Umzug in eine andere Stadt

Wenn bei einem Umzug die Grenze des Vergleichsraumes (i.S. der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts) überschritten wird, findet § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Anwendung . In diesem Fall kommt es dann auch nicht darauf an, ob der Umzug erforderlich war und eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen gewesen wäre oder nicht. Maßgeblich ist ausschließlich, ob die Mietkosten der neuen Wohnung angemessen sind oder nicht.

Der Umzug von einer Stadt in eine andere dürfte regelmäßig über die Grenze des Vergleichsraums im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hinaus vorgenommen worden sein. Nach den Kriterien, die das Bundessozialgericht für die Beurteilung des maßgeblichen räumlichen Vergleichsmaßstabs aufgestellt hat1, bildet grundsätzlich der Wohnort den Vergleichsraum. Zwar geht es darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden.

Vor dem Hintergrund und der Hervorhebung der verkehrstechnischen Verbundenheit hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg auf Grund der ländlichen Struktur keine Bedenken davon auszugehen, dass der Antragsteller mit seinem Umzug nach Rottweil den maßgeblichen räumlichen Vergleichsraum verlassen hat. Grundsätzlich gilt nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I 1706 mit Wirkung ab dem 01.08.2006)): Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II findet jedoch auf Fallgestaltungen dieser Art, bei denen ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hinaus vorgenommen wird, von vornherein keine Anwendung2.

Auch SGB II-Leistungsempfänger können im Rahmen ihres Rechts auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) ihren Wohnsitz in einem Bundesland oder einer Gemeinde frei wählen. Es gehört nicht zu den Funktionen des Grundsicherungsrechts, die aufnehmende Kommune durch § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II vor arbeitsuchenden Hilfebedürftigen zu schützen3.

Von daher kann dahinstehen, ob der Umzug erforderlich war und eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II zu erteilen gewesen wäre oder nicht. Es kommt danach allein auf die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft am Zuzugsort an. Der Hilfeempfänger hat zumindest Anspruch auf Aufwendungen in Höhe der Referenzmiete, dh es ist in jedem Fall der Teil der Kosten der Unterkunft zu zahlen, der nach der Produkttheorie im Rahmen der Angemessenheit liegt4. Anhaltspunkte dafür, dass die Kaltmiete in Höhe von 270 € in Rottweil über der angemessenen Referenzmiete dort liegt, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht vom Antragsgegner vorgetragen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. August 2010 – L 2 AS 3640/10 ER-B

  1. vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R[]
  2. vgl. BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 60/09 R[]
  3. BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 60/09 R[]
  4. BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R[]