Sind die zur Finanzierung des Eigenheims abgeschlossenen Darlehensverträge durch den Darlehensgeber gekündigt worden, stellt der vom Darlehensgeber geltend gemachte Verzugsschadensersatz keine tatsächliche Aufwendung für die Unterkunft i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar1.
Bereits aus dem Wortlaut des einschlägigen § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung ergibt sich, dass es sich um tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft handeln muss. Bewohnt der Hilfesuchende ein Eigenheim, sind Kosten der Unterkunft die Aufwendungen, die er als mit dem Eigentum unmittelbar verbundene Lasten zu tragen hat. Es muss sich dabei um Kosten handeln, die mit der Erhaltung der Unterkunft verknüpft sind. Der monatlichen Mietschuld des Mieters entspricht der monatliche Darlehenszins des Eigentümers für das hierfür aufgenommene Immobiliendarlehen, weshalb der vereinbarungsgemäß zu zahlende Kreditzins als Gegenleistung für die Überlassung der Darlehenssumme dem Grunde nach zu übernehmen ist2. Selbst die vollständige Übernahme der von der Bank gestellten Schadensersatzforderung würde aber in keiner Weise rechtlich der Erhaltung der Unterkunft dienen, da die Bank wegen der fälligen Hauptforderung die Vollstreckung in das Grundstück betreiben kann und auch betrieben hat. Der Grundsicherungsträger ist aber zur Erstattung nur derjenigen Kosten verpflichtet, die dem Leistungsempfänger ein Nutzungsrecht vermitteln können. Hier resultiert das Nutzungsrecht bereits aus dem Eigentum; eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung eines Kreditzinses besteht nicht.
Die Bank hat im vorliegenden Fall mit dem Kläger auch keinen Vertrag geschlossen, der die Rückzahlung der Schulden unter Verhinderung von Vollstreckungsmaßnahmen regelt3, so dass nicht entschieden werden muss, ob ein erkaufter bloßer Vollstreckungsschutz ausreichend ist, um die dafür anfallenden Kosten als Aufwendungen für die Unterkunft im Sinne des § 22 SGB II qualifizieren zu können4.
Auch aus dem Urteil des Bundessozialgerichts – B 14/11b AS 67/06 – ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Das Bundessozialgericht hatte in dem genannten Urteil über die Frage zu entscheiden, ob (ausnahmsweise) Tilgungsleistungen als Bestandteil der Finanzierungskosten einer selbst genutzten Eigentumswohnung vom Grundsicherungsträger zu übernehmen sind. Die hier im Streit stehenden Zinsforderung der Bank (Verzugszinsen) dienen jedoch nicht der Finanzierung des Eigenheims, sondern dienen dem Ersatz des Schadens, der durch die nicht (rechtzeitige) Zahlung der vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen an die Bank entstanden ist.
Nicht entscheiden muss das Landessozialgericht Baden-Württemberg vorliegend, ob sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung, wonach Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind, etwas anderes ergibt. Denn für den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen von Juli bis Dezember 2010 ist die Fassung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bis 31. Dezember 2010 maßgebend.
Ergänzend weist das Landessozialgericht darauf hin, dass auch ein Anspruch gemäß § 22 Abs. 5 SGB II nicht besteht. Gemäß § 22 Abs. 5 können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden kommt bereits deshalb nicht in Betracht, da die derzeitigen neuen Unterkünfte der Kläger gesichert sind. Die Kläger wohnen nicht mehr in ihrem früheren Eigenheim, sodass eine Schuldübernahme mit Hilfe eines Darlehens zur Behebung einer sonst drohenden Wohnungslosigkeit nicht mehr in Betracht kommt. Hinzu kommt, dass es sich bei den Schulden wegen Verzuges nicht um KdU handelt (s.o.). Schließlich ist auch die fällig gestellte gesamte Hauptschuld nicht zu übernehmen, da es nicht ansatzweise gerechtfertigt ist, im Falle einer zusammengebrochenen privaten Finanzierung den Erhalt von Grundeigentum mit einem steuerfinanzierten Darlehen von über 300.000 € zu ermöglichen5.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2012 – L 13 AS 3213/11
- ebenso: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.05.2008 – L 2 B 94/07 AS-ER; Beschluss vom 07.11.2008 – L 2 B 152/08 AS-ER; SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 06.11.2008 – S 15 AS 893/05; SG Neuruppin, Beschluss vom 22.08.2011 – S 26 1090/11 ER [mit Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 – L 10 AS 823/11B ER][↩]
- LSG Sachsen-Anhalt und LSG Baden-Württemberg, a.a.O.[↩]
- vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.08.2010 – L 7 AS 3572/10 ER-B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.11.2008 – L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.; vgl. aber auch LSG Saarland, Urteil vom 13.40.2010 – L 9 AS 18/09[↩]
- so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.11.2008 – L 2 B 152/08 AS ER, a.a.O.[↩]
- vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg – L 14 B 224/06 AS ER[↩]