Voraussetzungen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft

Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II können ganz oder teilweise wegfallen, wenn es an der Hilfebedürftigkeit durch die Bildung einer Bedarfsgemeinschaft fehlt. § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich

  1. um Partner handeln, die
  2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und zwar
  3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Mit dieser Begründung hat das Bundessozialgericht in dem hier vorliegenden Fall die Klage auf Leistungen nach dem SGB II an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen. Die Klägerin wohnt seit 1975 mit Herrn L. zusammen. 1986 erfolgte der Umzug in ein gemeinsam finanziertes und im jeweils hälftigen Eigentum stehendes Eigenheim. Die laufenden Ausgaben für die Finanzierung des Hauses, die Versorgung mit Energie und den Telefonanschluss finanzieren sie seither über ein gemeinsames Konto. Darüber hinaus verfügen beide über eigene Konten, für die dem jeweils anderen eine Verfügungsvollmacht erteilt worden war. Für die das Hauseigentum und den Hausrat betreffenden Versicherungen sind beide Versicherungsnehmer. Nachdem der Beklagte der Klägerin ab Mitte 2005 zunächst Alg II bewilligt hatte, lehnte er eine Fortzahlung für die Zeit ab Juni 2007 ab, da die Klägerin in einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn L. lebe und ihr Hilfebedarf durch die Berücksichtigung seines Einkommens gedeckt werden könne. Nach Klageabweisung durch das Sozialgericht Hannover1 ist die Berufung beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ebenfalls zurückgewiesen worden2, da die Klägerin nicht hilfebedürftig sei. Das Landessozialgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es bedürfe der Klärung, ob in Übereinstimmung mit der von ihm vertretenen Rechtsauffassung auch eine solche Beziehung als Partnerschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II anzusehen sei, in der es zB an einer indiziellen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft fehle, bei der jedoch der insoweit selbstständigen Lebensführung in einer langjährigen gemeinsamen Wohnung eine über Jahrzehnte aufrechterhaltene persönliche Beziehung zugrunde liege. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 7 Abs 3 Nr 3c, Abs 3a SGB II. Selbst bei Vorliegen der Vermutungstatbestände müsse berücksichtigt werden, dass eine Partnerschaft dann nicht bestehe, wenn jemand sein Einkommen oder Vermögen ausschließlich zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener Verpflichtungen verwende.

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts konnte auf Grund der Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin hilfebedürftig ist, insbesondere, ob das Einkommen und Vermögen des L. ihrer Hilfebedürftigkeit entgegensteht, weil sie mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Voraussetzungen der Nr 1, 2 und 4 des § 7 Abs 1 S 1 SGB II für einen Anspruch auf Alg II vorliegend gegeben sind. Ob bei der Klägerin auch Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II besteht, vermag das Bundessozialgericht nicht abschließend zu beurteilen. So mangelt es an Feststellungen des Landessozialgerichts, ob der Hilfebedarf der Klägerin durch Zuwendungen ihrer Schwester und/oder eigenes Einkommen sowie ggf ab wann gemindert oder gedeckt war. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung brauchte das Landessozialgericht dies zwar keiner näheren Prüfung zu unterziehen, denn es hat das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und L iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II bejaht, in der das Einkommen und Vermögen des L nach § 9 Abs 2 SGB II zur Bedarfsdeckung der Klägerin zu verwenden wäre, sodass ihre Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II entfallen sein könnte. Nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs 2 S 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig3. Das Vorliegen einer derartigen Bedarfsgemeinschaft vermag der Senat allerdings nach den Feststellungen des Landessozialgerichts im konkreten Fall nicht abschließend nachzuvollziehen.

Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II4 gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr 4). Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen.

Es mangelt hier bereits an Feststellungen des Landessozialgerichts zum Vorliegen einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und L sowie des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt. Das Landessozialgericht hat bei seiner rechtlichen Prüfung unbeachtet gelassen, dass § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen normiert, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich um Partner handeln, die in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen5. Bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs 3a SGB II6. Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle – die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts wegen ermittelt werden müssen (§ 20 SGB X bzw § 103 SGG) – allerdings vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten, nicht abschließenden7 Fallgestaltungen Indizien für eine gesetzliche Vermutung von Tatsachen vor, mit deren Hilfe auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann.

Das SGB II knüpft insoweit an die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu § 193 SGB III bzw § 137 AFG und § 122 BSHG an. Insbesondere die Notwendigkeit, dass für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zwingend eine objektiv festzustellende Partnerschaft sowie Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft – neben dem subjektiven Einstehens- und Verantwortungswillen – gegeben sein muss, folgt dem bisherigen Konzept der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung bei existenzsichernden Transferleistungen.

