Der Selbstbehalt einer Vollkaskoversicherung beim Umzug mit einem Miet-Lkw ist nach einem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg kein Teil der vom Träger der Grundsicherung zu übernehmenden Umzugskosten bzw. Wohnungsbeschaffungskosten.
Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II1 können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden; eine Mietkaution kann bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll nach Satz 2 der Vorschrift erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Dabei können Umzugskosten und Wohnungsbeschaffungskosten nur in dem Rahmen übernommen werden, der typischerweise bei einem Umzug anfällt, wozu indes nicht der Selbstbehalt in der Vollkaskoversicherung eines für den Umzug angemieteten Kleintransporters gehört.
Die Begriffe „Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten“ werden in § 22 Abs. 3 SGB II nicht näher definiert. In den Gesetzesmaterialien wird der Begriff der Umzugskosten nicht problematisiert. Dort wird lediglich auf die Parallele zum Sozialhilferecht verwiesen2; sozialhilferechtlich ist eine ausdrückliche Begriffsklärung bisher jedoch noch nicht erfolgt3.
Die Begriffe „Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten“ finden ihre Begrenzung jedoch bereits in ihrem Wortlaut. „Wohnungsbeschaffungskosten“ sind nur solche Aufwendungen, die mit dem Finden und Anmieten der Wohnung verbunden sind4. Die Umzugskosten sind im Interesse einer klaren Abgrenzung zu den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II auf die „eigentlichen Kosten“ des Umzugs „im engeren Sinne“, wie die Kosten für Transport, Hilfskräfte, erforderliche Versicherungen, Benzin und Verpackungsmaterial zu begrenzen5.
Zu den Kosten des Umzugs in diesem engeren Sinne kann zwar noch die regelmäßig anfallende Vollkaskoversicherung gezählt werden, nicht jedoch der Selbstbehalt einer Vollkaskoversicherung im Schadensfall. Dagegen spricht, dass dieser Selbstbehalt regelmäßig im Zusammenhang mit Umzügen nicht anfällt und im Wesentlichen auf ein fahrlässiges Verhalten des ALG-II-Beziehers zurückzuführen ist.
Der Grundsicherungsempfänger war gehalten, im Rahmen seiner Kostenminderungspflicht ihren Umzug selbst durchzuführen, denn der Anspruch ist auf die notwendigen und angemessenen Kosten beschränkt6. Jedenfalls hätte der ALG-II-Bezieher rechtzeitig Bedenken gegen den selbst durchgeführten Umzug geltend machen müssen, wenn er – sei es aus Krankheit, Überforderung oder anderen Gründen – hierzu nicht in der Lage gewesen wäre7. Solche Bedenken sind indes nicht geäußert worden.
Damit ist in dem Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg aber die Klägerin durch die Übernahme der regelmäßig anfallenden Kosten eines selbst organisierten Umzugs (Transportermiete einschließlich Benzin zuzüglich Vollkaskoversicherung) so gestellt worden wie ein nicht nach dem SGB II Bedürftiger, der als wirtschaftlich handelnder Mensch ebenfalls mit der Erwägung, dass ein Unfall mit dem Kleintransporter eher unwahrscheinlich ist, regelmäßig einen Selbstbehalt mit dem Autovermieter vereinbaren wird. Dass die Vereinbarung eines Selbstbehalts bei der Vollkaskoversicherung im Rahmen der Anmietung eines Kleintransporters wirtschaftlich sinnvoll ist, hat der Klägerbevollmächtigte im Übrigen zu Recht schriftsätzlich eingeräumt. Außerdem dürfte es auch insoweit den Regelfall darstellen, dass eine Erfahrung mit dem Lenken von Kleintransportern nicht oder kaum vorhanden ist, wenn jemand seinen Umzug selbst mit einem Miettransporter bewerkstelligt.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass bei einer Übernahme auch des Selbstbehaltes durch die Beklage der Anreiz des Selbstbehalts trotz bestehender Vollkaskoversicherung, nämlich im eigenen Interesse besonders sorgfältig mit dem überlassenen fremden Eigentum umzugehen, nicht bestanden hätte, was auch aus Sicht des Grundsicherungsträgers keine sinnvolle Regelung gewesen wäre. Sofern die Klägerin in diesem Zusammenhang auf ihre Abhängigkeit von existenzsichernden Leistungen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass sie wie jeder andere Bürger auch im Falle der Existenzgefährdung wegen einer Schadenersatzforderung durch die gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen geschützt wird und eine zwangsweise Durchsetzung der Forderung während des Bezugs von SGB II-Leistungen ausgeschlossen gewesen sein dürfte.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 7. September 2010 – L 1 AS 2177/10
- in der seit dem 01.01.2007 geltenden Fassung[↩]
- Entwurf eines Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1516 S. 57[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.03.1999 – 5 B 65/98; vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 16 mit weiteren Nachweisen[↩]
- BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 16[↩]
- BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16; BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 77/08 R; BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R; vgl. auch Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rdnr. 84[↩]
- BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R; Sächsisches LSG, Beschlüsse vom 19.09.2007 – L 3 B 411/06 AS-ER; und vom 26.10.2009 – L 3 B 768/08 SO-ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 05.02.2008 – L 10 B 2193/07; und vom 17.04.2008 – L 5 B 373/08 AS ER, jeweils m.w.N.; Wieland in Estelmann, SGB II, Stand Mai 2009, § 22 Rdnr. 92[↩]
- vgl. LSG NRW, Beschluss vom 24.10.2007 – L 19 B 93/07 AS[↩]






