Pauschalbeträge für die Wohnungs- und Bekleidungserstausstattung

Für die Höhe des Anspruchs auf Wohnungserstausstattung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II ist zunächst der Leistungsumfang maßgeblich. Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II sind – wie das Bundessozialgericht übereinstimmend mehrfach entschieden haben – für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen1. Der Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung ist wie alle Leistungen des SGB II bedarfsbezogen zu verstehen2. Die Wohnung soll nicht nur die Bedürfnisse nach Schutz vor Witterung und einer Gelegenheit zum Schlafen befriedigen, sondern auch die Unterbringung von Gegenständen aus dem persönlichen Lebensbereich3 sowie die Führung eines Haushalts ermöglichen. Dabei wird aber – in Anlehnung an die Vorschrift des § 22 SGB II zur Unterkunft – nur eine angemessene Ausstattung berücksichtigt, die den grundlegenden Bedürfnissen genügt und im unteren Segment des Einrichtungsniveaus liegt4.

Unter Anwendung der genannten Grundsätze genügt die vom Jobcenter vorgelegte Liste hinsichtlich der zu gewährenden Erstausstattung der Befriedigung von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen (Essen, Schlafen, Aufenthalt)5. Der Grundleistungsempfänger hat keinen Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, dass er mit den bewilligten Beträgen nicht alle seiner Ansicht nach erforderlichen Gegenstände erwerben kann. Soweit das Bundessozialgericht in der Vergangenheit in Einzelfällen über einen Anspruch auf bestimmte Gegenstände entschieden hat, so z.B. auf eine neue Matratze6, so ist dem vom Jobcenter Rechnung getragen worden. Die Einrichtungsliste weist die Position „Einzelbett, komplett“ auf, aus dem Vergleich des dafür angesetzten Betrags mit den Preisen der Bezugsquellen ergibt sich, dass Spielraum für den Kauf einer neuen, einfachen Matratze besteht.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass im Ausstattungsumfang berücksichtigt wurde, dass laut Mietvertrag bereits eine Küchenausstattung in Form von Küchenschränken, Herd, Kühlschrank und Spüle vorhanden ist und diese Positionen somit nicht mehr gesondert angesetzt wurden.

Wird – wie hier – zur Erfüllung des Erstausstattungsanspruchs vom Grundsicherungsträger die Leistungsart „Geldleistung“ gewählt, so kann er diese auch in Form von Pauschalbeträgen erbringen (§ 23 Abs 3 Satz 5 SGB II). Die Festsetzung der Höhe der Pauschalen unterliegt der richterlichen Kontrolle7. Die Pauschale muss so bemessen sein, dass der Hilfebedürftige mit dem gewährten Betrag seinen Bedarf auf Erstausstattung (ausgehend von einfachen und grundlegenden Wohnbedürfnissen) in vollem Umfang befriedigen kann, denn die Gewährung von Pauschalbeträgen führt nicht zu einer Verkürzung des Leistungsanspruchs gegenüber der Gewährung durch Sachleistung oder der individuell bestimmten Geldleistung8; insoweit ist zu prüfen, ob die Pauschalen auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhen.

Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend dadurch erfüllt, dass der Beklagte für alle von ihm bewilligten Einrichtungs- bzw Haushaltsgegenstände eine Bezugsquelle angibt und jeweils den tatsächlichen Preis für einen Neuerwerb bei verschiedenen Versandhäusern aufführt. Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf § 23 Abs 3 Satz 5 iVm Satz 6 SGB II nicht zu beanstanden, da insoweit nachvollziehbar ersichtlich ist, dass die für eine Einzelperson zugrunde gelegten Ausstattungsgegenstände auch tatsächlich zu den angegebenen Preisen erhältlich sind. Der Beklagte hat sodann die Versandhauspreise zum Teil erheblich aufgerundet, sodass sich in der Tat die vom LSG im Einzelnen aufgeführten Einsparpotenziale ergeben, die für den Erwerb anderer, nicht auf der Liste befindlichen Einrichtungsgegenstände benutzt werden können. Im Übrigen hat der Beklagte noch für den individuellen Bedarf einen weiteren Pauschalbetrag in Höhe von 50 Euro hinzugefügt, sodass genügend Spielraum besteht, alle notwendigen Gegenstände einer einfachen Grundausstattung zu erwerben.

Auch der Einwand des Leistungsempfängers, er könne wegen der anfallenden Lieferkosten nicht auf den Kauf von Einrichtungsgegenständen bei Versandhäusern zurückgreifen, greift nicht durch. Zweck der Beihilfe für die Erstausstattung ist es nicht, jedwede Kosten, die normalerweise aus dem Regelsatz zu finanzieren wären, von einem Hilfebedürftigen fernzuhalten. Vielmehr dient der nur bei Vorliegen besonderer Umstände bestehende Erstausstattungsanspruch dazu, den Hilfebedürftigen davor zu bewahren, gleich zu Beginn einer (Neu-)Existenz einen Schuldenberg anzuhäufen.

