Schaden am Mietwagen beim Umzug in eine günstigere Wohnung

Die bei einem vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug zu übernehmenden Kosten sind auf die notwendigen Kosten eines Umzugs beschränkt. Hierzu zählen etwa Transportkosten, Kosten für Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen, Benzinkosten und Verpackungsmaterial. Die Schadensersatzforderung eines Autovermieters steht zwar mittelbar in einem Zusammenhang mit dem Umzug; die Schadensverursachung ist aber bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr entstanden. Die Schadensersatzforderung eines Autovermieters zählt nicht zu den unmittelbaren Kosten eines Umzugs.

Das ist die Entscheidung des Bundessozialgerichts in einem Fall, wo die Klägerinnen vom Beklagten die Übernahme von 700 Euro begehren, die sie wegen einer Schadensverursachung anlässlich eines vom Beklagten veranlassten Umzugs an einen Autovermieter zu zahlen haben. Die Klägerinnen, Mutter und Tochter, wohnen zusammen in einer Wohnung und beziehen von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Zuge eines Umzugs in eine günstigere Wohnung, der aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten erfolgte, kam es zu einem Schaden am Mietwagen. Die Kosten wollte der Beklagte nicht übernehmen, so dass Klage vor dem Sozialgericht Freiburg erhoben wurde. Der Klage wurde nicht stattgegeben1 und auch die Berufung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückgewiesen2. Hiergegen haben die Klägerinnen Revision beim Bundessozialgericht eingelegt.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts haben das Sozialgericht und das Landessozialgericht einen Anspruch auf weitere Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 3 SGB II3 zutreffend verneint. Danach können für Leistungsberechtigte nach dem SGB II ua Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden, wobei die Zusicherung nach Satz 2 erteilt werden soll, wenn der Umzug durch den Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist.

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts, die von den Beteiligten nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden sind, haben die Mutter als erwerbsfähige Hilfebedürftige und die Tochter, die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft (vgl § 7 Abs 3 Nr 1 und 4 SGB II) lebt, im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, der die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II umfasst.

Von den Kosten für Unterkunft und Heizung sind auch die Kosten eines durch den Träger der Grundsicherung veranlassten Umzugs erfasst, soweit sie angemessen sind. Solche Kosten wären, die Sonderregelung des § 22 Abs 3 SGB II hinweggedacht, bereits als notwendiger Unterkunftsbedarf iS des § 22 Abs 1 SGB II zu übernehmen4. Der Umzug war vorliegend durch den Träger der Grundsicherung veranlasst; dementsprechend hat der Beklagte eine Zusicherung zu den Kosten der neuen Unterkunft (vom 9.8.2007) auf Grundlage des § 22 Abs 2 SGB II erteilt. Soweit die Klägerinnen erstmals im Revisionsverfahren vortragen, bereits die Aufforderung zum Umzug sei rechtswidrig gewesen und löse Ansprüche auf Übernahme der entstandenen Kosten aus, ist dieser Sachvortrag im vorliegenden Revisionsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen.

Zutreffend gehen die Vorinstanzen davon aus, dass die dem Autovermieter gegenüber erteilte Zusage des Beklagten (vom 29.8.2007), die Kosten der Anmietung zu tragen, zugleich die (weitere) Zusicherung nach § 22 Abs 3 Satz 1 und 2 SGB II an die Mutter beinhaltet, (jedenfalls) die mit der Nutzung des Fahrzeuges entstehenden Umzugskosten zu übernehmen. Die im Rahmen des § 22 Abs 3 SGB II berücksichtigungsfähigen Umzugskosten beschränken sich auf die eigentlichen Kosten des Umzugs, wie etwa Transportkosten, Kosten für eine Hilfskraft, erforderliche Versicherungen, Benzinkosten und Verpackungsmaterial5, bei selbst durchgeführten Umzügen gehören hierzu die Kosten, die unmittelbar mit der Anmietung eines Fahrzeuges anfallen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Mietkosten inklusive der Versicherungskosten (wobei die Frage nach dem Umfang der Versicherung – gerade auch im Hinblick auf einen Selbstbehalt – die Angemessenheit solcher Kosten betrifft) und die Benzinkosten.

Bei der Schadensersatzforderung, der die Mutter ausgesetzt ist, handelt es sich dagegen nicht um einen berücksichtigungsfähigen Bedarf iS des § 22 Abs 1 iVm Abs 3 SGB II. Zwar ist für die Bestimmung des Bedarfs für die Unterkunft grundsätzlich unerheblich, ob erst vorwerfbares – hier leicht fahrlässiges – Handeln den Bedarf entstehen lässt6. Die Forderung des Autovermieters gegenüber der Mutter erwächst aber aus der Teilnahme am Straßenverkehr, nicht aus der Nutzung einer Unterkunft. Zutreffend weisen die Vorinstanzen darauf hin, dass die Schadensverursachung hier in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Nutzung der Wohnung steht, sondern nur anlässlich des Umzuges entstanden ist. Als Kosten der Unterkunft kommen aber im gesamten Anwendungsbereich des § 22 SGB II nur solche Kosten in Betracht, die nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls für das existenzielle Grundbedürfnis „Wohnen“ aufgebracht werden müssen. Die (nachträgliche) Übernahme von Kosten, die durch die Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr entstanden sind, dient aber nicht dem Erhalt, der Bewohnbarkeit oder dem geordneten Einzug in eine Wohnung und damit nicht dem Teil der Existenzsicherung, der mit Ansprüchen nach § 22 SGB II abgedeckt wird.

