Zinsen aus einem Bausparvertrag

Zinsen aus einem Bausparvertrag sind für den Hilfebedürftigen verfügbares Einkommen. Dies gilt auch dann, wenn Voraussetzung hierfür die Auflösung des Bausparvertrages ist.

Durch den Gutschrift der Zinsgewinne aus dem Bausparkonto wurde Einkommen im Sinne von § 11 SGB II erzielt, welches grundsätzlich im Rahmen der Prüfung seiner Bedürftigkeit nach § 9 SGB II zu beachten ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor der Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgebend bestimmt. Nicht entscheidend ist das Schicksal der Forderung. Ebenso wenig kommt es auf den Grund für die Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt an1.

Die Zinseinnahmen sind nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II ausgenommen. Bei der Gutschrift der Zinseinkünfte handelt es sich auch nicht um ein privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II. Kapitalzinsen sind insbesondere auch keine zweckbestimmten, nicht als Einkommen zu berücksichtigende Leistungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Kapitalzinsen werden zwar kausal für etwas, nämlich als Gegenleistung für die zeitweise Überlassung einer bestimmten Geldsumme an Dritte (Bank) gezahlt, nicht aber final für etwas geleistet2. Sparer können die durch Kapitalanlage erzielten Zinseinnahmen regelmäßig verwenden, wie sie es wollen. Über die Tilgungsbestimmung der Bank hinaus, die auf die Erfüllung ihrer Zinsverpflichtung gegenüber dem Sparer lautet, ist mit der Zinszahlung kein weitergehender Zweck verbunden.

Schließlich ist im hier vom Landessozialgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall auch die Bagatellgrenze einer 50 EUR jährlich nicht übersteigenden Einnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Alg II-Verordnung (in der Fassung vom 01.08.2009 bis zum 31.12.2010) überschritten. Da es sich insoweit nicht um einen Freibetrag handelt, führt die Überschreitung der Bagatellgrenze dazu, dass – wie vorliegend – auch Beträge unter 50 EUR anzurechnen sein können3.

Die Zinsgutschriften sind auch im Sinne des Gesetzes und der Rechtsprechung zu § 11 SGB II „zugeflossen“. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es hierfür nur darauf an, dass Einnahmen in Geld oder Geldeswert vorliegen, die als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen sind und die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt4.

Unbeachtlich ist, ob die Einnahme von Zinsen aufgrund geschützten Sparvermögens erfolgt, welches selbst im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit nicht heranzuziehen ist. Denn auch Zinsgutschriften aus Sparguthaben sind Einnahmen in Geld und als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen, wenn sie diesem nach Antragstellung zugeflossen sind. Dies gilt auch dann, wenn es sich beim verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt5. Sofern darauf verwiesen wird, dass die Zinseinkünfte nicht zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hätten, ist dies nicht zutreffend. Denn durch die Kündigung des Bausparvertrags konnte die Auszahlung der Zinsen bewirkt und diese für den Lebensunterhalt verbraucht werden. Die Zinseinnahmen waren daher durchaus verfügbar, wenngleich um den Preis der Kündigung seines Bausparvertrags. Entscheidend ist insoweit die bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit als „bereites Mittel“, welche vorliegend durch das Erfordernis, den Bausparvertrag zu kündigen, nicht aufgehoben wird6.

Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob die Zinsen für den Grundsicherungsempfänger verfügbar waren, sondern ob es diesem zumutbar war, die für die Verfügbarkeit der Zinseinnahmen erforderliche Kündigung des Bausparvertrags vorzunehmen.

Wenngleich im hier entschiedenen Fall das in dem Bausparvertrag angesparte Vermögen unterhalb des persönlichen Freibetrags nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II lag, führt dies zunächst nicht dazu, dass mit diesem Vermögen generierte Zinsen ebenfalls als Bestandteil des geschützten Vermögens angesehen werden können. Der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II schützt zudem anders als die Regelungen über bestimmte Formen der Altersvorsorge in § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB II a.F. nicht bestimmte Formen der Anlage, sondern lediglich den wertmäßig bestimmten Betrag. Dem Grundsicherungsempfänger war es daher zuzumuten, den Bausparvertrag aufzulösen, um die erwirtschafteten Zinseinkünfte verwerten zu können. Hierbei wäre es ihm unbenommen und auch zumutbar gewesen, den Kapitalstock in anderer Art und Weise – etwa als Tagesgeld – anzulegen, wodurch eine künftige bessere Verfügbarkeit der Verwertung von Zinseinkünften gewährleistet gewesen wäre.

Anderenfalls wäre es Leistungsempfängern möglich, durch Vertragsgestaltungen entsprechend dem vorliegenden Bausparvertrag die Unbeachtlichkeit von Zinseinkünften herbeizuführen, obgleich es nur von ihrem Willen abhängt, den Vertrag kurze Zeit später zu kündigen und die Zinseinkünfte dennoch kurzfristig zu realisieren. Es ist nicht anzunehmen, dass eine so leichte Umgehungsmöglichkeit der grundsätzlichen Anrechenbarkeit von Zinsen vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Die Gleichbehandlung mit anderen Zinsempfängern verlangt es im Gegenteil, ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes und abgesehen von den eng auszulegenden gesetzlichen Ausnahmefällen bestimmter privilegierter Vorsorgeaufwendungen (vgl. § 11 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 SGB II bzw. § 12 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGB II) sonstige Vermögensanlagen, welche Zinseinkünfte bewirken, nach einem einheitlichen Maßstab bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Insoweit ist abgesehen von den genannten Ausnahmen im Gesetz kein weiterer Fall vorgesehen, aus Kapitalvermögen generierte Zinseinkünfte unbeachtet zu lassen.

Auch wenn die Zinsgutschriften dem Kläger jeweils erst am 31.12. gutgeschrieben worden sind, war der Grundsicherungsträger nicht verpflichtet, die Anrechnung erst im jeweiligen Folgemonat vorzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 der Alg II-Verordnung in der damals geltenden Fassung waren einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Entfällt durch die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme die Bedürftigkeit des Hilfebedürftigen und Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers im Zuflussmonat nicht in vollem Umfang, besteht kein Anspruch auf Verteilung der einmaligen Einnahme auf künftige Zeiträume7.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 2. April 2012 – L 1 AS 5113/11

  1. vgl. hierzu insbesondere BSG vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15; und – B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16[]
  2. vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 – 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137 f; BSG vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16[]
  3. vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 13 Rn. 8[]
  4. BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R – BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30, Rn. 16[]
  5. vgl. BSG vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16[]
  6. vgl. Geiger in Münder, SGB II, 4. Aufl. 2011, § 11 Rn. 24 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS26/07 R -, FEVS 60,404 sowie BVerwGE 108, 296[]
  7. vgl. BSG vom 30.9.2008 – B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16[]