§ 137 Abs 2a AFG8 regelte für den Bereich der Arbeitslosenhilfe vor Inkrafttreten des § 193 SGB III, dass Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war eine eheähnliche Gemeinschaft iS des § 137 Abs 2a AFG gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich ist, so wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist9. Das Bundessozialgericht bezog sich hierbei (auch) auf die Vorschrift des früheren § 149 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung10, wonach im Rahmen der dortigen Bedürftigkeitsprüfung bei der Arbeitslosenhilfe ebenfalls das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in gleicher Weise zu berücksichtigen war wie das Einkommen und Vermögen des Ehegatten. Diese Vorschrift hatte das Bundesverfassungsgericht11 als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt und als wesentliches Vergleichselement darauf abgestellt, dass in der eheähnlichen Gemeinschaft wie in einer Ehe „aus einem Topf“ gewirtschaftet werde.

Ebenfalls auf das objektive Kriterium des „Wirtschaftens aus einem Topf“ in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft stellte die Rechtsprechung im Bereich der Sozialhilfe ab12, wonach gemäß § 122 BSHG Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden durften als Ehegatten.

Zwar forderte das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17.11.199213 zu § 137 Abs 2a AFG, dass die Beziehungen in einer eheähnlichen Gemeinschaft über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen müssten. Die Partner müssten in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dergestalt leben, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Demnach ist zusätzlich ein subjektives Element iS eines Verantwortungs- und Einstehenswillens erforderlich (wie ihn § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II iVm § 7 Abs 3a SGB II nunmehr auch ausdrücklich anführt). An dem Erfordernis einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft als Grundvoraussetzung änderte dies jedoch nichts. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts änderte sowohl das Bundessozialgericht als auch das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zwar. Sie bezogen die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit ein. Das Bundessozialgericht ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass daneben weiter das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Partnern erforderlich sei14.

Dass auch nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II ein „Wirtschaften aus einem Topf“ vorab als Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zu prüfen ist, zeigt auch die Entwicklung des § 7 SGB II sowie die Gesetzesbegründung hierzu. In § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II15 hieß es zunächst „Zur Bedarfsgemeinschaft gehören als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen … b) die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt“. Die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.200616 zum 1.8.2006 erfolgte Änderung des § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II sollte lediglich bewirken, dass auch Partner einer nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eine Bedarfsgemeinschaft bilden können und damit eine Schlechterstellung von Ehepartnern, Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft aber auch Partnern einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensanrechnung aufheben17. Auswirkungen auf die bis dahin aufgestellten Voraussetzungen einer „eheähnlichen Gemeinschaft“ waren damit nicht verbunden. Vielmehr ließen sich nun diese Voraussetzungen auch auf nicht eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften übertragen. Mit der gleichzeitigen Einfügung des § 7 Abs 3a SGB II hat der Gesetzgeber lediglich zu dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, eine Vermutungsregelung eingefügt, ohne hierdurch die objektiven Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten Partnern zu verändern.

Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht18 und Bundessozialgericht19 auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen20. Anhand dieser Kriterien wird das Landessozialgericht nunmehr – ohne gleichzeitige Einbeziehung des subjektiven Merkmals des Einstehens- und Verantwortungswillens – aufgrund der objektiven Gegebenheiten eine insoweit eigenständige Beweiswürdigung vornehmen müssen. Dabei wird es insbesondere die von ihm selbst dargelegten Aspekte der fehlenden sexuellen Beziehungen zwischen der Klägerin und L, der nur seltenen anderweitigen partnerschaftlichen Beziehungen beider Beteiligter und des Pflegens von anderen Beziehungen nur außerhalb des gemeinsamen häuslichen Bereichs in seine Wertung einzubeziehen haben.

Das „Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt“ iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert – wie bereits dargelegt – das Bestehen einer „Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“. § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II stellt damit bereits vom Wortlaut her21 auf zwei Elemente ab, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem Topf22.

Unter „Zusammenleben“ in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes „Zusammenwohnen“, wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall ist, zu verstehen. Andererseits ist es für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht ehelich verbundenen Partnern zwingend, dass sie in „einer Wohnung“ zusammenleben. Auch bei einer Ehe ist die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche iS des § 1353 BGB sein23. Haben die Ehegatten bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen24. Hier ist vielmehr regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten erforderlich, die häusliche Gemeinschaft nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs 1 BGB). Da es bei einer nichtehelichen Partnerschaft an der einzig durch die Eheschließung bereits nach außen dokumentierte Verbundenheit mangelt und dort diese nur dann verneint werden kann, wenn sie ausdrücklich nach außen hin dokumentiert wird, erfordert die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten bzw nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundenen Partnern umgekehrt, dass deren Verbundenheit durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar wird.

Zusätzlich bedarf es zum zweiten des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist, dass der Haushalt von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts muss gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.

Hierzu mangelt es an Feststellungen des Landessozialgerichts. Es hat das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und L im Ergebnis offen gelassen. Das Landessozialgericht wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren die von ihm benannten Aspekte der gemeinsamen Finanzierung des Hauses sowie der Unterhaltungs- und Betriebskosten hierfür, die gegenseitige Erteilung von Kontovollmachten, die getrennten Haushaltskassen und im Wesentlichen getrennte Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten einerseits, aber ua auch die sich aus dem Vorbringen der Klägerin und den Akten ergebenden Erkenntnisse zur Haushaltsführung an sich, sei es die Organisation des Einkaufs, das Reinigen der Wohnung und der Wäsche sowie der Finanzierungshilfen durch die Schwester der Klägerin in seine Wertung einzubeziehen haben.

