Mehrbedarf für erwerbsfähigen Gehbehinderten

Nach § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35% der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung. Eine bewilligte Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten zählt nicht hierzu. Der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus, an der beim betreuten Wohnen fehlt.

Der erwerbsfähige Grundsicherungsempfänger kann einen Anspruch auf Mehrbedarf auch nicht aus einer (entsprechenden) Anwendung des § 28 Abs 1 Nr 4 SGB II herleiten. Andere Anspruchsgrundlagen gegen den beklagten Grundsicherungsträger scheiden aus.

Allerdings scheidet ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger aus § 73 SGB XII nicht schon deshalb aus, weil der Bereich der Grundrechtsausübung nicht tangiert wäre. Durch eine nicht ausreichende Versorgung des Stumpfes und einen nicht ausreichenden Ausgleich seiner Behinderung könnte das Recht des Klägers auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein. Soweit der Kläger allerdings Kosten für Behandlungen anführt, die die medizinisch notwendige Krankenbehandlung betreffen, muss er sich als nach dem SGB V gesetzlich Versicherter auf die Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V verweisen lassen.

In dem hier vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall begehrt der 1975 geborene Kläger vom beklagten Grundsicherungsträger für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2007 einen monatlichen behinderungsbedingten Mehrbedarf nach dem SGB II. Er ist seit einem Unfall im Jahre 2005 rechtsseitig unterschenkelamputiert und mit einer computergesteuerten Beinprothese („C-leg“) versorgt. Bei ihm wurde ein Grad der Behinderung von 60 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs „G“ festgestellt. Vom 21. Februar 2006 bis 28. Februar 2007 erhielt er vom Sozialhilfeträger Betreuungsleistungen. In der Zeit vom 11. Dezember 2006 bis 31. Januar 2007 erhielt er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und dabei unter anderem einen „Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für behinderte Hilfebedürftige (35 % der maßgebenden Regelleistung)“ in Höhe von 121 € monatlich, anschließend bezog er Krankengeld. Für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2007 bewilligte der Grundsicherungsträger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Berücksichtigung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, ihm stehe ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung zu. Bedingt durch eine von der Prothese herrührende Materialbelastung bestehe bei ihm ein erhöhter Verschleiß von Hosen, Socken und Schuhen. Der sog Stumpfsocken müsse alle zwei Tage bei Kochwäsche gewaschen werden, wodurch zusätzliche Aufwendungen für die Wäsche entstünden. Daneben fielen erhebliche zusätzliche Stromkosten an, da der Akku für das C-leg in der Nacht aufgeladen werden müsse. Zudem leide er an Phantomschmerzen. Deswegen würden vom behandelnden Arzt Akupunkturmaßnahmen, Massagen sowie Lichttherapie angewandt, die er selbst zahlen müsse. Für 2 bis 4 Anwendungen pro Monat zahle er je 10 bis 15 €. Das Sozialgericht Detmold hat den Sozialhilfeträger beigeladen und die Klage abgewiesen1. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen2. Es hat den vom Kläger geltend gemachten Mehrbedarf als alleinigen Streitgegenstand des Verfahrens angesehen; hierfür bestehe jedoch keine Anspruchsgrundlage.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die vom Landessozialgericht vorgenommene Auslegung des § 21 SGB II verletze Art 3 GG. Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe sich vor allem gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen, die in der Lage seien (ggf. durch eine nur geringfügige) Tätigkeit im Rahmen der Freibeträge ihren Lebensstandard zu erhöhen, während der behinderte erwerbsfähige Hilfebedürftige von solchen Hinzuverdiensten die notwendigen Ausgaben für den behinderungsbedingten Mehrbedarf zu bestreiten habe.

Das Bundessozialgericht gab dem Kläger nur teilweise Recht: Der Kläger ist Berechtigter im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II; insbesondere ist er trotz seiner behinderungsbedingten Einschränkungen erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf des Klägers scheidet § 21 Abs 4 SGB II aus. Nach § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35% der nach § 20 maßgebenden Regelleistung.

