Krankengeld stellt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit dar. Deshalb sind bei der Anrechnung als Einkommen hiervon keine Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II abzusetzen.
Das Krankengeld ist daher in der tatsächlich geleisteten Höhe als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen. Es ist auch kein Pauschalbetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II und kein weiterer Freibetrag nach § 30 SGB II abzusetzen. Nach § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB II1 ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100,00 € monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 €, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 € übersteigt.
Nach § 30 SGB II in der Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbsfähig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich
- für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 EUR übersteigt und nicht mehr als 800 EUR beträgt, auf 20 vom Hundert und
- für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 EUR übersteigt und nicht mehr als 1200 EUR beträgt, auf 10 vom Hundert.
Diese Freibeträge sind lediglich von aufgrund einer Arbeitstätigkeit erzieltem Hinzuverdienst in Abzug zu bringen und damit nicht von Einkommen in Form von Krankengeld.
Hierfür spricht zunächst die Gesetzesbegründung2. Danach soll die Neuregelung der Schaffung stärkerer Anreize zur Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch deutlich verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten dienen. Privilegiert werden sollte danach lediglich Einkommen aus Erwerbstätigkeit, nicht jedoch Erwerbsersatzeinkommen.
Weiter steht der Wortlaut des § 30 Satz 1 SGB II, wonach lediglich Einkommen aus „Erwerbstätigkeit“ abzusetzen ist, einer erweiternden Anwendung der Freibetragsregelung entgegen3. Entgeltersatzleistungen wie das Krankengeld beruhen dagegen nicht auf der gegenwärtigen entgeltlichen Verwertung der eigenen Arbeitskraft und stellen deshalb kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit dar4.
Nicht zutreffend ist nach Ansicht des Landessozialgerichts Baden-Württemberg dagegen die vom Sozialgericht Stade vertretene Auffassung, es sei danach zu differenzieren, ob die der Krankengeldzahlung zugrunde liegende Arbeitsunfähigkeit während einer Zeit der Erwerbstätigkeit oder bei bestehender Arbeitslosigkeit eintrete5. Denn zum einen steht dieser Differenzierung das vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung angeführte Argument entgegen, in vielen Fällen bestehe gerade bei länger dauerndem Krankengeldbezug das Arbeitsverhältnis nur noch rechtlich fort, weil weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber ein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten, obwohl evident sei, dass eine Wiederaufnahme des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund bestehender gesundheitlicher Einschränkungen realistischerweise nicht mehr in Betracht komme. Eine Prüfung, ob die Erwerbstätigkeit durch die Arbeitsunfähigkeit und den Krankengeldbezug lediglich unterbrochen oder dauerhaft beendet ist, lässt sich vielfach nicht durchführen. Zum anderen spricht gerade die vom Sozialgericht Stade herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgericht zum Insolvenzgeld dafür, dass eine tatsächliche Arbeitsausübung vorauszusetzen ist. Das Bundessozialgericht hat in der angeführten Entscheidung6 ausgeführt, das Insolvenzgeld trete in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle des Arbeitsentgeltanspruchs, deshalb sei es auch hinsichtlich der Einkommensbereinigung wie dieser zu behandeln. Das Bundessozialgericht hat jedoch weiter ausgeführt, das Insolvenzgeld umfasse alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellten. Der Schutz der Insolvenzgeld-Versicherung gewährleiste im Ergebnis, dass der Arbeitnehmer ungeachtet des Umstandes, dass der in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder nicht vollständig zahle, zunächst für die Dauer des Insolvenzgeld-Anspruches weiterarbeiten könne. Damit knüpft das Insolvenzgeld gerade an die tatsächliche Arbeitsleistung bzw. den Arbeitsentgeltanspruch an.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, denn diese bezieht sich nicht auf die Leistungen nach dem SGB II, sondern auf die Prüfung der Bedürftigkeit im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Dagegen spricht, so das Landessozialgericht, auch ein historisches Argument gegen eine extensive Auslegung der Freibetragsregelung, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Vorgängerregelung in § 76 Abs. 2a Nr. 1 BSHG nicht auf Entgeltersatzleistungen anzuwenden war7.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2010 – L 3 AS 5594/09
- in der ab dem 01.10.2005 geltenden Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes vom 14.08.2005, BGBl. I S. 2407[↩]
- BT-Drs. 15/5446, S. 4[↩]
- ebenso Birk in LPK-SGB II, § 30 Rdnr. 5[↩]
- vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 30 Rn. 12[↩]
- SG Stade, Urteil vom 04.05.2010 – S 17 AS 455/09[↩]
- BSG, Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 29/08 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 22[↩]
- BVerwG, Urteil vom 21.07.1994 – 5 C 32/91, BVerwGE 96, 246[↩]