Einstiegsgeld zur Unterstützung der selbständigen Tätigkeit

Rechtsgrundlage für die (weitere) Gewährung von Einstiegsgeld für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ist § 16 b SGB II in Verbindung mit § 16 c SGB II. Nach § 16 b Abs. 1 SGB II kann für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die arbeitslos sind, bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit Einstiegsgeld erbracht werden, wenn dies zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlich ist. Das Einstiegsgeld kann auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfällt. Nach Abs. 2 wird das Einstiegsgeld, soweit in diesen Zeitraum die Erwerbstätigkeit besteht, für höchstens 24 Monate erbracht. Bei der Bemessung der Höhe des Einstiegsgeldes sollen die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit sowie die Größe der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werden, in der die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte lebt. Nach § 16 c Abs. 1 SGB II können Leistungen zur Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die eine selbständige hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben nur gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist, und die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Zur Beurteilung der Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit soll die Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen. Voraussetzung ist demnach gemäß § 16 b SGB II, dass eine selbständige Tätigkeit aufgenommen oder fortgesetzt wird. Die Förderung kann nur für den Zeitraum erfolgen, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird1. Nachdem die Antragstellerin mitgeteilt hat, dass sie die selbständige Tätigkeit am 29.02.2012 aufgegeben hat, ist der streitgegenständliche Zeitraum auf die Dauer der Ausübung der selbständigen Tätigkeit begrenzt.

Die Antragstellerin gehört zu dem förderungsfähigen Personenkreis, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist. Sie ist erwerbsfähig und hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9 SGB II. Entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor und werden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht. Die Leistungsgewährung nach § 16 b SGB II ist grundsätzlich antragsabhängig (§ 37 SGB II). Den entsprechenden (Fortzahlungs-)Antrag hat die Antragstellerin am 8.07.2011 mit dem Ziel der Weitergewährung des Einstiegsgeldes über den 31.07.2011 hinaus für die Fortführung ihrer selbständigen Tätigkeit gestellt.

Um Eingliederungsleistungen nach § 16 b SGB II zu erhalten, muss der Antragsteller vor Aufnahme der Erwerbstätigkeit arbeitslos gewesen sein. Arbeitslosigkeit setzt eine Beschäftigungsmöglichkeit, Eigenbemühungen zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit, die Verfügbarkeit in subjektiver wie objektiver Hinsicht sowie schließlich die Arbeitslosmeldung voraus2. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts scheitert die Weitergewährung des Einstiegsgeldes nicht bereits daran, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Stellung des Fortzahlungsantrages am 8.07.2011 ihre selbständige Erwerbstätigkeit bereits seit dem 1.02.2011 ausgeübt hat und damit bei Orientierung an dem Wortlaut des § 16 b SGB II im Zeitpunkt der Stellung des Fortzahlungsantrages nicht mehr arbeitslos war.

