit ab Inkrafttreten der neuen Verordnung, dh ab 1.01.2008, wird das LSG zu beachten haben, dass eine pauschale Begrenzung auf den in § 6 Abs 3 Alg II-V festgesetzten Betrag nicht mit der Verordnungsermächtigung des § 13 S 1 Nr 3 SGB II bzw § 13 Abs 1 Nr 3 SGB II konform geht. Soweit diese Regelung die Berücksichtigung höherer tatsächlicher Verpflegungsmehraufwendungen als 6 € bei einer Abwesenheit von mehr als zwölf Stunden ausschließt, überschreitet sie den Rahmen der Ermächtigung des § 13 SGB II mit der Folge der Erforderlichkeit einer Öffnungsklausel bei deren Anwendung. Maßstab für die Absetzbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen bei mehr als zwölfstündiger Abwesenheit ist daher auch für den Zeitraum ab 1.01.2008 die gesetzliche Regelung des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II. Ggf sind weitere mit der Fernfahrertätigkeit des Klägers verbundene notwendige und tatsächliche Aufwendungen abzusetzen.

Nach § 13 S 1 Nr 3 SGB II bzw – ab 1.01.2008 – § 13 Abs 1 Nr 3 SGB II ist dem Verordnungsgeber grundsätzlich ein Gestaltungsspielraum zugebilligt, in dessen Grenzen er eine an Zweckmäßigkeitserwägungen orientierte politische Entscheidung treffen kann, aber nicht über den von der Ermächtigung gesteckten Rahmen hinausgehen darf13.

Zwar bewegt sich der Verordnungsgeber noch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, wenn er annimmt, dass grundsätzlich erst bei einer bestimmten Mindestdauer der Abwesenheit ein Verpflegungsmehraufwand entsteht. Die nach § 13 S 1 Nr 3 SGB II grundsätzlich zulässige Festlegung von Pauschalen auch für Verpflegungsmehraufwendungen beinhaltet insofern sachnotwendig eine Staffelung nach Abwesenheitszeiten. Hierbei kann auch berücksichtigt werden, dass bei einer bestimmten Abwesenheitsdauer die mit dem häuslichen Umfeld verbundene Möglichkeit eines preiswerten Wirtschaftens und einer Zubereitung von Mahlzeiten jedenfalls zum Teil noch vorhanden ist. Wenngleich es im Hinblick auf die Regelungen des BRKG begründungsbedürftig erscheint, dass der Verordnungsgeber Verpflegungsmehraufwendungen von SGB II-Aufstockern ab Inkrafttreten von § 6 Abs 3 Alg II-V erst bei einer Abwesenheitsdauer vom häuslichen Umfeld von mehr als zwölf Stunden annimmt, bewegt er sich insoweit jedoch noch im Rahmen der Verordnungsermächtigung.

Durch die mit einer Mindestabwesenheit von zwölf Stunden verknüpfte Begrenzung des Verpflegungsmehraufwands auf eine Pauschale von nur 6 € je Kalendertag bei gleichzeitigem Fehlen einer „Öffnungsklausel“ für den Fall nachgewiesener höherer Aufwendungen hat der Verordnungsgeber seinen Gestaltungsspielraum jedoch überschritten. Er begründet die Abweichung von den im Einkommensteuer- und Bundesreisekostenrecht geltenden Pauschbeträgen damit, dass es dem Hilfebedürftigen bei auswärtiger Tätigkeit zumutbar sei, mögliche Verpflegungsmehraufwendungen soweit wie möglich zu reduzieren und eine Besserstellung gegenüber anderen Hilfebedürftigen zu vermeiden14. Insoweit fehlt es jedoch an einer Erklärung dafür, warum Kosten für Verpflegungsmehraufwendungen auch bei sparsamer Wirtschaftsführung15 und bei einer berufsbedingten Abwesenheit von mehr als zwölf Stunden regelmäßig nur in der angenommenen Höhe anfallen und diesen Betrag nicht überschreiten können. Die Begründung, dass Leistungsberechtigten an den Abwesenheitstagen weiterhin die in der Regelleistung enthaltenen Beträge zur Verfügung stünden14, vermag nicht zu überzeugen. Die Festsetzung der in der Regelleistung enthaltenen Beträge für Ernährung beruht schon auf anderen strukturellen Voraussetzungen, weil sie von der Möglichkeit eines sparsamen Einkaufs mit eigener Zubereitung von Mahlzeiten ausgeht.

