Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten

Die Ermittlungen des Sozialhilfeträgers zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung sind nur dann schlüssig, wenn bereits bei der Erhebung der quadratmeterbezogenen Vergleichsmieten zwischen Wohnungen für Ein- oder Zweipersonenhaushalte und größeren Wohnungen differenziert wird. Darüber hinaus ist es nicht schlüssig, wenn bei einem Kreisgebiet von etwa 1.000 km² lediglich fünf Mietstufen gebildet werden, die jeweils auch Gemeinden umfassen, die keinerlei räumliche Berührungen aufweisen.

Grundsätzlich sind die Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen des 4. Kapitels des SGB XII voller Höhe zu übernehmen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII). Eine Begrenzung dieser Kosten auf ein „angemessenes Maß“ (vgl. hierzu § 29 Abs. 1 Sätze 2 bis 8 SGB XII) setzt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass der zuständige Leistungsträger die heranzuziehende ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen einfachen Standards im Rahmen eines schlüssigen Konzepts ermittelt hat1. Zusammenfassend muss hierbei gewährleistet werden, dass der Vergleichsraum bzw. das Vergleichsgebiet unter Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur in sich geschlossen ist und so definiert wird, dass eine „Ghettobildung“ vermieden wird. Darüber hinaus bedarf es einer klaren und nachvollziehbaren Definition der in die Ermittlungen einbezogenen Wohnungen (Kriterien hierfür bspw. Wohnstandard, Brutto- und Nettomiete, Differenzierungen nach der Wohnungsgröße). Schließlich müssen der Beobachtungszeitraum und die Art und Weise der Datenerhebung (bspw. Art der Erkenntnisquellen wie Mietspiegel o. ä. ) klar festgelegt werden. Zudem muss durch den Umfang der einbezogenen Daten sichergestellt werden, dass die Erhebung repräsentativ ist. Auch die Validität der Datenerhebung und die Einhaltung der mathematischen bzw. statistischen Grundsätze der Datenauswertung müssen gewährleistet werden. Schließlich müssen in einem letzten Schritt die aus der Datenerhebung gezogenen Schlüsse erläutert und begründet werden (bspw. Spannoberwerte oder Kappungsgrenzen). Durch diese (methodischen) Anforderungen soll gewährleistet werden, dass die Angemessenheitsgrenzen auch tatsächlich den aktuellen Verhältnissen des örtlichen Mietwohnungsmarktes entsprechen2.

Gemessen an diesen Kriterien erweist sich das Konzept des Beklagten zur Ermittlung bzw. Festlegung der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten als unschlüssig. Zunächst ist auffallend, dass für das gesamte Kreisgebiet, das eine Fläche von 1.062 km² bzw. 54 Gemeinden und Städte mit zusammen rund 533.000 Einwohnern umfasst, lediglich fünf Mietstufen gebildet worden sind. Das Gericht hält es für kaum denkbar, dass hierdurch für jede einzelne Gemeinde bzw. jeden einzelnen Vergleichsraum die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zutreffend abgebildet werden. Auffällig ist zudem, dass in den einzelnen Mietstufen auch Gemeinden zusammengefasst worden sind, die keinerlei räumliche Berührungspunkte aufweisen. Dies begründet aus Sicht des Gerichtes die Vermutung, dass der Beklagte im Rahmen der Datenerhebung bzw. Datenauswertung verschiedene Gemeinden zusammengefasst und hierbei Mittelwerte gebildet hat, was zwangsläufig zu einer Verzerrung der tatsächlichen Verhältnisse führen muss. Insbesondere kann sich dieses Vorgehen erheblich zu Lasten der Wohnungssuchenden auswirken, wenn es bei Bildung dieser Durchschnittswerte faktisch zu einer „Abrundung“ kommt. Darüber hinaus ist kritisch festzustellen, dass der Beklagte bei der Erhebung der höchstzulässigen bzw. angemessenen Quadratmetermiete nicht nach der Wohnungs- bzw. Haushaltsgröße differenziert hat. Hierdurch wird der Umstand vollkommen ausgeblendet, dass kleine Wohnungen (für einen Ein- oder Zweipersonenhaushalt) nahezu ausnahmslos eine höhere Quadratmetermiete aufweisen als größere Wohnungen. Dieser Umstand ist allgemein- bzw. gerichtsbekannt und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Durch dieses Vorgehen kommt es durch das von dem Beklagten angewandte Konzept gerade für die Personengruppe, der der Kläger angehört („Singlehaushalt“), zu einer erheblichen, nachteiligen Verzerrung der auf dem Mietwohnungsmarkt tatsächlich bestehenden Verhältnisse. Aufgrund dieser Gesichtspunkte bestätigt das Gericht die vom Sozialgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 29. März 20103 gezogene Schlussfolgerung, nach der die Ermittlungen bzw. Festlegungen des Beklagten im Hinblick auf die angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten nicht schlüssig sind.

Im Grunde genommen wird dies auch durch das von der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verlesene Schreiben der Gemeindeverwaltung Dossenheim 16.7.2009 bestätigt. Denn die Gemeindeverwaltung führt ausdrücklich aus, dass es faktisch überaus schwierig sei, im Gemeindegebiet eine Mietwohnung für die von dem Beklagten ermittelte maximale Quadratmetermiete (6,50 EUR) zu finden. Eine Begrenzung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß setzt aber voraus, dass Mietwohnungen, die den Angemessenheitsvorgaben des Leistungsträgers entsprechen, auf dem freien Wohnungsmarkt tatsächlich in hinreichender Anzahl vorhanden sind. Dies ist offenkundig nicht gewährleistet.

Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 12. Juli 2010 – S 9 SO 590/10

  1. vgl. hierzu bspw. BSG, Urteile vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R und B 4 AS 27/09 R; sowie vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R[]
  2. BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R; zum „schlüssigen Konzept“ vgl. auch SG Kassel, Beschluss vom 23.06.2010 – S 6 AS 144/10 ER; und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.05.2010 – L 12 (20) SO 37/07[]
  3. SG Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2010 – S 16 AS 1798/09[]