Ausgehend von dem Wortlaut des § 16 b SGB II („bei Aufnahme“) sowie dem Zweck des Einstiegsgeldes für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Anreiz zur Aufnahme einer abhängigen oder selbständigen Tätigkeit zu schaffen, ist der Begriff der „Aufnahme“ der Erwerbstätigkeit dahingehend zu verstehen, dass die Gewährung des Einstiegsgeldes in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Beginn dieser Tätigkeit stehen muss3. Gefördert werden soll nicht die Fortführung eines bereits ausgeübten Gewerbebetriebs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Beschäftigung bestehen4. Die Antragstellerin war in diesem Sinne bei Stellung des Antrages auf Weitergewährung des Einstiegsgeldes arbeitslos, denn der Fortzahlungsantrag der Antragstellerin vom 08.07.2011 bezieht sich ausdrücklich auf die Verlängerung der mit Bescheid vom 21.02.2011 gewährten Förderung für Ihre am 1.02.2011 aufgenommene selbständige Tätigkeit. Unstreitig war die Antragstellerin im Vorfeld dieser Tätigkeit arbeitslos, da sie keiner abhängigen oder selbständigen Beschäftigung nachgegangen ist, dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stand und im Rahmen des Leistungsbezugs bei dem JobCenter arbeitslos gemeldet war. Der Antrag auf Weitergewährung des Einstiegsgeldes vom 08.07.2011 steht damit in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der erstmaligen Antragstellung am 28.01.2011 und bezieht sich somit auf die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 1.02.2011. Die Möglichkeit zur Anschlussförderung folgt nicht zuletzt auch daraus, dass die Leistungsdauer nach § 16 b SGB II auf einen maximalen Zeitraum von 24 Monaten begrenzt ist, eine Mindestdauer jedoch nicht vorgesehen wird5. Demnach muss die Förderung auf den Einzelfall zugeschnitten erfolgen. Bei Ablauf des erstmaligen Förderzeitraumes ist demgemäß eine Verlängerung bis zur gesetzlichen Höchstdauer von 24 Monaten möglich6. Die ermessenslenkende Richtlinie des JobCenters steht diesem Ergebnis nicht entgegen, da es sich um eine interne Verwaltungsanweisung handelt, die weder Außenwirkung hat noch in Gesetzeskraft erwächst.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 16 b SGB II liegen vor. Bei der von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit handelt sich auch um eine selbständige Erwerbstätigkeit, die hauptberuflich ausgeübt wird. Eine selbständige Erwerbstätigkeit liegt jedenfalls bei der Ausübung eines Gewerbebetriebes vor7. Nach Sinn und Zweck des Einstiegsgeldes wird dieses nur für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen oder selbständige Erwerbstätigkeiten gezahlt, die die Arbeitslosigkeit beenden. Das heißt, es soll nicht nur die Aufnahme von dauerhaften „Nebenjobs“ gefördert werden. Vielmehr geht es um die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies setzt voraus, dass die Beschäftigung oder Tätigkeit wenigstens 15 Wochenstunden umfasst8. Auch diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin von dieser als einzige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird und aus dem von ihr bei der erstmaligen Antragstellung am 28.01.2011 eingereichten Unterlagen hervorgeht, dass das Gewerbe mit einer Gewinnerwartung von 15.378 EUR im ersten Jahr hauptberuflich betrieben wird.

Das Einstiegsgeld ist gemäß §§ 16 b, 16 c Abs. 1 SGB II „zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit“ zu gewähren, wenn zu erwarten ist, dass die selbständige Tätigkeit wirtschaftlich tragfähig ist, und die Hilfebedürftigkeit durch die selbständige Tätigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums dauerhaft überwunden oder verringert wird. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt9. Es ist eine Prognose dahingehend zu treffen, ob durch die Aufnahme der abhängigen oder selbständigen Tätigkeit der Leistungsempfänger in absehbarer Zeit nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein wird. Maßgeblich ist eine ex ante Beurteilung bezogen auf den Zeitraum von 24 Monaten10. Grundlage für die Prognose ist zunächst ein schlüssiges Konzept, dass der Betroffene selbst vorlegt. Aus ihm muss sich plausibel ergeben, dass und wie die in § 16 c Abs. 1 Satz 1 genannten Ziele erreicht werden können11. Das vorzulegende Konzept muss die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Tätigkeit belegen. Wirtschaftlich tragfähig bedeutet hierbei, dass die erzielten Einnahmen wenigstens die Betriebsausgaben decken. Ob ein Gewinn für den Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten bleibt, hat hierbei keine Bedeutung12. Auch diese Voraussetzungen liegen hier dem Grunde nach vor. Die Antragstellerin hat dem JobCenter die Stellungnahme der Firma URegio vom 21.01.2011 vorgelegt. Diese hat der Antragstellerin nach Durchführung des Coachings zur Heranführung an eine selbständige Tätigkeit im Zeitraum vom 01.12.2010 des 20.01.2011 bescheinigt, dass die Geschäftsidee „Herstellung und Vertrieb von Damenoberbekleidung im Einzel und Großhandel“ tragfähig ist. Die Geschäftsidee sei konkurrenzfähig, die geschätzten Umsätze seien anhand eines Finanzierungsplanes durchkalkuliert, und entsprechend der regionalen Marktsituation im angestrebten Tätigkeitsfeld als realistisch zu bewerten. Dies gelte auch für den geschätzten Gewinn. Das von der Antragstellerin erarbeitete Konzept sei wandlungsfähig und flexibel in Bezug auf die Ausrichtung der Kundenwünsche. Weiterbildungen und eine Ausweitung der Tätigkeit seien je nach Bedarf geplant. Auch verfüge die Antragstellerin über ein ausreichendes kaufmännisches und unternehmerisches Wissen, um das Konzept umsetzen zu können. Der geschätzte Gewinn sei ebenfalls realistisch eingeschätzt, mache jedoch eine finanzielle Unterstützung in den ersten 6 Monaten notwendig. Die aufgrund der Stellungnahme von der Firma URegio anzustellende Prognose rechtfertigte daher zunächst grundsätzlich die Annahme, die von der Antragstellerin zum 1.02.2011 aufgenommene selbständige Tätigkeit werde in absehbarer Zeit zu einer Beendigung oder jedenfalls Verringerung der Hilfebedürftigkeit führen. Der Umstand, dass sich die selbständige Tätigkeit der Antragstellerin in dem zunächst für die Förderung bewilligten Zeitraum von 6 Monaten nicht als tragfähig erwiesen hat, ändert an der grundsätzlichen Eignung des Geschäftsmodell zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit zunächst nichts. Denn maßgeblich ist insoweit eine ex ante Prognose – also eine Prognose bezogen auf den Beginn des Geschäftsbetriebs am 1.02.2011 bzw. der letzten Verwaltungsentscheidung der Behörde. Die Firma TransRegio hat bescheinigt, dass mit einer Tragfähigkeit des Unternehmens in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Wie ausgeführt umfasst dieser Zeitraum den gesetzlichen Rahmen von 24 Monaten. Dieser ist bei Stellung des Fortzahlungsantrages am 8.07.2011 noch nicht abgelaufen gewesen. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der Antragstellerin dem Grunde nach kann daher nicht bereits aufgrund des fehlenden Gewinnes innerhalb der ersten 6 Monate verneint werden.