Der Begründung des Verordnungsgebers lässt sich daher nicht entnehmen, dass es sich bei der Regelung des § 6 Abs 3 Alg II-V, soweit dort die Absetzbarkeit von Mehraufwendungen für Verpflegung für eine berufsbedingte Abwesenheit von mindestens zwölf Stunden ausnahmslos auf einen Betrag in Höhe von 6 € täglich begrenzt ist, um eine realitätsgerechte Pauschalierung handelt. Mit der Festsetzung von Pauschbeträgen sollen zeitraubende Ermittlungen im Rahmen der Massenverwaltung vermieden, nicht jedoch Einsparungen (in größerem Umfang) erzielt werden16. Insofern sind einer Verwaltungsvereinfachung durch – wie hier nach der Ausgestaltung des § 6 Abs 3 Alg II-V – nicht widerlegbare Vermutungen in der Gestalt von Pauschbeträgen Grenzen gesetzt. Spiegelbildlich zur Festsetzung von Pauschalen für Bedarfe bei den existenzsichernden SGB II-Leistungen ist insofern zu beachten, dass an die Stelle eines ganz oder teilweise notwendig zu berücksichtigenden Aufwands tretende Pauschalen nicht an einem atypischen Fall orientiert sein dürfen und „realitätsgerecht“ in einem transparenten Verfahren sachgerecht so bemessen sein müssen, dass sie in möglichst allen Fällen den entsprechenden Aufwand decken17. Konkret muss sichergestellt sein, dass nicht allein wegen der mit der beruflichen Tätigkeit von Alg II-Aufstockern verbundenen notwendigen Aufwendungen das dem Leistungsberechtigten und der Bedarfsgemeinschaft verfassungsrechtlich nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG garantierte Existenzminimum nicht mehr verbleibt. Dies gewährleistet die derzeitige Ausgestaltung des § 6 Abs 3 Alg II-V nicht uneingeschränkt. Es bedarf daher einer Öffnungsklausel.

Die Festlegung eines Pauschbetrags ohne „Öffnungsklausel“, also Auffangregelung für höhere nachgewiesene Verpflegungsmehraufwendungen, entspricht auch insgesamt nicht den gesetzlichen Vorgaben des SGB II, innerhalb derer der Verordnungsgeber sich systemgerecht und entsprechend dem Sinn und Zweck des Normgefüges bewegen muss. Nur für diejenigen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind und ein Einkommen von weniger als 400 € erzielen, ist vorgesehen, dass an die Stelle der Beträge nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II ein höhenmäßig begrenzter Betrag von insgesamt 100 € monatlich abzusetzen ist (§ 11 Abs 2 S 2 SGB II). Beträgt das Einkommen dagegen – wie hier – mehr als 400 €, gilt dies nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II den Betrag von 100 € übersteigt (§ 11 Abs 2 S 3 SGB II). Dementsprechend hat der Verordnungsgeber für die einzelnen, von § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II gleichfalls erfassten Abzugsposten der steuerrechtlichen Werbungskostenpauschale und der Wegstrecken zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte mit der bis zum 31.12.2007 geltenden 1. Alg II-V-ÄndV18 festgelegt, dass auch höhere notwendige Ausgaben als die in § 3 Abs 1 Nr 3 Buchst a und b Alg II-V (ab 1.01.2008: § 6 Abs 1 Nr 2 Buchst a und b Alg II-V) vorgesehenen Pauschbeträge nachgewiesen werden können.