Die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe bewilligte Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten hat als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs 2 Nr. 6 SGB IX in Verbindung mit § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII und gehört damit nicht zu den in § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II ausdrücklich genannten Leistungen nach § 33 SGB IX und § 54 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII. Es handelt sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Bei Hilfen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX geht es um die wohnbezogene Betreuung des behinderten Menschen, die – wie vorliegend – auch ambulant erfolgen kann. Die Leistungen, die gemäß § 55 Abs 1 SGB IX nachrangig u.a. gegenüber den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der §§ 33 bis 43 SGB IX (Kapitel 5) sind, zielen der Sache nach darauf ab, den behinderten Menschen so weit wie möglich zu befähigen, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen3. Solche Hilfen, die nicht als berufsbezogene, das Arbeitsleben betreffende Eingliederungsmaßnahmen erbracht werden, stellen keine sonstigen Hilfen im Sinne des § 21 Abs 4 Satz 1 SGB II dar (ebenso O. Loose in GK-SGB II, Stand Juli 2010, § 21 RdNr 27.1; Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21 RdNr 22). Zudem setzt der Mehrbedarf für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer regelförmigen Maßnahme voraus4, woran es vorliegend fehlt. Schließlich kann der Kläger einen Anspruch auf den Mehrbedarf auch nicht daraus herleiten, dass ihm im vorangehenden Bewilligungsabschnitt ein derartiger Anspruch nach § 21 Abs 4 SGB II zugebilligt worden war5.

Ein Anspruch auf Mehrbedarf besteht auch nicht auf Grundlage einer (entsprechenden) Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Der Kläger ist erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, sodass § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II unmittelbar keine Anwendung findet. Eine entsprechende Anwendung scheidet aus, denn im Hinblick auf den Personenkreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen fehlt es für die analoge Anwendung an einer planwidrigen Regelungslücke. Es entsprach von vornherein dem gesetzgeberischen Anliegen, erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einen Mehrbedarf allein wegen ihrer Schwerbehinderteneigenschaft und der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ nicht zugänglich zu machen. Wie das Bundessozialgericht bereits entschieden hat, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige anders als nicht erwerbsfähige Empfänger von Sozialgeld keinen Anspruch auf Leistungen wegen eines Mehrbedarfs haben, wenn sie Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen „G“ sind6. Die Anknüpfung an die Erwerbsfähigkeit eines Hilfebedürftigen ist hinreichendes Differenzierungskriterium im Hinblick auf die Gewährung des in Rede stehenden Mehrbedarfs. Insbesondere eine gleichheitswidrige Schlechterstellung gegenüber erwerbsfähigen, nicht behinderten Hilfebedürftigen liegt nicht vor, wie das Bundessozialgericht bereits ausgeführt hat. Zwar bestehen für erwerbsfähige, gehbehinderte Hilfebedürftige zusätzliche Eingliederungs- und Vermittlungshemmnisse, deren Beseitigung entsprechende Kosten auslösen kann. Behinderungsbedingte Nachteile auf dem Arbeitsmarkt, die zugleich den Zugang zu umfassenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX eröffnen, werden aber – für den Fall, dass solche Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden – im Wesentlichen durch den (höheren) Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II abgedeckt. Dementsprechend entfällt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II (bzw § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII) auch für voll erwerbsgeminderte Hilfebedürftige, soweit sie (ausnahmsweise) Leistungen zur Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB XII in Anspruch nehmen und damit ebenfalls einen Mehrbedarf entsprechend § 21 Abs 4 SGB II erhalten (vgl § 28 Satz 3 Nr 4 2. Halbs SGB II). Die Abgrenzung der Fallkonstellationen ausgehend von der gesetzgeberischen Grundvorstellung, es bestehe kein Grund für die Gewährung eines Mehrbedarf für den Fall, dass die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dauerhaft möglich erscheint, erweist sich damit als folgerichtig und sachgerecht.