Auch die nach § 16 b SGB II notwendige weitere Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit der Förderung ist gegeben. Erforderlich ist die Gewährung des Einstiegsgeldes dann, wenn sie zu Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den allgemeinen Arbeitsmarkt geeignet ist und ohne das Einstiegsgeld mit einer solchen Eingliederung nicht gerechnet werden kann. Diese Prognose umfasst nicht nur die derzeitige Lage des Arbeitsmarktes, sondern auch das weitere berufliche Fortkommen des Hilfebedürftigen13. Die im Jahr 1957 geborene Antragstellerin war vor der Beantragung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Jahr 2009 arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit konnte sie auch im Zeitraum bis zur Beantragung des Einstiegsgeldes im Jahr 2011 nicht beenden. Aufgrund ihrer vorangegangenen Tätigkeit im Einzelhandel bis zum Jahr 1992 konnte – nicht zuletzt auf Basis der Einschätzung der Firma TransRegio – davon ausgegangen werden, dass die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit eine realistische Möglichkeit darstellt, die Antragstellerin in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Andere Möglichkeiten, die in einem vergleichbaren Zeitraum zur Eingliederung der Antragstellerin in den allgemeinen Arbeitsmarkt geführt hätten, sind nicht ersichtlich.

Die Eingliederungsleistungen der §§ 16 b, 16 c SGB II sind als Ermessensleistungen ausgestaltet. Demgemäß liegt sowohl die Frage des „ob“ der Leistungsgewährung als auch die Frage des „wie“ der Leistungsgewährung – also die Frage der Höhe und der Dauer – im Ermessen des Leistungsträgers. Diese zu treffende Ermessensentscheidung des Leistungsträgers ist – von den Ausnahmefällen der Ermessensreduktion auf Null abgesehen – von den Gerichten nur eingeschränkt überprüfbar. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich auf Ermessensfehler. Dies sind der Ermessensnichtgebrauch oder der Ermessensfehlgebrauch durch Über- oder Unterschreitung des nach Sinn und Zweck der Vorschrift eingeräumten Ermessens; insbesondere die Berücksichtigung sachfremder Erwägungen bei der Ermessensausübung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermessensentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung14 – hier also Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2011.