Der Leistungsempfänger hat auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen für die Erstausstattung für Bekleidung gemäß § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II. Die Grundvoraussetzungen für den Leistungsanspruch liegen auch hier vor. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass außergewöhnliche Umstände wie Obdachlosigkeit, langjährige Inhaftierung und ggf erhebliche Gewichtsschwankungen auch insoweit einen besonderen Bedarf begründen, weil so gut wie keine brauchbaren Kleidungsstücke mehr vorhanden sind9. Für die Höhe der Leistungen ist hier ebenfalls einerseits der Umfang der Erstausstattung maßgeblich und andererseits – bei Geldleistungen in Form von Pauschalen – die Nachvollziehbarkeit der zugrunde gelegten Beträge.

Hinsichtlich des Leistungsumfangs ist die vom Jobcenter aufgestellte Liste „Grundausstattung Bekleidung“ nicht zu beanstanden. Richtigerweise war davon auszugehen, dass nur die wirklich notwendigen Bekleidungsstücke von § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II erfasst werden. Entgegen der Ansicht des Leistungsempfängers ist aufgrund des Umfangs der in der Liste zugrunde gelegten Kleidungsstücke gewährleistet, dass er sich in menschenwürdiger Weise kleiden kann. Insbesondere sind auch Bedarfe für verschiedene Jahreszeiten berücksichtigt worden sowie sogar die Möglichkeit, in geeigneter Kleidung Sport zu betreiben (Sportanzug, Sportschuhe, Badehose). Auch ist grundlegenden Hygienebedürfnissen Rechnung getragen worden; so ist durch die Anzahl der jeweils gewährten Kleidungsstücke die Notwendigkeit berücksichtigt, diese zu waschen und zu trocknen. Die Liste genügt einfachen und grundlegenden Bedürfnissen und ist insbesondere vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 201010 nicht evident unzureichend.

Der zur Beschaffung einer Erstausstattung mit Bekleidung zur Verfügung gestellte pauschale Geldbetrag erfüllt auch die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit im Sinne von § 23 Abs 3 Satz 6 SGB II. Auch hier hat das Jobcenter anhand der vorgelegten Preislisten verifiziert, dass alle benötigten Kleidungsstücke auch tatsächlich zu bestimmten Preisen erworben werden können und hat diese ermittelten Preise sozusagen als „Gegenprobe“ der Preisliste des DRK gegenübergestellt. Dadurch wird deutlich, dass sich für bestimmte Einzelposten wiederum erhebliche Einsparpotenziale ergeben. Dabei sind die Preise so kalkuliert worden, dass neben dem Kauf von gebrauchten Waren auch der Kauf von Neuwaren möglich ist. Für Leibwäsche und Strümpfe sind ohnehin von vornherein Neupreise angesetzt worden, bei dem Kauf der übrigen Artikel hängt es letztlich von der Entscheidung des Klägers ab, ob dieser zum Beispiel einzelne sehr günstige Angebote von Discountern in Anspruch nimmt und auf diese Weise auch neue Kleidungsstücke erwirbt. Zu Recht haben die Vorinstanzen aber dargelegt, dass ein Leistungsempfänger grundsätzlich auch auf den Kauf von gebrauchten Artikeln verwiesen werden kann und dass dies nicht gegen die Menschenwürde verstößt. Zutreffend ist insoweit darauf hingewiesen worden, dass der Kauf in so genannten „Secondhand-Läden“ in weiten Bevölkerungskreisen allgemein üblich ist. Schließlich hat das Jobcenter den von ihm ermittelten Gesamtbetrag in Höhe von 205 € auch noch auf pauschal 230 € aufgerundet, sodass auch hier noch Reserven für eine individuelle Ausgestaltung der Anschaffungsliste bleiben.

Eine Erhöhung der Pauschale unter dem Gesichtspunkt, dass der Leistungsempfänger zur Beschaffung der Kleidung entweder ein Versandhaus in Anspruch nehmen oder sich in die nächste Stadt begeben müsste, um die Angebote von Discountern oder dem DRK wahrzunehmen, ergibt sich hier ebenso wenig wie bei der Wohnungserstausstattung. Insbesondere die Fahrtkosten kann der Kläger ohne Weiteres aus dem im Regelsatz vorgesehenen Satz für Mobilitätskosten bestreiten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 53/10 R

  1. vgl. BSG, Urteile vom 19.09.2008 – B 14 AS 64/07 R, BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19; vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, RdNr 23 mwN; und zuletzt vom 24.02.2011 – B 14 AS 75/10 R[]
  2. BSG, aaO[]
  3. vgl BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 1/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 14 RdNr 16[]
  4. vgl. BSG, Urteile vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R, RdNr 21; und – B 14 AS 36/09 R, RdNr 20[]
  5. vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 75/10 R[]
  6. vgl BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 16[]
  7. vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 23 Nr 5 RdNr 20 f[]
  8. vgl BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R, RdNr 21[]
  9. vgl BT-Drucks 15/1514 S 60 zu Art 1 § 32; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2007, § 23 RdNr 364[]
  10. BVerfGE 125, 175 ff[]