Andere Anspruchsgrundlagen gegen den beklagten Grundsicherungsträger scheiden aus. Das Bundessozialgericht geht im Anschluss an die Rechtsprechung seines 7b. Senats7 davon aus, dass die Regelungen des SGB II in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen8. Insbesondere scheidet § 23 Abs 1 SGB II als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers schon deshalb aus, weil es sich bei den vom Kläger geltend gemachten zusätzlichen Bedarfen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen Gewährung nicht zugänglich sind9. Das Bundessozialgericht geht schließlich davon aus, dass der vom Bundesverfassungsgericht geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen10 nur dann eingreift, wenn nicht bereits auf Grund einfachgesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist11.

Nicht abschließend entscheiden kann das Bundessozialgericht die Frage, ob dem Kläger gegen die Beigeladene ein Anspruch aus § 73 SGB XII zusteht. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist. Zugleich muss auch der Bereich der Grundrechtsausübung tangiert sein12.

Ein Anspruch aus § 73 SGB XII scheidet nicht schon deshalb aus, weil der Bereich der Grundrechtsausübung nicht tangiert wäre. Es kann hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe nicht ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, dass es sich um hinzunehmende Bagatellbedürfnisse oder Bedürfnisse ohne Grundrechtsbezug handelt13. Vielmehr könnte durch eine nicht ausreichende Versorgung des Stumpfes und einen nicht ausreichenden Ausgleich seiner Behinderung das Recht des Klägers auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein14. Ob ein entsprechender atypischer Bedarf beim Kläger besteht, der den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen zu prüfen sein.

Dabei ist den Vorinstanzen allerdings dahin zuzustimmen, dass die Kosten, die durch die Versorgung mit dem C-leg entstehen, relevante Bedarfe nach § 73 SGB XII nicht auslösen können. Diese Kosten sind vollständig von der gesetzlichen Krankenversicherung, deren Mitglied der Kläger ist, zu tragen. Die Energieversorgung im Zusammenhang mit dem Betrieb des Hilfsmittels gehört dabei zum Leistungsumfang nach § 33 SGB V15. Diese Energiekosten sind – anders als die Batterien für Hörgeräte – nicht nach § 34 Abs 4 SGB V iVm § 2 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung von der Leistungspflicht der Krankenkasse16 ausgeschlossen. Damit scheidet ein Anspruch nach § 73 SGB XII aus, denn die Kosten bleiben nicht ungedeckt.

Ähnliches gilt, soweit der Kläger Kosten für ärztliche Behandlungen (insbesondere mittels Akupunktur) geltend macht: Der Anspruch auf die medizinisch notwendige Krankenbehandlung wird für gesetzlich versicherte Hilfeempfänger durch die Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V gedeckt. Soweit die ärztliche Behandlung bei gesetzlich krankenversicherten Hilfeempfängern nicht innerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift stattgefunden hat und eine Übernahme als Leistung der Krankenversicherung wegen fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzen ausscheidet, löst sie einen relevanten Bedarf nach § 73 SGB XII nicht aus. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V, die Versicherungsschutz insbesondere auf Grund abhängiger Beschäftigung erlangen. Im Hinblick auf die Akupunkturbehandlung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (vgl § 91 SGB V) mit Beschluss vom 18.4./19.9.200617 die Körperakupunktur mit Nadeln ohne elektrische Stimulation bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder mindestens eines Kniegelenks mit Wirkung vom 1.1.2007 als Methode der vertragsärztlichen Versorgung anerkannt. Die Frage, ob die Kosten für eine entsprechend durchgeführte Behandlung übernommen werden, muss der Kläger damit gegenüber seiner Krankenkasse klären. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen können nur innerhalb des Leistungssystems nach dem SGB V daraufhin zu prüfen sein, ob sie im Rahmen des GG Art 2 Abs 1 gerechtfertigt sind18. Ob wegen ihrer eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anderes für Hilfebedürftige nach dem SGB II gelten muss, wenn Leistungen nicht auf Grund des fehlenden Nachweises eines therapeutischen Nutzens, sondern wegen ihrem geringen Abgabepreis von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen sind, kann offen bleiben. Ein solcher Fall liegt nach den bisherigen Feststellungen nicht vor.

Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Kosten weisen der Art nach eine Nähe zu den Fällen eines notwendigen Hygienemehrbedarfs bei schwerer Erkrankung auf19. Der Kläger macht in erster Linie erhöhte Aufwendungen für alle zwei Tage notwendig werdende 90-Grad-Wäsche der Stumpfsocken geltend. Wenn durch mangelnde Sauberkeit des Stumpfsockens tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären, was das LSG bislang nicht festgestellt hat, weist dieser geltend gemachte Bedarf eine sachliche Nähe zu den sog Hilfen zur Gesundheit gemäß §§ 47 ff. SGB XII auf, kann aber im System des SGB V nicht befriedigt werden.

Fraglich ist insoweit aber, ob in diesem Fall Kosten anfallen, die einen Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Stehen hier nur Bagatellbeträge in Rede, so kann eine Verurteilung nach § 73 SGB XII nach der bisherigen Rechtsprechung scheitern, weil dann trotz vorliegender Grundrechtsbetroffenheit die entsprechenden Kosten selbst zu tragen wären. Welche Kosten für den Kläger bezogen auf den geltend gemachten Bedarf insoweit tatsächlich anfallen und ob es sich sowohl hinsichtlich der Kosten für die Wäsche als auch für die Bekleidung um Mehrkosten handelt, die nicht bereits durch die Regelleistung abgedeckt sind, wird das LSG im Einzelnen zu überprüfen haben und abschließend zu entscheiden haben, ob solche Mehrkosten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Das Bundessozialgericht hat insoweit ausgeführt, jedenfalls bei regelmäßig monatlich anfallenden Kosten in Höhe von rund 20 € scheitere ein Klagebegehren nicht bereits an einer in § 73 SGB XII unter dem Gesichtspunkt der Rechtfertigung des Mitteleinsatzes enthaltenen „Bagatellgrenze“20.

Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 44/09 R

  1. SG Detmold – S 10 (12) AS 84/07[]
  2. LSG NRW – L 7 AS 4/09[]
  3. Luthe in jurisPK-SGB IX, Stand September 2010, § 55 RdNr 44[]
  4. vgl BSG, Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 59/09 R, SozR 4-4200 § 21 Nr 9[]
  5. vgl BSG aaO RdNr 16[]
  6. BSG, Urteil vom 21.12.2009 – B 14 AS 42/08 R, BSGE 105, 201 = SozR 4-4200 § 8 Nr 1, jeweils RdNr 23 ff.[]
  7. BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; vgl auch das BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 14 AS 44/08 R – Schülermonatskarte, SozR 4-4200 § 7 Nr 15[]
  8. zuletzt BSG, Urteil vom 19.08.2010 zu Kosten eines Hygienemehrbedarfs bei AIDS – B 14 AS 13/10 R, RdNr 14; und Urteil vom 28.10.2009 zu Mehrkosten einer Schülermonatskarte – B 14 AS 44/08 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 15[]
  9. vgl BSG Urteil vom 19.08.2010, aaO, unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 7 Nr 15[]
  10. vgl BVerfGE 125, 175, 252 ff.[]
  11. BSG Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 13/10 R, RdNr 23; im Einzelnen sogleich[]
  12. vgl BSGE 97, 242, 250 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 RdNr 22 f; BSG Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 13/10 R, RdNr 19 f[]
  13. hierzu BSG, Urteil vom 28.10.2009 – B 14 AS 44/08 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 21[]
  14. zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5[]
  15. vgl BSGE 80, 93 = SozR 3-2500 § 33 Nr 24[]
  16. vom 13.12.1989, BGBl I 2237, zuletzt geändert durch Art 1 Erste ÄndVO vom 17.1.1995, BGBl I 44[]
  17. BAnz Nr 214 vom 15.11.2006, 6952[]
  18. dazu BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5[]
  19. dazu BSG Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 13/10 R[]
  20. BSG aaO RdNr 20[]