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen sind Ermessensfehler bei der Entscheidung des JobCenters, das Einstiegsgeld nicht über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus zu gewähren, für den Senat nicht erkennbar. Mit der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass eine Weitergewährung des Einstiegsgeldes über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus nicht bereits durch die Verwaltungsanweisungen des Jobcenters Krefeld ausgeschlossen ist, denn eine solche ermessenslenkende Weisung hat allenfalls internen Charakter, entbindet den JobCenter jedoch nicht von der gesetzlich vorgeschriebenen Ermessensausübung anhand des konkreten Einzelfalls. Eine gesetzliche Regelung wonach das Einstiegsgeld regelmäßig für die Dauer von 6 Monaten begrenzt und auch nur einmalig gezahlt werden soll, ist § 16 b SGB II nicht zu entnehmen. Allerdings führt die Orientierung der Verwaltung an internen Richtlinien und Weisungen, die eine einheitliche Handhabung sicherstellen sollen, nicht grundsätzlich zu einer ermessensfehlerhaften Entscheidung, solange diese Ziele nicht willkürlich aufgestellt worden sind, und wenn neben der Anwendung des generellen Ermessensmaßstabes weiterhin Raum für eine Einzelfallentscheidung aufgrund besonderer Gegebenheiten verbleibt15. Der Senat kann hier offen lassen, ob die ermessenslenkende Weisung des JobCenters vom 29.03.2011 diese Voraussetzungen erfüllt oder wegen einer fehlenden Öffnungsklausel rechtswidrig ist, denn das JobCenter ist in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28.09.2011, jedenfalls jedoch in dem Widerspruchsbescheid vom 11.10.2011 über die in der Richtlinie niedergelegten Grundsätze ausdrücklich hinausgegangen und hat eine Prüfung am konkreten Einzelfall durchgeführt. Dem Wortlaut des Widerspruchsbescheides ist zu entnehmen, dass das JobCenter sowohl sein Entschließungsermessen als auch das Auswahlermessen gesehen und die Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles abgewogen hat. Hierbei ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das JobCenter den Fall zunächst ausgehend von der internen Weisungslage (einmalige Bewilligung für 6 Monate) geprüft hat. Die Prüfung des JobCenters hat sich jedoch nicht in der Anwendung der Weisung erschöpft. Das JobCenter hat im Widerspruchsescheid vom 11.10.2011 ausdrücklich festgestellt, dass die Dauer der Förderung im Rahmen der Einzelfallentscheidung, die eine konkrete Ermessensausübung erkennen lassen muss, festzulegen sei. Er hat ausgeführt, das Jobcenter Krefeld habe sich bemüht, unter Berücksichtigung der Grundsätze von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beim Einsatz von Haushaltsmitteln und unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung verschiedener Antragsteller Fördermöglichkeiten zu entwickeln, die möglichst viele Existenzgründer in den Genuss der öffentlichen Förderung kommen lassen könnten. Darüber hinaus hat das JobCenter ausdrücklich festgestellt, dass im vorliegenden Fall eine Abweichung hiervon nicht geboten sei. Dies folgte für den JobCenter daraus, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt weiterhin durch Leistungen nach dem SGB II sicherstellen müsse, und keine Anhaltspunkte in der Person der Antragstellerin oder der Art und Weise des Betriebes vorlägen, die eine anderweitige Ermessensausübung des JobCenters nach sich ziehen müsse. Der Gewerbebetrieb der Antragstellerin habe bis zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung keine Gewinne erwirtschaften können. Eine anderslautende Prognose sei nicht ersichtlich. Das JobCenter kam daher zu dem Ergebnis eine Weitergewährung des Einstiegsgeldes sei in einem solchen Fall, in dem auch nach dem Ablauf des von der Firma URegio prognostizierten Zeitraums von 6 Monaten kein Gewinn erzielt worden sei, nicht angemessen. Diese Erwägungen finden sich auch im Bescheid vom 28.09.2011 wieder, in dem das JobCenter ausführt, das Ziel der Förderung sei die Überwindung der Hilfebedürftigkeit. Bis zum damaligen Zeitpunkt habe die Antragstellerin jedoch kein anrechenbares Einkommen aus der Erwerbstätigkeit erzielen können. Sie befände sich weiterhin im Leistungsbezug. Es sei nicht erkennbar zu erwarten, dass die Hilfebedürftigkeit in absehbarer Zeit durch die Selbständigkeit überwunden werden könne. Hierbei war das JobCenter auch nicht verpflichtet im Wege der Amtsermittlung eine ergänzende Stellungnahme der Firma URegio einzufordern. Vielmehr obliegt nach § 16 c Abs. 1 SGB II die Beibringung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle grundsätzlich dem Leistungsempfänger. Eine Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhaltes „ins Blaue hinein“ besteht für den Leistungsträger nicht. Insoweit sind die maßgeblichen Tatsachen, die zu einer solchen Ermittlung Anlass geben könnten, von dem Betroffenen wenigstens substantiiert vorzutragen. Die berechtigte Hoffnung, in Zukunft könne ein ausreichender Gewinn erzielt werden, um die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin zu beenden, musste als tatbestandliche Voraussetzung einer Ermessensentscheidung spätestens im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung – hier also des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2011 – vorliegen, denn spätere Entwicklungen können eine Ermessensentscheidung rückwirkend nicht eröffnen16. Unter Berücksichtigung der im Oktober 2011 bekannten Tatsachen lagen keine Umstände vor, die den JobCenter verpflichtet hätten, weitergehende Ermessenserwägungen als die in dem Widerspruch Bescheid vom 11.10.2011 getroffenen zu berücksichtigen. Das JobCenter hat vielmehr aufgrund der internen Weisung die durchaus sachgerechten Erwägungen in die Überlegungen einbezogen, Haushaltsmittel nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu verwenden und auf möglichst viele Anspruchssteller gleichmäßig zu verteilen, und dies mit dem Individualinteresse der Antragstellerin anhand der objektiv bekannten Tatsachen abgewogen, eine über den Zeitraum von 6 Monaten hinausgehende Förderung zu erhalten.

