Das Bundessozialgericht hat aktuell darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Grundsicherungsträger berechtigt ist, bei einer erstmaligen Bewilligung von Grundsicherungsleistungen bei einer neu angemieteten Wohnung nur die von ihm als angemessen festgestellten Kosten für Unterkunft und Heizung zu Grunde zu legen.
Der Kläger in dem jetzt vom Bundessozialgericht entschiedenen Rechtsstreit schloss am 19. November 2007 zum 1. Dezember 2007 einen Mietvertrag über eine rund 50 qm große Zweizimmerwohnung zu einem Bruttokaltmietzins von 291,90 € plus Heizkostenvorauszahlung von 70 €. Auf seinen Antrag ‑ ebenfalls vom 19. November 2007 ‑ bewilligte der beklagte Grundsicherungsträger ihm jedoch nur Leistungen für Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 319 € für den Monat Dezember 2007 und 324 € für die Monate Januar bis Mai 2008. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass nur die angemessenen Aufwendungen zu übernehmen seien. Der Kläger sei ohne vorherige Zusicherung zur Übernahme der Unterkunftskosten in die neue Wohnung umgezogen. Die Mietobergrenze für Einpersonenhaushalte nach dem SGB II betrage in Wilhelmshaven 259 € (Kaltmiete plus Nebenkosten).
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Der Senat hat das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die Revision des Beklagten aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zutreffend ist, so die Kasseler Bundessozialrichter, der beklagte Grundsicherungsträger zwar davon ausgegangen, dass er nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich nur verpflichtet ist, die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Das Bundessozialgericht kann nach dem Stand des Verfahrens unentschieden lassen, ob die tatsächlich entstandenen Kosten als angemessene Kosten der Unterkunft anzusehen sind.
Denn ein Anspruch auf die tatsächlichen Unterkunftskosten kann sich hier aus dem für die vorliegende Fallgestaltung anwendbaren § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II ergeben. Eine Absenkung erfolgt insoweit nicht, wenn den Hilfebedürftigen keine Kostensenkungsobliegenheit trifft. Dieses gilt grundsätzlich auch, wenn der Hilfebedürftige kurz vor Beginn des Leistungsbezugs eine neue Wohnung zu einem unangemessenen Mietzins anmietet. Der Grundsicherungsträger ist daher zunächst verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Wohnung – in der Regel jedoch längstens für sechs Monate – zu tragen, es sei denn, der Hilfebedürftige hatte bei Abschluss des Mietvertrags ihm zurechenbar Kenntnis von der Unangemessenheit der Aufwendungen. Einer Zusicherung des Trägers zur Übernahme der Aufwendungen für die „neue“ Wohnung im Sinne des § 22 Abs 2 SGB II bedarf es im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten vor Leistungsbeginn bzw. Erstantragstellung jedoch nicht.
Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R