Mietkosten sind dann nicht als angemessene Unterkunftskosten zu übernehmen, wenn der Mietvertrag trotz eines bestehenden Wohnungsrechtes nach § 1093 BGB geschlossen wird, um bei bestehender Hilfebedürftigkeit weitere SGB II-Leistungen zu erhalten. Ein derartiger Mietvertrag ist sittenwidrig und nach § 138 BGB nichtig.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, wenn diese angemessen sind. Erforderlich ist, dass der Hilfebedürftige einer konkreten Zahlungsverpflichtung ausgesetzt ist1. Dies ist hier nicht der Fall.
Zwar liegt hier ein schriftlicher Mietvertrag zwischen den Klägern und deren Sohn vor, und zwar nicht nur zwischen dem Kläger und seinem Sohn über 250 €, sondern zwischen beiden Klägern und dem Sohn über eine Kaltmiete von 500 €. Es ist grundsätzlich auch nicht ausgeschlossen, dass bei Vorliegen eines Wohnungsrechtes über dieselben Räume zwischen den Parteien ein Mietverhältnis besteht2. Allerdings verstößt hier der Mietvertrag gegen die guten Sitten und ist damit nach § 138 BGB nichtig.
Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt sind, Vermögensverhältnisse zum Schaden der Sozialhilfeträger bzw. Träger der Leistungen nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, verstoßen gegen die guten Sitten i.S.v. § 138 BGB, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen3. Grundsätzlich sind die Leistungen nach dem SGB II subsidiärer Natur und greifen erst dann nachrangig ein, wenn keine privaten Unterhaltsquellen zur Verfügung stehen (§§ 3 Abs. 3, 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Die Kläger können ihren Unterkunftsbedarf indes durch das der Klägerin eingeräumte Wohnungsrecht decken. Dieses dingliche Recht verleiht der Klägerin die Befugnis zum Wohnen in dem auf dem belasteten Grundstück befindlichen Gebäude unter Ausschluss des Eigentümers (§ 1093 Abs. 1 BGB). Der Eigentümer hat die Pflicht, die Ausübung des Wohnungsrechts zu dulden, ohne dass er hierfür eine gesonderte Entschädigung verlangen kann (vgl. BGHZ 46, 253, 259), den Berechtigten treffen nur die Pflichten des Nießbrauchers4. Die Klägerin kann als Wohnungsberechtigte kraft Gesetzes (§ 1093 Abs. 2 BGB) ihren Ehemann als Angehörigen ebenfalls in der Wohnung wohnen lassen. Auch wenn der Kläger insoweit kein originäres Recht zum Wohnen hat, wird die Duldungspflicht des Eigentümers entsprechend erweitert5.
Da die Kläger bereits bei Abschluss des Mietvertrags im Leistungsbezug standen, war ihnen bewusst, dass sie die Mietkosten nicht selbst würden tragen können. Sie wollten vielmehr erreichen, dass ihr Sohn durch die vom Beklagten zu tragenden Mietkosten weitere Einkünfte erhielt. Damit haben sie eine Vereinbarung geschlossen, die eine weitere Unterstützungsbedürftigkeit zu Lasten des Beklagten herbeiführen sollte. Für eine Schädigungsabsicht zu Lasten des Beklagten spricht insoweit auch, dass die Kläger das bestehende Wohnungsrecht verschwiegen haben und bewusst nur den Teil des Testaments der Mutter vorgelegt haben, der hierzu nichts ergab. Eine besondere Rechtfertigung, um den sittlichen Makel auszugleichen, der in der Herbeiführung weiterer Hilfebedürftigkeit durch den Abschluss des Mietvertrags liegt, ist nicht ersichtlich. Eine solche kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Kläger zu Lasten des SGB II-Trägers ihrem Sohn eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen wollten.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2011 – L 12 AS 4387/10
- vgl. BSG, SozR 4-4200 § 22 Nr. 21; BSG, Urteil vom 20.08.2008 – B 14 AS 34/08 R, FEVS 61, 243[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1998 – V ZR 29/98 – MDR 99, 218[↩]
- vgl. BGHZ 86, 82, 86 ff.; Sock in Staudinger, BGB, § 138 Rdnr. 359 ff. m.w.N.[↩]
- vgl. Mayer in Staudinger, BGB, § 1093 Rdnr. 36 ff.[↩]
- vgl. Mayer in Staudinger, BGB, § 1093 Rdnr. 40[↩]