Diese Erwägungen des JobCenters sind für dem Grunde nach nicht zu beanstanden und stehen auch mit Sinn und Zweck des § 16 b SGB II in Einklang. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, einen Anreiz für die Aufnahme und Fortführung einer abhängigen oder selbständigen Tätigkeit zu schaffen, nicht jedoch die dauerhafte Fortführung einer solchen Tätigkeit zu subventionieren17. Demgemäß hat die Firma URegio in ihrem Abschlussbericht die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit befürwortet vor dem Hintergrund, dass das Geschäftsmodell der Antragstellerin hinreichend handlungsfähig sei, um sich an den Markt anpassen zu können. Unter Berücksichtigung der Wandlungsfähigkeit des Unternehmens hat die Firma URegio eine Förderung durch Möglichkeiten der Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen für einen Zeitraum von 6 Monaten für erforderlich gehalten. Hierbei hat die Firma URegio nach dem klaren Wortlaut des Abschlussberichtes bereits in die Überlegungen einbezogen, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten am Markt sowie aufgrund des Geschäftsmodells ihren Gewerbebetrieb den Gegebenheiten anpassen und wandeln könne. Im Zeitpunkt der Stellung des Fortzahlungsantrag am 8.07.2011 war jedoch nicht erkennbar, dass der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin durch die Gewährung weiterer Eingliederungsleistungen positiv in dem Sinne gefördert werden könnte, dass die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin verringert oder entfallen würde. Letztendlich hat sich auch die Prognose der Steuerberater der Antragstellerin in dem Schreiben vom 01.04.2011, mit einem positiven Betriebsergebnis sei ab Herbst 2011 zu rechnen, nicht bewahrheitet. Auch die Empfehlung aus dem Coaching bei der IHK, einen Teil des Ladenlokals abzustoßen, führte nicht zum Erfolg, ebenso wenig wie die Änderung des Geschäftsmodelles durch die Konzentration der Tätigkeit auf das Änderungsatelier. Nach Lage der Akten waren diese Tatsachen bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2011 dem JobCenter nicht einmal bekannt. Die Weitervermietung des Ladenlokals erfolgte erst im November 2011. Eine Änderung des Warenbestandes hat die Antragstellerin dem JobCenter ebenfalls nach Aktenlage nicht im Zeitpunkt des Erlasses Widerspruchbescheides mitgeteilt. Die Durchführung des Coaching im Zeitraum von März bis Juni 2011 führte für sich genommen nicht dazu, dass der Betrieb der Antragstellerin eine berechtigte Gewinnprognose in nächster Zukunft hat. Dies folgt auch daraus, dass die Firma URegio den Erfahrungshorizont der Antragstellerin aber auch die Wandlungsfähigkeit des Unternehmenskonzeptes bereits in seinen Abschlussbericht vom 21.01.2011 einbezogen hat und auch unter Berücksichtigung dieser Umstände eine Förderung nur für den Zeitraum von 6 Monaten für erforderlich gehalten hat.

