Auszugsrenovierung

Die Kosten einer Auszugsrenovierung können nach § 7 Abs 1 Satz 1, § 19 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1, § 28 SGB II als Leistung für die Unterkunft zu übernehmen sein. Voraussetzung dafür ist jedoch nicht deren „soziale Wirksamkeit“, sondern ob sie tatsächliche, angemessene Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind. Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom beklagten Jobcenter durchzuführende Kostensenkungsverfahren.

Zu den als Leistungen für die Unterkunft zu erbringenden Aufwendungen können auch, wovon das LSG zu Recht ausgegangen ist, die Kosten einer Auszugsrenovierung gehören, soweit sie auf einem Mietvertrag des Hilfebedürftigen mit dem Vermieter beruhen. Solche Kosten sind – wie mietvertraglich vereinbarte Zuschläge für Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis und Renovierungskosten bei Einzug in eine Wohnung – nicht mit der Regelleistung abgedeckt, sondern unterfallen nach dem Wortlaut des § 22 SGB II und aus systematischen Gründen den Kosten der Unterkunft1.

Zur näheren Konkretisierung der vom Jobcenter zu übernehmenden Kosten der Auszugsrenovierung kann als Maßstab nicht auf die „soziale Wirksamkeit“ der Forderung der Beigeladenen gegenüber den Klägern abgestellt werden. Maßgeblich für Leistungen für die Unterkunft sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen, soweit sie angemessen sind. Auszugehen ist damit von den vom Hilfebedürftigen zu leistenden Zahlungen. Da jedoch Hilfebedürftige aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse oftmals nicht in der Lage sind, einen größeren Betrag zu zahlen, vorliegend fast 3000 €, ist der tatsächlichen Zahlung gleichzusetzen, dass sie einer entsprechenden Forderung „ernsthaft“ ausgesetzt sind2.

Das Bundessozialgericht hat3 keine weitere Voraussetzung „soziale Wirksamkeit“ aufgestellt. Eine Ausnahme von der Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen hat das Bundessozialgericht lediglich dann als erwägenswert angesehen, wenn die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung bekannt ist oder bekannt sein müsste, weil Aufwendungen für die Unterkunft, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden können und dürfen4.

Das Jobcenter kann sich hier nicht ohne Weiteres auf die Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag berufen und darauf gestützte Abzüge von den tatsächlich zu leistenden Zahlungen des Hilfebedürftigen vornehmen, weil für ein solches Vorgehen keine Rechtsgrundlage dem SGB II zu entnehmen ist5. Das Jobcenter muss vielmehr, wenn es eine Vereinbarung über die Unterkunftskosten für unwirksam hält, ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II einleiten, weil eine auf einer unwirksamen Vereinbarung beruhende Aufwendung nicht angemessen ist6.

Bei einer einmaligen Forderung des Vermieters, wie vorliegend den Kosten der Auszugsrenovierung, kann die Kostensenkungsaufforderung sich nicht darin erschöpfen, die für angemessen gehaltenen Leistungen für die Unterkunft mitzuteilen, weil dies an der Forderung, der der Hilfebedürftige ausgesetzt ist, zumeist nichts ändern wird. Dies gilt ua für die Kosten einer Auszugsrenovierung und den damit zusammenhängenden schwierigen Rechtsfragen7. Das Jobcenter muss in einer solchen Situation vielmehr dem Hilfebedürftigen das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter aufzeigen und den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen. Bis zu diesen Hilfen seitens des Jobcenters sind Maßnahmen der Kostensenkung für den Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich, es sei denn aufgrund seines Kenntnisstandes ist eine derartige Information entbehrlich8.

Ob im hier entschiedenen Fall das vom Jobcenter durchgeführte Verwaltungsverfahren diesen Voraussetzungen entspricht, kann den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht entnommen werden. Es hat nur festgestellt, dass das Jobcenter die Klägerin in einem Gespräch am 3.02.2007 wegen des bevorstehenden Umzugs darauf hingewiesen hat, der Mietvertrag mit der Beigeladenen beinhalte starre Renovierungsregelungen, die nichtig seien, und das Jobcenter werde keine Renovierungskosten übernehmen. Zu weiteren Gesprächen und Hinweisen des Jobcenters gegenüber den Klägern9 enthält das Urteil des LSG keine Feststellungen. Andererseits kann ihm auch nicht entnommen werden, dass es solche nicht gab und der Beklagte nicht die aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt hat, zumal die Beigeladene bisher gegenüber den Klägern keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung eingeleitet hat.

Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits wird zunächst zu prüfen sein, ob das Jobcenter ein den obigen Anforderungen entsprechendes Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der umstrittenen Kosten der Auszugsrenovierung eingeleitet hat. Für ein vorprozessuales Verfahren zwischen Mieter und Vermieter mag eine entsprechende Beratung, ggf Hilfe bei der Anfertigung von Schreiben seitens des Jobcenters genügen. Sollte keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden und der Vermieter den Mieter/Hilfebedürftigen wegen der Kosten der Auszugsrenovierung vor dem Zivilgericht verklagen, so wird das Jobcenter seine Pflichten im Rahmen des Kostensenkungsverfahrens nur durch eine Beteiligung an dem Rechtsstreit, sei es als Nebenintervenient oder Streithelfer, nachkommen können, zumal des Kostenrisiko dieses Zivilverfahrens als Annex zu den umstrittenen Leistungen gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II von ihm zu tragen ist10.

