Rundfunkgebühren bei ALG II mit Zuschlag

Wie jetzt aktuell das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nochmals bestätigte, ist keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht möglich für Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlag nach § 24 SGB II (dem Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld). Dies gilt nach Ansicht des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auch dann, wenn der ALG II-Bezieher über den Zuschlag gar nicht verfügen kann, weil der Zuschlag von einem Unterhaltsberechtigten gepfändet wird.

Die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht sind in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV geregelt, von dessen Verfassungsmäßigkeit auszugehen ist1. Die dort genannten Tatbestände sind nach der Systematik sowie Sinn und Zweck des Regelwerks abschließend2. Der Kläger erfüllt keinen dieser Tatbestände. Dies gilt auch für den Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV. Zwar hat der Kläger in dem oben genannten Zeitraum Arbeitslosengeld II bezogen. Er hat jedoch gleichzeitig Zuschläge nach § 24 SGB II erhalten. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV nicht vor, weil danach nur Empfänger von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden.

Die Beschränkung der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge nach § 24 SGB II in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV begegnet im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG keinen rechtlichen Bedenken. Dass die Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II von der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ausgenommen sind, ist darauf zurückzuführen, dass sie typischerweise höhere Leistungen als die Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne Zuschläge erhalten. Daher besteht ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung der Empfänger von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen und derjenigen ohne Zuschläge nach § 24 SGB II. Auch im Hinblick darauf, dass die Zuschläge nach § 24 SGB II anders als im Falle des Klägers, der einen Zuschlag in Höhe von 80 EUR monatlich im hier entscheidungserheblichen Zeitraum erhalten hat, in manchen Fällen niedriger als die zu zahlende Rundfunkgebühr sind, bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken gegen die genannte Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV3.

Der Kläger kann auch nach § 6 Abs. 3 RGebStV keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht verlangen. Die Rundfunkanstalt kann nach dieser Bestimmung zwar in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien. Ein derartiger Härtefall liegt hier jedoch nicht vor. Eine besondere Härte lässt sich nicht damit begründen, dass hier der Zuschlag nach § 24 Abs. 2 SGB II wegen der den Kindern des Klägers vom Jugendamt gewährten Unterhaltsleistungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 4 SGB I direkt an dieses ausgezahlt worden ist.

Die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV in diesem Falle liefe nämlich darauf hinaus, die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II nur dann von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden, wenn sie keine Zuschläge nach § 24 SGB II erhalten, unzulässigerweise zu umgehen4.

Hinzu kommt, dass der Katalog der Befreiungstatbestände des 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV allein auf die „Einnahmenseite“ abstellt, soweit es für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Rundfunkteilnehmer ankommt, wie beispielsweise bei den Beziehern von Leistungen nach dem SGB II nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV. Bei keinem der Befreiungstatbestände des 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV hat der Gesetzgeber hingegen berücksichtigt, welche Verbindlichkeiten der Rundfunkteilnehmer zu bedienen hat. Dementsprechend kommt es auch bei der Prüfung, ob eine „vergleichbare Bedürftigkeit“ vorliegt, die nach der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag5 einen besonderen Härtefall im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV begründen kann, grundsätzlich nicht auf die Schuldverpflichtungen des Rundfunkteilnehmers an. Das Bestehen von Verbindlichkeiten ändert nichts daran, dass ein Bezieher von Arbeitslosengeld II mit einem Zuschlag nach § 24 SGB II im Verhältnis zu einem Bezieher von Arbeitslosengeld II ohne einen solchen Zuschlag höhere Einkünfte hat und damit nicht vergleichbar bedürftig ist. Dann aber ist es nicht gerechtfertigt, einen Bezieher von Arbeitslosengeld II mit Zuschlägen nach § 24 SGB II im Hinblick auf seine Verbindlichkeiten, wobei es insofern unerheblich ist, ob er diese freiwillig oder – wie der Kläger – unfreiwillig (im Wege der Pfändung oder der Auszahlung nach § 48 Abs. 1 SGB I) bedient, nach § 6 Abs. 3 RGebStV wegen eines besonderen Härtefalls von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.

Darüber hinaus ist es nicht Sinn der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, einem Rundfunkteilnehmer die Möglichkeit zu verschaffen, mit den Mitteln, die er auf diese Weise erspart, andere Verbindlichkeiten zu begleichen, wobei es auch insofern unerheblich ist, ob er diese freiwillig bedient oder die Leistungen unter Zwang erbracht werden oder welcher Art die Verbindlichkeiten sind6.

Gegen das Vorliegen einer besonderen Härte spricht schließlich auch, dass die §§ 850 ff. ZPO eine abschließende Regelung zum Schutz des Schuldners im Rahmen der Zwangsvollstreckung enthalten, die über § 54 Abs. 4 SGB I auch auf die hier in Rede stehenden Ansprüche nach dem SGB II Anwendung findet. Ansprüche auf Arbeitslosengeld II können danach nur bis zu den sich aus § 850 c ZPO ergebenden Pfändungsgrenzen gepfändet werden. Soweit es allerdings um die Pfändung wegen der in § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO aufgeführten gesetzlichen Unterhaltsansprüche geht, gelten diese Beschränkungen gemäß § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht. Nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dem Schuldner jedoch so viel zu belassen, als er (u. a.) für seinen notwendigen Unterhalt bedarf. Auch soweit es um die zwangsweise Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen geht, stellt das Gesetz damit sicher, dass der Schuldner seinen eigenen notwendigen Unterhalt aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bestreiten kann. Ansprüche auf Arbeitslosengeld II dürfen damit im Ergebnis auch wegen der in § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Unterhaltsansprüche regelmäßig nicht gepfändet werden. Für Ansprüche auf die nicht zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts geleisteten Zuschläge nach § 24 SGB II gilt dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber mutet es dem Vollstreckungsschuldner damit zu, die ihm nach dieser Vorschrift zustehenden finanziellen Leistungen zur Erfüllung der in § 850 d Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Unterhaltverpflichtungen einzusetzen. Die dieser Regelung zugrunde liegende Wertung ist auch im Rahmen des § 6 Abs. 3 RGebStV zu berücksichtigen mit der Folge, dass in der Pfändung bzw. Abzweigung des Zuschlages gemäß § 24 SGB II zur Befriedigung von Unterhaltsansprüchen keine zu einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führende besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift gesehen werden kann6.

Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Mai 2010 – 4 LC 768/07

  1. BGH, Beschlüsse vom 28.04.2008 – 4 LB 574/07; vom 03.09.2007 – 4 LB 551/07; vom 23.04.2007 – 4 PA 101/07; und vom 17.01.2007 – 4 PA 110/07[]
  2. Nds. OVG, Beschlüsse vom 28.04.2008 – 4 LB 574/07, 03.09.2007 – 4 LB 551/07, vom 23.04.2007 – 4 PA 101/07, vom 19.01.2007 – 4 LA 129/07, vom 17.01.2007 – PA 110/07; und vom 09.10.2006 – 4 PA 152/06[]
  3. siehe hierzu im Einzelnen: Nds. OVG, Beschlüsse vom 28.04.2008 – 4 LB 574/07; und vom 03.09.2007 – 4 LB 551/07[]
  4. vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch Nds. OVG, Beschlüsse vom 28.04.2008 – 4 LB 574/07; und vom 03.09.2007 – 4 LB 551/07[]
  5. Drucksache 15/1485, S. 37[]
  6. siehe hierzu VGH B-W, Urteil vom 02.07.2009 – 2 S 507/09[][]