Die Fehler der Eltern – und die Haftung volljähriger Kinder

Ein junger Volljähriger muss SGB II-Leistungen, die er als Minderjähriger zu Unrecht erhalten hat, nur bis zur Höhe des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens erstatten, wenn die Voraussetzungen des § 1629a BGB für eine beschränkte Haftung von Minderjährigen vorliegen.

Dies hat das Bundessozialgericht am 18. November 2014 entschieden und damit die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt bestätigt.

In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall lebte der zunächst noch minderjährige Kläger in einem gemeinsamen Haushalt mit seinem Stiefvater, seiner Mutter und seiner Halbschwester. Alle bezogen laufende Leistungen nach dem SGB II, die jeweils der Stiefvater des Klägers beantragt hatte. Da der Stiefvater angegeben hatte, dass der Kläger Schüler sei, berücksichtigte das Jobcenter nur das Kindergeld als Einkommen. Das Jobcenter erfuhr erst im Nachhinein durch einen Datenabgleich, dass er die Schule beendet hatte, und inzwischen als Teilnehmer an einer berufsfördernden Bildungsmaßnahme des Arbeitsamts eine monatliche Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhielt. Daraufhin berechnete es die Leistungen für die Vergangenheit neu und forderte den inzwischen volljährigen Kläger auf, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen (rund 500 €) zu erstatten.

Das Bundessozialgericht wendet – wie in der Vorinstanz bereits das Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt1 – die Regelung des § 1629a BGB entsprechend für Ansprüche auf Erstattung von SGB II-Leistungen an, die an einen Minderjährigen erbracht wurden.

Entscheidend ist, so das Bundessozialgericht, dass die Forderung während der Minderjährigkeit erbrachte Leistungen betrifft und durch eine pflichtwidrige Handlung des gesetzlichen Vertreters begründet wurde. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt:

Die Mutter des Klägers hat es trotz entsprechender Information durch den Kläger versäumt, das Jobcenter über die Zahlung der Berufsausbildungsbeihilfe zu informieren. Hierzu wäre sie als seine gesetzliche Vertreterin jedoch verpflichtet gewesen. Hätte sie das Jobcenter informiert, hätte dieses die Leistungen umgehend anpassen können, so dass es nicht zu einer Überzahlung gekommen wäre. Unerheblich ist es, dass das Jobcenter den Erstattungsbescheid erst nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Klägers erließ.

Andernfalls könnte es allein durch Abwarten erreichen, dass ein junger Volljähriger die von ihm während seiner Minderjährigkeit bezogenen Leistungen entgegen § 1629a BGB erstatten müsste. Die entsprechende Anwendung des § 1629a BGB begünstigt auch keine unberechtigte Inanspruchnahme von Sozialleistungen, weil das Jobcenter den handelnden Vertreter zumindest seit dem 1. April 2011 über § 34a SGB II nF auf Erstattung in Anspruch nehmen kann.

Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014 – B 4 AS 12/14 R

  1. LSG LSA, Urteil vom 17.10.2013 – L 2 AS 11/11[]