Nochmals: Abwrackprämie und ALG II

Nach einer jetzt veröffentlichten Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen ist – entgegen der früheren Rechtsprechung dieses Landessozialgerichts – die staatliche Umweltprämie (die sogenannte „Abwrackprämie“), die im vergangenen Jahr für den Austausch eines mindestens 10 Jahre alten Kraftfahrzeugs gegen einen Neuwagen gewährt wurde, von einer bedarfsmindernden Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II ausgenommen.

Die Umweltprämie in Höhe von 2500,- € fällt nach Ansicht Landessozialgerichts unter die anrechnungsfreien so genannten privilegierten zweckbestimmten Einnahmen. Der von der Bundesregierung mit der staatlichen Umweltprämie verfolgte Zweck – die Stärkung der Nachfrage nach Neufahrzeugen und die Reduzierung der Schadstoffemissionen – ist nach Ansicht der Essener Landessozialrichter ein anderer als der mit der Gewährung von Grundsicherungsleistungen verfolgte Zweck der Sicherung von Unterhalt oder Eingliederung. Er würde im Falle der Anrechnung der Prämie als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II vereitelt.

Darüber hinaus beeinflusse der Erhalt der staatlichen Umweltprämie die Lage eines Hilfeempfängers grundsätzlich auch nicht so günstig, dass daneben Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt wären. Denn, so das Landessozialgericht, die staatliche Umweltprämie stehe dem Hilfeempfänger nicht tatsächlich nach freiem Ermessen für den privaten Konsum zur Verfügung. Der Erhalt der Prämie sei an die zweckentsprechende Verwendung geknüpft und setzte zum einen den Nachweis der Anschaffung eines neuen Pkw bzw. Jahreswagens und zum anderen den Nachweis der Verwertung bzw. Verschrottung des Altfahrzeugs voraus. Die Anschaffung eines neuen Pkw habe grundsätzlich auch nicht Einsparungen sonstiger Mittel in einem Umfang zur Folge, der die Lage des Hilfeempfängers so günstig beeinflusst, dass daneben Grundsicherungsleistungen nicht gerechtfertigt wären.

Darüber hinaus stelle der mit der staatlichen Umweltprämie neu angeschaffte Pkw zwar Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II dar. Dieses sei jedoch bei der Berechnung des Hilfebedarfs, soweit es den jeweils individuell zu bestimmenden Freibetrag nicht übersteige, nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

In dem jetzt vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Beschwerdeverfahren hatte sich eine 43jährige alleinerziehende Mutter aus Iserlohn nach Anschaffung eines neuen Pkw im Wert von ca. 7.500,- € gegen eine bedarfsmindernde Anrechnung der ihr gewährten staatlichen Umweltprämie auf die ihr und ihren minderjährigen Kindern gewährten Grundsicherungsleistungen in Höhe von ca. 156,- € monatlich gewehrt.

Das Sozialgericht Dortmund hatte den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes unter Bezugnahme auf zwei frühere Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen1 abgelehnt. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen beurteilte die Rechtsfrage nun jedoch anders, hob die Entscheidung des Sozialgerichts aus der ersten Instanz auf und gab dem Antrag der Iserlohnerin nunmehr statt.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juni 2010 – L 12 AS 807/10 B ER

  1. LSG NRW, Beschlüsse vom 03.07.2009 – L 20 B 59/09 AS ER und L 20 B 66/09 AS[]