Der Präsident des Sächsischen Landessozialgerichts hat angesichts des weiteren Anstieg von „Hartz-IV”-Verfahren eine durchwachsene Bilanz für das Jahr 2012 gezogen:
„Die Fortentwicklung des Sozialrechts wird zunehmend durch die Rechtsprechung der Sozialgerichte und weniger durch Politik und Verwaltung geprägt.” Mit diesem durchwachsenen Fazit eröffnete der Präsident des Sächsischen Landesozialgerichts, Gerd Schmidt, die jährliche Rückschau auf die Tätigkeit der Sächsischen Sozialgerichtsbarkeit. 2012 seien – nach dem leichten Rückgang der Verfahrenszahlen im vorhergehenden Jahr – wieder mehr Eingänge bei den sächsischen Sozialgerichten zu verzeichnen gewesen. Beim LSG habe es sogar ein Plus von fast 10 % gegeben. Folge sei, dass der Bestand an Verfahren trotz personeller Verstärkungen kontinuierlich anwachse; unter diesen Umständen werde es immer schwieriger, die Verfahren innerhalb angemessener Frist zu erledigen.
Vorrangig entfallen die Zuwächse wie auch schon in den Vorjahren auf das Recht der Grundsicherung. So sei nicht verwunderlich, dass sich die Sozialgerichtsbarkeit immer mehr zu Fachgerichten für „Hartz-IV”-Streitigkeiten entwickelten. Sie machen in erster Instanz mehr als die Hälfte aller Rechtsstreite und am LSG fast die Hälfte aus. Dies liegt Schmidt zufolge an den ausfüllbedürftigen gesetzlichen Vorgaben und dem hohen wirtschaftlichen Druck auf die Kommunen. Nicht ohne Grund seien im letzten Jahr besonders die „schlüssigen Konzepte”, mit denen die Landkreise und kreisfreien Städte die angemessenen Wohnkosten für Grundsicherungsleistungen bestimmen müssen, in den Fokus gerückt. Die Festlegung der Obergrenzen betreffe viele Leistungsempfänger; für die Kreise und Städte als Grundsicherungsträger haben sie enorme wirtschaftliche Auswirkungen auf den Haushalt. So rechnet die kreisfreie Stadt Dresden, deren Konzept erstinstanzlich verworfen wurde, für das Jahr 2013 mit Ausgaben für Kosten der Unterkunft für alle drei Leistungssysteme („Hartz-IV”, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen) in Höhe von fast 140 Mio. €.
Die Erstellung von schlüssigen Konzepten war den Kommunen durch das Bundessozialgericht auferlegt worden; sie sollen auf fundierten empirischen Untersuchungen zum örtlichen Wohnungsmarkt fußen. „Die vom BSG geforderte Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit zieht eine hohe Fehleranfälligkeit nach sich”, so Schmidt. Es verwundere ihn daher nicht, dass kaum ein Konzept vor Gericht gehalten habe. Allerdings seien die Gerichte auch bemüht, konstruktive Lösungen zu finden. Er kündigte abschließend an, dass die Senate des LSG in diesem Jahr die ersten Berufungsverfahren zu den Konzepten, die sowohl den ländlichen Raum als auch die Großstädte im Freistaat betreffen, entscheiden wollen.