Sind die o.a. objektiven Voraussetzungen gegeben, gilt es den Einstehens- und Verantwortungswillen der Partner festzustellen. Diesen hat das Landessozialgericht zwar für das Bundessozialgericht bindend, weil nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen (§ 163 SGG), bejaht. Es wird in der erneuten Entscheidung jedoch die Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbegründung einer zusätzlichen Betrachtung unter dem Aspekt der Widerlegbarkeit der Vermutung zu unterziehen haben.

Bundessozialgericht, Urteil vom 23. August 2012 – B 4 AS 34/12 R

  1. SG Hannover, Urteil vom 28.04.2009 – S 45 AS 2588/07[]
  2. LSG Nieders.-Bremen, Urteil vom 08.09.2011 – L 15 AS 654/09[]
  3. vgl hierzu nur BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 15[]
  4. in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706[]
  5. siehe Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 46 ff; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 44 ff; Sächsisches LSG Urteil vom 07.01.2011 – L 7 AS 115/09; Sächsisches LSG Beschluss vom 10.09.2009 – L 7 AS 414/09 B ER; Bayerisches LSG Beschluss vom 09.12.2009 – L 16 AS 779/09 B ER[]
  6. siehe auch Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 7 RdNr 31b[]
  7. BT-Drucks 16/1410, 19[]
  8. eingefügt zum 1.1.1986 durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20.12.1985, BGBl I 2484[]
  9. BSG, Urteil vom 24.03.1988 – 7 RAr 81/86, BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr 17; BSG Urteil vom 26.04.1989 – 7 RAr 116/87[]
  10. AVAVG, idF vom 23.12.1956, BGBl I 1018 – Bekanntmachung der Neufassung vom 3.4.1957, BGBl I 321 – § 141e Abs 5 desselben Gesetzes idF vom 16.04.1956, BGBl I 243[]
  11. BVerfG, Beschluss vom 16.12.1958 – 1 BvL 3/57, 4/57 und 8/58, BVerfGE 9, 20 = SozR Nr 42 zu Art 3 GG[]
  12. siehe nur BVerwG, Urteil vom 27.02.1963 – BVerwGE 15, 306; BVerwG, Urteil vom 20.01.1977, BVerwGE 52, 11; BVerwG, Urteil vom 20.11.1984 – BVerwGE 70, 278[]
  13. BVerfG, vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3[]
  14. siehe nur BSG Urteil vom 29.04.1998 – B 7 AL 56/97 R, SozR 3-4100 § 119 Nr 15; BSG Urteil vom 17.10.2002 – B 7 AL 96/00 R, BSGE 90, 90, 94 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26; BSG Urteil vom 17.10.2002 – B 7 AL 72/00 R, SozR 3-4300 § 144 Nr 10; BSG Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 52/06 R, SozR 4-4300 § 144 Nr 16 RdNr 17; ebenso in der Literatur Ebsen in Gagel, SGB III, Stand 7/1999, § 193 RdNr 54 ff; Henke in Hennig, AFG, Stand 7/1997, § 137 RdNr 33[]
  15. idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, BT-Drucks 15/1516, 52[]
  16. BGBl I 1706[]
  17. vgl BT-Drucks 16/1410, 19[]
  18. BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3[]
  19. BSG, BSGE 90, 90, 100 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26, RdNr 39[]
  20. s Hänlein in Gagel SGB II/SGB III, Stand 01/2009, § 7 SGB II RdNr 47; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 45[]
  21. im Gegensatz zu § 7 Abs 3 Nr 3a und b SGB II für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten bzw Lebenspartner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, siehe auch BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 49/09 R, BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 14[]
  22. BSG Urteil vom 27.01.2009 – B 14 AS 6/08 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 68/07 R, BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 3; BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 5/09 R; BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 32/08 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 16; s auch Hackethal in jurisPK-SGB II, Stand 15.8.2011, § 7 RdNr 56; Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 47; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; A. Loose in GK-SGB II, Stand 7/2010, § 7 RdNr 56.1; Sauer in Sauer, SGB II, § 7 RdNr 25; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 46; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, § 7 RdNr 216[]
  23. Palandt/Brudermüller, BGB, 69. Aufl 2010, § 1353 BGB RdNr 6 ff; MünchkommBGB, 5. Aufl 2010, § 1565 RdNr 23; BGH, Urteil vom 07.11.2001 – XII ZR 247/00, NJW 2002, 671; s auch BSGE 105, 291 = SozR 3-4200 § 7 Nr 16, RdNr 13[]
  24. Staudinger/Rauscher, BGB, 2004, § 1567 RdNr 51[]