Das Praktikum in Sri Lanka

Ist eine Person selbständig tätig und bezieht ergänzend Arbeitslosenged II, hat sie ihre Betriebsausgaben auf das Notwendige zu beschränken. Sie hat so zu wirtschaften, dass sie ihren Lebensunterhalt möglichst allein decken kann.

Mit dieser Begründung hat das Sozialgericht Berlin in dem hier vorliegenden Fall die Klage einer Ayurveda- und Yogalehrerin abgewiesen, mit der das Jobcenter verpflichtet werden sollte, Reisekosten für ein Praktikum nach Sri Lanka bei der Einkommensermittlung zur ALG II-Aufstockung gewinnmindernd zu berücksichtigen. Die Klägerin aus Berlin-Neukölln arbeitete selbständig als Yogalehrerin und „Ayurveda-Coach“. Für den Zeitraum April bis September 2008 bewilligte ihr das beklagte Jobcenter Berlin-Neukölln aufstockend Leistungen zunächst nur vorläufig, weil noch unklar war, wie viel sie mit ihrer Tätigkeit letztendlich verdienen würde. Im März 2009 legte die Klägerin eine Übersicht über ihre tatsächlichen Einkünfte und Ausgaben im Bewilligungszeitraum vor. Der Beklagte berechnete den Anspruch daraufhin neu, wobei er die Ausgabenposition für eine Flugreise nach Sri-Lanka im Februar 2008 (854 Euro) nicht anerkannte. Insgesamt kam er auf einen monatlichen Betriebsgewinn von 276 Euro und forderte die Erstattung von 627 Euro zuviel gezahlter ALG II-Leistungen.

Mit ihrer im Juni 2012 erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass die Reisekosten eine notwendige Betriebsausgabe gewesen seien, die ihren Gewinn gemindert habe. Sie sei nach Sri Lanka gereist, um dort für sieben Wochen ein Praktikum in einem Ayurveda-Kur-Ressort zu absolvieren. Bei freier Kost und Logis habe sie in authentischer Umgebung die Heilmethoden einheimischer Ayurvedaärzte kennengelernt und hierfür auch eine Praktikumsbescheinigung erhalten.

Nach Auffassung des Sozialgerichts Berlin sei für die Einkommensermittlung Selbständiger laut Gesetz der Betriebsgewinn zu ermitteln, also die Differenz von tatsächlichen Betriebseinnahmen und Ausgaben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Leistungsberechtigte sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen müssen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern. Anzuerkennen seien daher nur notwendige, unvermeidbare Ausgaben, die den Lebensumständen eines Leistungsempfängers nicht offensichtlich widersprächen. Steuerrechtliche Vorschriften seien unbeachtlich.

Gemessen hieran stünden Nutzen und Kosten der Reise in keinem angemessenen Verhältnis. Die Reise sei zwar betrieblich veranlasst, jedoch nicht notwendig gewesen. Die Reisekosten von 854 Euro hätten allein bereits 20% des Betriebsumsatzes ausgemacht. Ohne die Kosten wäre der Gewinn doppelt so hoch gewesen. Zudem habe die Klägerin während des Praktikums sieben Wochen lang keinen Umsatz erwirtschaften können. Die positiven Effekte der Fortbildung könnten diese Nachteile nicht aufwiegen. Eine messbare Erhöhung der Umsätze, zum Beispiel durch einen höheren Bekanntheitsgrad der Klägerin am Markt, sei nicht zu erwarten. Die Praktikumsbescheinigung könne auch nicht – anders als ein anerkanntes Zertifikat – werbewirksam eingesetzt werden.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 7. November 2013 – S 157 AS 16471/12