Rückwirkender Leistungsanspruch für die Kosten der Unterkunft

Hat der Leistungsberechtigte zunächst seinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gegenüber dem Grundsicherungsträger nicht geltend gemacht, so kann er nicht rückwirkend entsprechenden Leistungen verlangen. Dies ergibt sich nach einem Urteil des Sozialgerichts Hamburg aus folgenden Erwägungen:

Leistungen nach dem SGB II werden nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor der Antragstellung gewährt, § 37 SGB II. Zwar findet diese Norm vorliegend nicht direkt Anwendung, da der Kläger grundsätzlich einen Antrag auf Leistungen gestellt hatte. Dennoch ist die ihr zugrunde liegende Wertung zu beachten, dass eine Pflicht des Leistungsträgers zum Tätigwerden nur eingreift, wenn der Leistungsberechtigte selbst die Initiative ergreift1. Gleichzeitig bringt § 37 SGB II mit dem Ausschluss von Leistungen für die Zeit vor Antragstellung zum Ausdruck, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur gegenwärtigen Zwecken dienen sollen. Das Erfordernis einer Eigeninitiative des Leistungsempfängers kommt auch in § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I zum Ausdruck. Diese Norm begründet eine Mitwirkungspflicht dahin gehend, dass der Empfänger von Sozialleistungen Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen hat. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es jeder Person, die einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, auch freisteht, diesen nicht geltend zu machen und ihren Bedarf – ohne hierzu verpflichtet zu sein – anderweitig zu decken.

In dem vom Sozialgericht Hamburg entschiedenen Fall standen diese Grundsätze einem Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vor Oktober 2006 entgegen: Der Kläger hat zunächst gerade keine höheren Leistungen beim Grundsicherungsträger geltend gemacht. Statt den Umzug und die daraus folgenden Aufwendungen für seine Unterkunft mitzuteilen, hat der Kläger sich in der Zeit bis Oktober 2006 dafür entschieden, die Unterkunftskosten anders, nämlich durch ein Darlehen von seiner Mutter, zu finanzieren. Er hat damit eine andere Form der Bedarfsdeckung als die Inanspruchnahme von Leistungen der Beklagten gewählt, ohne hierzu durch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten gezwungen gewesen zu sein. Hierdurch hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er der Hilfe des Grundsicherungsträgers nicht bedurfte. Der Ausschluss einer rückwirkenden Bewilligung von Leistungen gilt in dieser Konstellation umso mehr, als auch kein gegenwärtiger Bedarf des Klägers mehr besteht, da er seinen eigenen Angaben zufolge das Darlehen vollständig zurückgezahlt hat. Insofern kann dahin gestellt bleiben, ob im Fall fortbestehender Schulden eine andere Beurteilung zu treffen wäre.

Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 22. Februar 2008 – S 56 AS 875/07

  1. vgl. hierzu Wagner, in: juris PK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 37 Rn. 8[]