Die Kosten für die Erteilung eines Postnachsendeauftrags können als Umzugskosten erstattet werden, § 22 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB II a. F.
Das Sozialgericht Mannheim hat einem Kläger diese Kostenerstattung zugesprochen, nachdem dieser vom Beklagten aufgefordert worden war, seine Unterkunftskosten zu senken und daraufhin umgezogen war. Der Beklagte hatte die Erstattung der Kosten eines anlässlich seines Umzugs erteilten Postnachsendeauftrags als weitere Umzugskosten auf der Grundlage des SGB II abgelehnt.
Nach § 22 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB II a.F. können Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Dabei sind die Umzugskosten in Abgrenzung zu den Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II auf die „eigentlichen Kosten“ des Umzugs „im engeren Sinne“ zu begrenzen1.
Gemessen hieran sind die dem Kläger durch den Postnachsendeauftrag entstandenen Kosten in Höhe von 15,20 EUR als „eigentliche Kosten“ des Umzugs zu qualifizieren, da sie in unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Umzug angefallen sind.
Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Beklagte die von § 22 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB II a.F. geforderte Zusicherung zur Übernahme der Umzugskosten in Gestalt der Kosten für die Erteilung des Postnachsendeauftrags nicht erteilt hat. Denn abgesehen davon, dass es ausnahmsweise dann keiner vorherigen Zusicherung bedarf, wenn der Leistungsträger diese treuwidrig verweigert hat2, konnte der Kläger, nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2010 seine Zusicherung zur Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in der neu angemieteten Wohnung erteilt hat, auch davon ausgehen, dass die notwendigen Kosten nach § 22 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB II a.F. übernommen werden. Denn mit dieser Zusicherung hat der Beklagte die Erforderlichkeit des anstehenden Umzugs hinreichend zum Ausdruck gebracht3.
Jedenfalls aber darf dem Beklagten nicht zum Vorteil gereichen, dass er den (rechtzeitig gestellten) Antrag des Klägers in rechtswidriger Weise abgelehnt und daher auch die Zusicherung nicht erteilt hat4.
Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der Begriff der Umzugskosten restriktiv auszulegen ist. Diese Abgrenzung hat sich jedoch in erster Linie – wie bereits das LSG Baden-Württemberg zutreffend festgestellt hat – an den regelmäßig anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II zu orientieren. Das Gericht folgt daher der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur5, wonach auch sog. „Zusammenhangskosten“ dem Begriff der Umzugskosten unterfallen.
Bei den Kosten eines Nachsendeauftrags handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts schon deshalb um die „eigentlichen Kosten“ des Umzugs „im engeren Sinne“, da sie zwangsläufig mit einem Umzug einhergehen. Denn andernfalls wäre es dem Kläger nicht möglich, seine postalische Erreichbarkeit im Allgemeinen und gegenüber dem Beklagten im Besonderen zu gewährleisten. Der Vortrag des Beklagten, dem Kläger habe die Möglichkeit offen gestanden, seine Post bei seinem alten Vermieter abzuholen, überzeugt nicht. Denn zum einen setzt dies die Bereitschaft des ehemaligen Vermieters voraus, Post für den Kläger aufzubewahren; dafür fehlt es bereits an entsprechenden Anhaltspunkten. Zum anderen liefe der Kläger Gefahr, dass seine Poststücke vom Briefträger nicht in den Briefkasten des Vermieters eingeworfen werden.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB II in der Fassung vom 24. Dezember 2003 alle Möglichkeiten zur (Beendigung oder) Verringerung von Hilfebedürftigkeit ausschöpfen müssen und sich daher grundsätzlich die Frage stellt, ob es einem über eine Telefonflatrate verfügenden Hilfebedürftigen zumutbar ist, Freunde, Bekannte, Behörden und Firmen telefonisch von seiner Adressänderung zu unterrichten ohne darüber hinaus einen Postnachsendeauftrag zu erteilen. Die postalische Erreichbarkeit des Klägers in der Übergangszeit des Wohnungswechsels wird durch eine fernmündliche oder schriftliche Unterrichtung der Betroffenen indes nicht in gleicher Weise wie durch einen Postnachsendeauftrag gewährleistet.
Die Zweifel des Beklagten an der Authentizität des Postnachsendeauftrags teilt das Gericht nicht. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei nicht nachgewiesen, dass die Kosten für den Nachsendeservice in zeitlichem Zusammenhang mit dem Umzug zum 1. August 2010 angefallen seien, und sich diesbezüglich auf die vom Kläger vorgelegte und auf den 12. Mai 2011 datierende Quittung der Deutschen Post AG bezieht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung.
Abgesehen davon, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Durchschlag des Auftrags für den Nachsendeservice zum 1. August 2010 vorgelegt hat, hält das Gericht auch die Einlassung des Klägers, die Quittung trage deshalb das Datum 12. Mai 2011, weil er den ursprünglichen Zahlungsnachweis seinen Bevollmächtigten übergeben habe, dieser aber nun nicht mehr auffindbar sei, für nachvollziehbar. Denn dem Gericht ist ein weiteres Verfahren bekannt, in dem eine Klägerin, die ebenfalls durch die in diesem Rechtsstreit auftretenden Bevollmächtigten vertreten worden war, das nachträgliche Fehlen von an die Kanzlei übermittelten Unterlagen gerügt hat.
Darüber hinaus ist der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr umgezogen, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb der Kläger nochmals einen Postnachsendeauftrag erteilt haben sollte. Dass er im Mai dieses Jahres erstmalig einen Postnachsendeauftrag erteilt hat, um seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen, hält das Gericht nicht nur in Anbetracht des vorgelegten Durchschlags für abwegig.
Obwohl dem Beklagten hinsichtlich der Übernahme der Umzugskosten grundsätzlich ein Ermessen zusteht, war wegen Ermessensreduktion auf Null eine über ein bloßes Bescheidungsurteil hinausgehende Verurteilung des Beklagten möglich.
Denn die Konstellation einer Ermessensreduzierung auf Null ist zu bejahen, wenn sich die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung auf eine einzige verdichten6. Dabei ist zu beachten, dass das Ermessen des kommunalen Trägers zur Erteilung der Zusicherung in den Fällen eingeschränkt ist, in denen er den Umzug veranlasst hat oder dieser aus anderen Gründen notwendig ist7.
Ausgehend hiervon liegt ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, da der Beklagte den Kläger zum Umzug veranlasst und seine Zusicherung zur Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für die neue Wohnung erteilt hat. Er war demzufolge auch verpflichtet, die Umzugskosten in Gestalt der Kosten für den Postnachsendeservice zu tragen.
Sozialgericht Mannheim, Urteil vom 12. Dezember 2011 – S 10 AS 4474/10
- LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.09.2010 – L 1 AS 2177/10; s. auch Piepenstock, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn. 182 m.w.N.[↩]
- s. hierzu SG Dresden, Beschluss vom 06.06.2006 – S 23 AS 838/06 ER[↩]
- SG Dresden, aaO, Rn. 62 m.w.N.[↩]
- SG Freiburg, Urteil vom 18.06.2010 – S 6 AS 185/08[↩]
- SG Dresden, aaO, Rn. 68; Berlit, in: Münder [Hrsg.], Sozialgesetzbuch II, 4. Aufl. 2011, § 22 Rn. 166[↩]
- Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl. 2006, § 114 Rn. 128 m.w.N.[↩]
- Piepenstock, aaO, § 22 Rn. 174[↩]