Ausschließlich für Verpflegungsmehraufwendungen als in gleicher Weise mit der Erzielung von Einkommen verbundene notwendige Ausgaben iS von § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II ist eine Öffnungsklausel nicht vorgesehen. Zudem ist im Gegenzug kein ausreichend hoher Pauschbetrag berücksichtigt worden. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der Sätze des § 6 BRKG iVm § 4 Abs 5 EStG (6 € bei weniger als 14-stündiger, aber mindestens achtstündiger Abwesenheit; 12 € bei weniger als 24-stündiger, aber mehr als 14-stündiger Abwesenheit; 24 € bei ganztägiger Abwesenheit). Zwar besteht eine Identität zwischen den mit Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben iS des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II und den Werbungskosten (§ 9 EStG) bzw Betriebsausgaben (§ 4 EStG) nur insoweit, als nicht der Zweck der Leistungen nach dem SGB II Differenzierungen gebietet. Im Grundsicherungsrecht können nur notwendige Ausgaben als Abzugsposten berücksichtigt werden, während es das Steuerrecht zum Teil genügen lässt, wenn die Aufwendungen durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind19. Auch wenn die steuerrechtlichen Absetzmöglichkeiten grundsätzlich weiter sind als die durch § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II eröffneten Abzüge, können zur Beurteilung der Frage, ob Aufwendungen mit der Erzielung des Einkommens notwendig verbunden sind, in einem ersten Schritt die steuerrechtlichen Grundsätze herangezogen werden und kann dann – in einem zweiten Schritt – hinterfragt werden, ob sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des SGB II ein abweichendes Verständnis ergibt20.

Bezogen auf Verpflegungsmehraufwendungen ist eine abweichende steuerrechtliche Zweckbestimmung nicht erkennbar. Bei der Festsetzung des Tagegeldes bei Verpflegungsmehraufwendungen iS des § 6 Abs 1 BRKG iVm § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG ist eine häusliche Ersparnis bereits einbezogen21. Die Pauschalen des BRKG sind – ausgehend von einer Mindestdauer der beruflich bedingten Abwesenheit von mehr als acht Stunden – so berechnet, dass sie „in der Regel ausreichen, um diejenigen notwendigen Mehraufwendungen abzugelten, die üblicherweise bei einer Dienstreise im Zusammenhang mit der Verpflegung entstehen“22. Auch hier wird damit auf die Notwendigkeit der Aufwendungen abgestellt. Die steuerrechtlichen Sätze finden nicht nur auf bestimmte Personengruppen Anwendung, sondern werden bezogen auf alle Erwerbstätigen und unabhängig von deren Art der Erwerbstätigkeit und beruflichem Status als notwendige Beträge für Verpflegungsmehraufwendungen angesehen.

Ist die Verordnungsregelung des § 6 Abs 3 Alg II-V für die Zeit nach deren Inkrafttreten am 1.01.2008 demnach nur unter Berücksichtigung einer Öffnungsklausel anwendbar, können Mehraufwendungen für Verpflegung unter Berücksichtigung des Maßstabs des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II abgesetzt werden. Auch wenn von den SGB II-Leistungsberechtigten eine vernünftige Wirtschaftsführung erwartet werden muss15, kann dabei – wie der vorliegende Sachverhalt zeigt – nicht regelhaft unterstellt werden, dass die arbeitsvertraglichen Bedingungen die Inanspruchnahme einer preisgünstigen Kantine oder ähnlichen Einrichtung ermöglichen. Die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit von SGB II-Aufstockern (§ 1 Abs 1 S 4 Nr 2 SGB II), die der Verordnungsgeber im Blick haben muss, dürfte bei längerer berufsbedingter Abwesenheit aber auch die Einnahme von warmen Mahlzeiten erfordern.

Da andererseits dem Begriff der Notwendigkeit innewohnt, dass extrem hohe und damit nicht nur nach Auffassung des Grundsicherungsträgers, sondern per se nicht notwendige Aufwendungen nicht durch den Steuerzahler zu finanzieren sind, wird die Absetzbarkeit der tatsächlichen und notwendigen Verpflegungsmehraufwendungen durch die Tagessätze des § 6 BRKG iVm § 4 Abs 5 EStG im Sinne eines Höchstbetrags begrenzt. Diese Pauschbeträge (6 € bei weniger als 14-stündiger, aber mindestens achtstündiger Abwesenheit; 12 € bei weniger als 24-stündiger, aber mehr als 14-stündiger Abwesenheit; 24 € bei ganztägiger Abwesenheit) bilden die Obergrenze für nachgewiesene Verpflegungsmehraufwendungen. Für den streitigen Zeitraum bis zum 31.12.2007 gilt dies uneingeschränkt. Für die Zeit ab Inkrafttreten des § 6 Abs 3 Alg II-V am 1.01.2008 sind die Obergrenzen des BRKG für die allein absetzbaren tatsächlichen Verpflegungsaufwendungen bei über zwölfstündiger Abwesenheit anwendbar.