Da Ermessensfehler nicht erkennbar sind, hat das JobCenter aus seiner Sicht zutreffend eine Verlängerung der Gewährung des Einstiegsgeldes über den 31.07.2011 hinaus abgelehnt.

Auch § 16 f SGB II kommt als Rechtsgrundlage für die Weitergewährung von Einstiegsgeld nicht in Betracht. Hiernach kann die Agentur für Arbeit bis zu 10 % der nach § 46 Abs. 2 auf sie entfallenden Eingliederungsmittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit einsetzen, um die Möglichkeit der gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu erweitern. Die freien Leistungen müssen den Zielen und Grundsätzen dieses Buches entsprechen. Die Zielsetzung dieser Vorschrift, die dem Leistungsträger einen größtmöglichen Handlungsspielraum eröffnen soll, liegt nicht vor. Denn die Grenzen für eine mögliche Förderung nach § 16 f SGB II liegen in dem Umgehungsverbot des Abs. 2 Satz 3. Hiernach dürfen die Maßnahmen gesetzliche Leistungen nicht umgehen oder aufstocken. Dies umfasst insbesondere die Leistungen nach den §§ 16-16 e SGB II, die durch eine freie Förderung § 16 f nicht aufgestockt werden dürfen18. Die Weitergewährung von Einstiegsgeld für die Antragstellerin auf Grundlage des § 16 f SGB II würde jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 16 b und c SGB II umgehen, so dass eine Förderung auch über § 16 f SGB II nicht möglich ist.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Juni 2013 – L 7 AS 1884/12

  1. Leopold in JurisPK 3. Auflage 2012 § 16 b Rn. 71[]
  2. BSG Urteil vom 23.11.2006 – B 11 B AS 3/05 R[]
  3. Leopold in JurisPK a.a.O. Rn. 40; Bundessozialgericht Urteil vom 23.11.2006 B 11 B AS 3/05 R; Hannes in Gagel Kommentar SGB II/SGB III § 16 b Rn. 52[]
  4. (BSG Urteil vom 23 11.2006 a.a.O.[]
  5. Hannes in Gagel a.a.O. Rn. 70/71[]
  6. Hannes in Gagel a.a.O. Rn. 73; Leopold in JurisPK § 16 b Rn. 78[]
  7. Thie in Münder Kommentar SGB II 4. Auflage § 16 b Rn. 6[]
  8. Thie in Münder a.a.O. Rn. 7[]
  9. Leopold in JurisPK a.a.O. Rn. 45; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011 – L 13 AS 178/10[]
  10. Hannes in Gagel a.a.O. Rn. 56[]
  11. Thie in Münder a.a …O. § 16 c Rn. 2[]
  12. Thie in Münder a.a.O.[]
  13. Leopold JurisPK a.a.O. Rn. 48[]
  14. Keller in Meyer-Ladewig 10. Auflage SGG § 54 Rn. 34a; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011 – L 13 AS 178/10[]
  15. Leopold in JurisPK a.a.O. Rn. 69[]
  16. LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 25.05.2011 a.a.O.[]
  17. LSG Niedersachsen Bremen Urteil vom 25.05.2011 – L 13 AS 178/10; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 20.06.2012 – L 12 AS 569/11[]
  18. vgl. Thie in Münder a.a.O. § 16 f Rn. 3[]