Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich eindeutig, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht1. Dies sind in der Regel Kosten, die durch Mietvertrag o.ä. entstanden sind oder auf einem anderen Rechtsgrund gerade wegen der Gewährung von Unterkunft beruhen. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung liegen allerdings nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist2. Umgekehrt kennt das SGB II keine fiktiven Kosten, die nicht durch eine wirksame Verpflichtung oder zumindest ernstliches Zahlungsbegehren3 gerade im Verhältnis desjenigen, der Wohnraum zur Verfügung stellt, gegenüber dem Hilfebedürftigen geprägt ist. Insoweit müsste im Dreiecksverhältnis zwischen dem Eingliederungsleistungen gewährenden Sozialhilfeträger, dem Heimträger und dem Betroffenen der Heimträger dem Betroffenen die Unterkunft zumindest „in Rechnung stellen“4. Alle diese Erwägungen gründen im Ziel des Grundsicherungsrechts, konkrete Bedarfe zu decken.
Eine Verpflichtung aus einem Heimvertrag im Sinne einer den Betroffenen treffenden Leistungspflicht in Bezug auf Unterkunftskosten gegenüber dem Heimträger existiert nicht. Zwar hat der überörtliche Träger der Sozialhilfe (Heimträger) selbst in seinem Leistungsbescheid zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII einen Berechnungsposten von 317,42 EUR festgesetzt. Dies sind aber die auf § 35 SGB XII a.F. entfallenden Leistungen, die der Heimträger an den Betroffenen gewährt; es handelt sich seinerseits um Sozialleistungen, nicht aber um Kosten, die unmittelbar ihren Rechtsgrund im Zurverfügungstellen einer Unterkunft haben. Ein Bedarf nach § 22 SGB II kann daher nicht über einen Verwaltungsakt über die Verpflichtung zum Einkommenseinsatz im Bescheid über die Eingliederungshilfe künstlich geschaffen werden. Insoweit erweist sich die Argumentation des Heimträgers als Zirkelschluss: Die Verpflichtung des Einkommenseinsatzes in Gestalt von KdU-Leistungen seitens des Jobcenters an den Betroffenen setzt gerade voraus, dass ein Anspruch auf Leistungen auf die Kosten der Unterkunft bereits entstanden ist.
Die Möglichkeit, fiktive Unterkunftskosten durch eine anteilige Berücksichtigung der Eingliederungsleistungen geltend zu machen, besteht nach dem SGB II nicht. Das SGB II kennt insbesondere eine § 42 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz SGB XII a.F. vergleichbare Regelung nicht, so dass es nach dem SGB II ausgeschlossen ist, einen fiktiven Bedarf zugrunde zu legen. Nach der genannten Regelung sind bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung „bei Leistungen in einer stationären Einrichtung als Kosten für Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu Grunde zu legen.“ Der Gesetzgeber hat indes auf eine entsprechende Regelung in § 22 SGB II gerade verzichtet.
§ 35 SGB XII a.F. (vgl. auch den zum 1.01.2011 in Kraft getretenen § 27b SGB XII) und die dortige Verweisung auf § 42 SGB XII sind unanwendbar. Die Vorrangregelung des § 5 Abs. 2 SGB II schließt den Rückgriff auf diese Vorschrift aus; Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ausschließlich auf der Grundlage der §§ 19 ff. SGB II zu gewähren. Damit korrespondiert § 21 SGB XII, wonach die Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt (u.a. nach dem Dritten Kapitel des SGB XII) erhalten.
Einer analogen Anwendung der §§ 35, 42 SGB XII a.F. im Sinne einer ergänzenden Regelung zu § 22 SGB II steht der klare Wortlaut des § 5 Abs. 2 SGB II und des § 21 SGB XII sowie das Fehlen einer Regelungslücke entgegen5. Zwar kann daran gezweifelt werden, dass die Eröffnung unterschiedlicher Grundsicherungssysteme hinsichtlich der Leistungen zum Lebensunterhalt einerseits und der Eingliederungsleistungen andererseits vom Gesetzgeber beabsichtigt war. In der ursprünglichen Entwurfsfassung des § 21 SGB XII war eine ausdrückliche Ausnahme vom Leistungsausschluss von Personen mit Leistungsberechtigung nach § 35 SGB XII a.F. vorgesehen und damit begründet worden, dass die u.a. für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen getroffene Ausnahme von dem Leistungsausschluss sich auf solche Leistungen beziehe, die wegen „des Zusammenhangs mit anderen kommunalen Aufgaben und Leistungen sachgerecht vom Träger der Sozialhilfe erbracht werden“ könnten6. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist diese ausdrückliche Ausnahme für Leistungen zum Lebensunterhalt in stationären Einrichtungen in § 21 SGB XII des Entwurfs gestrichen worden. Zeitgleich strebte der Gesetzgeber mit der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II einen gänzlichen Ausschluss von Beziehern stationärer SGB XII-Leistungen von Leistungen nach dem SGB II an. Auch haben sich die Begriffe der stationären Einrichtung nach dem SGB II einerseits und nach dem SGB XII andererseits ersichtlich auseinanderentwickelt7. Jedoch spricht die intensive Auseinandersetzung mit der Problematik im Gesetzgebungsverfahren gegen eine planwidrige Lücke. Ferner sind sachliche Gründe dafür denkbar, den mit den Kosten der Unterkunft belasteten kommunalen Träger zu „schonen“. So könnte es – wie von der Beklagten angeführt – zu Doppelbelastungen kommen, wenn für die Dauer des Aufenthalts die Hauptwohnung aufrecht erhalten werden muss. Außerdem würden Kommunen mit derartigen Einrichtungen vor Ort im Falle eines KdU-Anspruchs von vornherein eine Sonderbelastung tragen. Dass derartige Sonderbelastungen zu vermeiden sind, hat der Gesetzgeber beispielsweise mit der Regelung des Kostenerstattungsanspruchs in § 36a SGB II für den Aufenthalt in Frauenhäusern anerkannt. Schließlich werden die Folgen einer fehlenden Parallelvorschrift zu § 42 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. SGB XII und entsprechende Reaktionsmöglichkeiten in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutiert: Nach Behrendt8 kann sich der Leistungsausschluss des § 21 SGB XII „auf die Höhe der Kosten nach den §§ 75 ff. SGB XII auswirken, die der Sozialhilfeträger der jeweiligen Einrichtung – ggf. gekürzt um einen Anspruch des Hilfebedürftigen nach dem SGB II – zu leisten hat. Allerdings muss der Sozialhilfeträger – insbesondere bei Leistungsberechtigten nach § 67 SGB XII – prüfen, ob nicht fachliche Aspekte die Leistungserbringung ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen rechtfertigen und die Hilfe zum Lebensunterhalt integraler Bestandteil der Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII ist“.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. März 2013 – L 6 AS 227/11
- BSG, Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 31/07 R[↩]
- BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R[↩]
- dazu BSG, Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 15/11 R[↩]
- vgl. Hess. LSG, Urteil vom 21.05.2007 – L 9 AS 57/06 (obiter dictum) [↩]
- a.A. offenbar LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.04.2012 – L 2 SO 5276/10; dort wurde allerdings in einer nicht vergleichbaren Konstellation ein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bejaht[↩]
- BT-Drs. 15/1514, S. 57; vgl. zur Entstehungsgeschichte und zum Folgenden auch Behrendt in: jurisPK-SGB XII, § 27b Rn.20[↩]
- so i. Erg. auch Behrendt a.a.O. Rn.19[↩]
- Behrendt, in: jurisPK-SGB XII, § 35 a.F. Rn.20[↩]