Die Würdigung der Vorinstanzen, der Beklagte habe sich in seinem Schreiben vom 29.8.2007 nicht (rechtsfehlerhaft) iS des § 22 Abs 3 SGB II iVm § 34 SGB X dahin gebunden, dass ggf entstehende Schadensersatzforderungen als Kosten des Umzugs übernommen werden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Hiergegen haben die Klägerinnen im Revisionsverfahren keine weiteren Einwände mehr vorgebracht.

Soweit die Klägerinnen geltend machen, sie seien von dem Beklagten unzutreffend beraten worden, folgt daraus kein Anspruch auf Freistellung von den Schadensersatzforderungen des Autovermieters aus dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts7 zur Voraussetzung, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I), verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen8.

Zunächst stimmt das Bundessozialgericht mit den Vorinstanzen darin überein, dass die Mutter nicht im Nachhinein unter Berufung auf mangelnde Fahrpraxis geltend machen kann, der Beklagte hätte den Umzug durch ein Umzugsunternehmen finanzieren müssen. Sollte sich die Mutter nicht im Stande gesehen haben, einen Transporter zu lenken, hätte sie dies anlässlich der Vorsprache vorbringen müssen. Eine eigene mangelhafte Einschätzung des damit verbundenen Risikos kann sie nicht als Beratungsfehler auf den Beklagten abwälzen, schon weil es sich insoweit um einen Sachverhalt handelt, der für den Beratenden nicht erkennbar ist.

Selbst wenn die Klägerinnen bei weitgehender allgemeiner Beratung auf die Anmietung des Transporters zu diesen Konditionen hätten verzichten dürfen, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Übernahme der streitigen Kosten. Es spricht einiges dafür, dass ein Hilfebedürftiger einen Anspruch auf die Absicherung eines Schadensrisikos durch eine Versicherung hat, die einen Selbstbehalt weitergehend als vorliegend mindert. Die Kosten für eine solche Versicherung könnten sich jedenfalls für Hilfebedürftige mit wenig Fahrpraxis als angemessen darstellen, wenn sie dem entsprechen, was üblicherweise auch von einem nicht hilfebedürftigen Mieter eines Kraftfahrzeuges bei entsprechender Selbsteinschätzung des mit der Nutzung verbundenen Risikos aufgebracht wird. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der konkret entstandene Schaden nicht kausal auf einen Beratungsfehler, sondern auf ein anschließendes weiteres Fehlverhalten der Mutter zurückzuführen ist und deshalb auch die Möglichkeit fehlt, im Nachhinein den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre.

Das Landessozialgericht weist zutreffend darauf hin, dass eine Existenzgefährdung durch die ungedeckten Kosten nicht in Rede steht, weil die Mutter nach den Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) vor Pfändungen durch den Autovermieter geschützt ist. Die Sicherung des Lebensunterhalts geht der Schuldentilgung grundsätzlich vor, sodass der Mutter zuzumuten ist, die Begleichung der Schulden soweit zurückzustellen, wie sie hierzu nach den Regelungen der ZPO über die Pfändungsfreigrenzen auch berechtigt ist. Die Begleichung von Schulden aus Einkommen oder Vermögen, das zwar nach § 11 SGB II bzw § 12 SGB II bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit unberücksichtigt bleibt, nicht aber nach der ZPO vor Pfändungen geschützt ist, hat sie hinzunehmen. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob mit der Regelleistung Rückstellungen für Dritten gegenüber entstandene, leicht fahrlässig verursachte Schäden abgedeckt sind, wie der Beklagte offenbar meint, denn die Gewährung eines Darlehens als Sonderbedarf nach § 23 Abs 1 SGB II hat er den Klägerinnen bereits angeboten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Oktober 2011 – B 14 AS 152/10 R

  1. SG Freiburg, Urteil vom 23.03.2010 – S 14 AS 3865/08[]
  2. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.09.2010 – L 1 AS 2177/10[]
  3. hier in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706[]
  4. vgl BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R, BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, RdNr 14 und ähnlich BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 15[]
  5. vgl BSG, Urteil vom 16.12.2009 – BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 15; BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 77/08 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 4 RdNr 12[]
  6. vgl zum Bedarf für Erstausstattung einer Wohnung BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 15 und zur Übernahme von Mietschulden BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R, BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 31[]
  7. vgl für das Recht der Grundsicherung etwa BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 63/06 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 10[]
  8. vgl zum Lohnsteuerklassenwechsel BSG, Urteil vom 01.04.2004 – B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267, 279 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1, RdNr 30 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen[]