Eine für alle drei Beteiligten – Jobcenter und Hilfebedürftiger/Mieter sowie Vermieter – rechtsverbindliche Entscheidung des Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag über die Kosten einer Auszugsrenovierung kann es – wie das LSG zu Recht erkannt hat – in einem sozialgerichtlichen Verfahren wie dem vorliegenden nicht geben. Selbst wenn der Vermieter zu dem Rechtsstreit zwischen Hilfebedürftigem und Jobcenter über die Kosten der Auszugsrenovierung beigeladen wird, entfaltet das Urteil des SG gegenüber dem Vermieter keine Rechtskraft hinsichtlich der zivilrechtlichen Vorfragen zur Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag. Der Vermieter kann vielmehr die Kosten der Auszugsrenovierung gegenüber dem Mieter/Hilfebedürftigen ggf mit Erfolg vor den Zivilgerichten einklagen. Denn rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 141 Abs 1 SGG; im Ergebnis ebenso § 322 Abs 1 ZPO). Die Rechtskraft eines Urteils ist „auf den in der Urteilsformel enthaltenen Gedanken beschränkt“11. Ausführungen über materiellrechtliche Vorfragen oder präjudizielle Rechtsverhältnisse nehmen an der Rechtskraftwirkung des Urteils nicht teil12.

Eine über die Rechtskraftwirkung eines Urteils hinausgehende Bindung der Beteiligten kann nur im Zivilprozess mittels einer Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO) oder einer Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO) erreicht werden, die es beide im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gibt13. Die über die Rechtskraftwirkung hinausgehende höhere Bindung auch hinsichtlich der tragenden Entscheidungsgründe14 wird erreicht, weil der Nebenintervenient und derjenige, dem der Streit verkündet wurde, „im Verhältnis zur der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört (wird), dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei“ (§ 68, § 74 ZPO).

Solange das Jobcenter ein solches Kostensenkungsverfahren nicht eingeleitet hat, ist ebenso wie bei laufenden Mietzinsforderungen von der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für die Auszugsrenovierung auszugehen.

Leitet das Jobcenter ein solches Verfahren ein, so müssen die oben aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt sein, damit es zu einer Kostensenkung führen kann. Ist der Hilfebedürftige entgegen der Auffassung des Jobcenters im Kostensenkungsverfahren der Auffassung, die Kosten der Auszugsrenovierung würden vom Vermieter zu Recht geltend gemacht, so muss er sich nicht von diesem vor dem Zivilgericht verklagen lassen, sondern kann den zivilrechtlichen Anspruch anerkennen und von dem Jobcenter eine Entscheidung über die Kosten der Auszugsrenovierung verlangen. Der Hilfebedürftige setzt sich damit jedoch, wie aufgezeigt, der Gefahr einer für ihn negativen Entscheidung des Jobcenters aus.

Hat der Beklagte ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet und der Hilfebedürftige gegen den die Übernahme der Kosten der Auszugsrenovierung ablehnenden Verwaltungsakt vor dem Sozialgericht Klage erhoben, muss das angerufene Sozialgericht den Rechtsstreit unter allen erdenklichen Gesichtspunkten einschließlich der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Regelungen im Mietvertrag prüfen (§ 17 Abs 2 GVG), was vorliegend noch nicht geschehen ist.

Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 15/11 R

  1. vgl zur Einzugsrenovierung: BSG vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 44200 § 22 Nr 16; zur Auszugsrenovierung: BSG vom 06.10.2011 – B 14 AS 66/11 R[]
  2. BSG vom 22.09.2009 – B 4 AS 8/09 R, BSGE 104, 179 = SozR 44200 § 22 Nr 24, RdNr 16 f mwN []
  3. in BSG vom 22.09.2009, a.a.O.[]
  4. BSG vom 22.09.2009, aaO, RdNr 16, 21[]
  5. BSG vom 22.09.2009, aaO, RdNr 17[]
  6. BSG vom 22.09.2009, aaO, RdNr 23[]
  7. vgl nur: Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 535 RdNr 41 ff[]
  8. BSG vom 22.09.2009, aaO, RdNr 23; zu Anforderungen an ein Kostensenkungsverfahren, wenn nur die abstrakt angemessene Höhe der Leistung für die Unterkunft umstritten ist: BSG vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 70/06 R – SozR 44200 § 22 Nr 8, RdNr 13[]
  9. vgl BSG vom 27.02.2008 – B 14/7b AS 70/06 R – SozR 44200 § 22 Nr 8, RdNr 15: Kostensenkungsaufforderung als Angebot zu einem Dialog[]
  10. vgl BSG vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R – BSGE 100, 190 = SozR 44200 § 22 Nr 41 RdNr 35[]
  11. vgl nur BSG SozR 31500 § 75 Nr 31 S 40 mwN[]
  12. Breitkreuz in ders/Fichte, SGG, 2009, § 141 Nr 6; Bolay in Handkommentar SGG , 3. Aufl 2009, § 141 RdNr 9 f mwN; Keller in MeyerLadewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 141 RdNr 7a f; vgl zur ZPO: Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl 2009, Vor § 322 RdNr 31 ff[]
  13. vgl Breitkreuz in ders/Fichte, SGG, § 69 RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 74 RdNr 1; Littmann in HKSGG, § 74 RdNr 2[]
  14. vgl Vollkommer, in Zöller, ZPO, § 68 RdNr 9 mwN; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl 2011, § 68 RdNr 1, 6[]