Neben den tatsächlichen und notwendigen Verpflegungsmehraufwendungen sind ggf auch sonstige notwendige und tatsächliche Aufwendungen der Fernfahrertätigkeit, etwa Übernachtungs- und Reisenebenkosten23, ergänzend im Rahmen des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II absetzfähig. Insofern fehlen auch Feststellungen dazu, ob dem Kläger zu 2 die Kosten für Park- und Mautgebühren sowie weitere, ggf mit der Auftragserfüllung verbundene Aufwendungen vom Arbeitgeber erstattet worden sind (§ 670 BGB) und eine Absetzbarkeit dieser Beträge eventuell aus diesem Grund ausscheidet.

Soweit hierneben weitere mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Aufwendungen iS des § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB II nachweist, greift die in § 11 Abs 2 S 2 SGB II nur für den Regelfall vorgesehene Begrenzung der Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II auf einen Betrag von 100 € nicht ein (§ 11 Abs 2 S 3 SGB II).

Bundessozialgericht, Urteil vom 11. Dezember 2012 – B 4 AS 27/12 R

  1. BGBl I 2954[]
  2. vgl aber die nunmehr geänderte Fassung des § 11a Abs 3 SGB II idF ab 1.04.2011; BT-Drucks 17/3404 S 94[]
  3. idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.03.2006, BGBl I 558, erhalten hat[]
  4. BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 21; BSG vom 01.07.2009 – B 4 AS 9/09 R; BSG vom 28.10.2009 – B 14 AS 64/08 R[]
  5. BSGE 100, 83 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 6, RdNr 49 ; BSGE 102, 295 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 20 ff ; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 29 RdNr 15 ff []
  6. vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 29 RdNr 16 „abweichender Verwendungszweck feststellbar“[]
  7. in der bis zum 31.12.2011 unveränderten Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954[]
  8. idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954[]
  9. idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 08.04.2008 []
  10. vgl BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 4 RdNr 37[]
  11. BGBl I 2622[]
  12. BGBl I 2942[][][]
  13. vgl zur Alhi: BSG Urteil vom 09.12.2004 – B 7 AL 24/04 R – BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 12[]
  14. S 18 des Entwurfs für eine Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld[][]
  15. vgl zur Alhi: BSGE 45, 60, 62 = SozR 4100 § 138 Nr 2; BSG SozR 4100 § 138 Nr 27[][]
  16. vgl zur Alhi: BSG Urteil vom 09.12.2004 – B 7 AL 24/04 R – BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1, RdNr 13[]
  17. vgl BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1 zur Pauschalierung von Absetzbeträgen für Versicherungen in der Alhi; zum pauschalen Mehrbedarf für Alleinerziehende Urteil des Senats vom 23.08.2012 – B 4 AS 167/11 R[]
  18. Erste Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.08.2005, BGBl I 2499[]
  19. BSG Urteil vom 19.06.2012 – B 4 AS 163/11 R – BSGE 111, 89 = SozR 4-4200 § 11 Nr 53, RdNr 18 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 RdNr 462, Stand 6/2010[]
  20. BSG aaO RdNr 19[]
  21. Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht, § 6 BRKG RdNr 1, Stand September 2011[]
  22. BVerwG Urteil vom 21.09.2010 – 2 C 54/09, Buchholz 260 § 6 BRKG Nr 4[]
  23. vgl zB Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 27.09.2012 – 5 K 99/12 zur Schätzung für Duschen- und Toilettenbenutzung sowie die Reinigung der Schlafgelegenheit in Höhe von 5 € je Tag[]