Übernahme von Renovierungskosten

Für die Übernahme von Kosten einer Wohnungsrenovierung ist es unerheblich, dass zwischenzeitlich ein Dritter die Kosten bis zur endgültigen Klärung der Leistungspflicht des Beklagten getragen hat.

Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg1 aufgehoben. Im hier vorliegenden Fall bezieht der Kläger seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er leidet unter einer schizophrenen Psychose und lässt sich deswegen in Behörden- und Wohnungsangelegenheiten von seiner Mutter vertreten. Er lebte seit 1996 bis zum 31.1.2005 allein in einer von seiner Mutter für ihn angemieteten, 22 qm großen Einzimmerwohnung. Vor der Rückgabe der Wohnung an den Vermieter am 31.5.2005 ließ er die in einem Vorabnahmeprotokoll im Einzelnen bezeichneten Renovierungsarbeiten von dem Unternehmen „M“ e.V., einem Verein zur Förderung der Selbsthilfe, durchführen und zahlte hierfür im April und Mai 2005 insgesamt 800 Euro. Nachdem der Antrag auf Übernahme der Renovierungskosten abgelehnt worden war, hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben. Dort ist der Klage stattgegeben und der Beklagte antragsgemäß verurteilt worden, dem Kläger 800 Euro zu gewähren2. Auf die Berufung des Beklagten ist dieses Urteil aufgehoben worden1. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Der Kläger hat – so das Bundessozialgericht – als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, der die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II umfasst. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts hat er über die laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung hinaus Anspruch auf die Übernahme der Renovierungskosten.

Rechtsgrundlage für die Übernahme von Renovierungskosten bei Auszug aus einer bis dahin innegehabten Wohnung ist § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, sofern sie angemessen sind. Um berücksichtigungsfähige Kosten handelt es sich dem Grunde nach auch bei vertraglich vereinbarten Renovierungskosten, die bei Auszug aus der Wohnung tatsächlich anfallen. Solche Kosten sind wie mietvertraglich vereinbarte Zuschläge für Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis3 und Renovierungskosten bei Einzug in eine Wohnung4 nicht mit der Regelleistung abgedeckt, sondern unterfallen nach Wortlaut des § 22 SGB II und aus systematischen Gesichtspunkten den Kosten der Unterkunft5. Ob sie dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn dem Auszug aus der Wohnung vom Träger der Grundsicherung ausdrücklich nicht zugestimmt worden ist6, kann offen bleiben, denn für einen solchen Sachverhalt liegen keine Anhaltspunkte vor.

Unerheblich ist, ob die Mutter des Klägers oder der Kläger selbst Vertragspartei des Mietverhältnisses war. Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft eines Hilfebedürftigen gehören die laufenden wie auch die einmaligen Kosten der Unterkunft, soweit sie durch die Nutzung der Wohnung durch den Hilfebedürftigen tatsächlich entstehen und von ihm getragen werden müssen, unabhängig davon, wer dem Vermieter (oder einem Dritten) gegenüber vertraglich verpflichtet ist7. Entscheidend ist für die Berücksichtigungsfähigkeit der einmalig angefallenen Renovierungskosten (wie auch der laufenden Kosten) als Kosten der Unterkunft des Klägers damit, dass dieser nach den Feststellungen des Landessozialgerichts die Wohnung allein genutzt hat, er seiner Mutter im Innenverhältnis zum Ausgleich der dadurch entstehenden Kosten verpflichtet war, und die Unterkunftskosten damit allein auf ihn entfielen8. Diese Feststellungen hat der Beklagte nicht mit zulässigen Rügen angegriffen.

Auf die Frage, ob der Kläger bzw seine Mutter zivilrechtlich wirksam zur Tragung der Renovierungskosten verpflichtet war9, kommt es vorliegend nicht an. Die streitigen Kosten gehören schon deshalb zu den berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft, weil der Kläger langfristig vor Eingehung eigener Verpflichtungen gegenüber dem durchführenden Unternehmen sein Anliegen an den Beklagten herangetragen, der Beklagte aber zu diesem Zeitpunkt nicht auf die mögliche Unwirksamkeit der mietvertraglichen Klausel hingewiesen hat. Der Beklagte ist vielmehr davon ausgegangen, dass aus der Klausel im Mietvertrag eine entsprechende Verpflichtung zur Renovierung erwächst, und hat in seiner ablehnenden Ausgangsentscheidung vom 11.2.2005 lediglich Ausführungen zur Unangemessenheit der geltend gemachten Kosten der Höhe nach und der Möglichkeit der anderweitigen Deckung der Kosten (durch die ausgekehrte Kaution) gemacht. Wird der Träger der Grundsicherung aber rechtzeitig vor Eingehung entsprechender Verpflichtungen gegenüber Dritten mit der begehrten Übernahme der Kosten befasst, kann er sich – sofern die Voraussetzungen für die Kostenübernahme im Übrigen vorlagen – im Nachhinein nicht auf die Unwirksamkeit einer Klausel wegen durchzuführender Renovierungen berufen. Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 22 Abs 1 Satz 2 (jetzt Satz 3) SGB II, wonach eine Begrenzung angefallener Kosten grundsätzlich nur nach vorangegangenem Hinweis auf ihre Unangemessenheit in Betracht kommt10.

Die berücksichtigungsfähigen Kosten stellen sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts auch in vollem Umfang als angemessen dar. Die Angemessenheit von Renovierungskosten bei Ende des Mietverhältnisses muss unabhängig von der Angemessenheit der laufenden Kosten der Unterkunft bestimmt werden11. Gehören sie zu den Kosten, die üblicherweise anfallen, besteht ein Anspruch auf ihre Übernahme im Rahmen des Angemessenen insbesondere auch, wenn sie zur Kostensenkung bei Auszug aus einer im Übrigen unangemessen teuren Wohnung anfallen. Der Umfang der durchgeführten Arbeiten und die dafür vom Unternehmen in Rechnung gestellten Kosten geben nach den Feststellungen des Landessozialgerichts keinen Anlass, an der Angemessenheit der Kosten zu zweifeln, zumal der Kläger nicht wie ursprünglich geplant Handwerksbetriebe, sondern den vom Beklagten vorgeschlagenen „M“ e.V. beauftragt hat. Dabei ist nach den Feststellungen des Landessozialgerichts ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Kläger die Renovierungsarbeiten aufgrund seiner Erkrankung nicht in Eigenregie durchgeführt hat12.

War die Ablehnung des Beklagten mit Bescheid vom 11. Februar 2005 damit rechtswidrig, hat der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der in Folge entstandenen Kosten13. Ein weiteres Zuwarten auf den Ausgang des Verfahrens bis zur Klärung der endgültigen Leistungspflicht des Beklagten war ihm nicht zumutbar, wovon auch das Landessozialgericht und der Beklagte ausgehen. Er war berechtigt, nach der Ablehnung seines rechtzeitig gestellten Antrags durch den Beklagten die Renovierungsarbeiten unverzüglich in Auftrag zu geben, damit eine ordnungsgemäße Wohnungsübergabe fristgerecht zum Ende des Mietverhältnisses erfolgen konnte.

Die zwischenzeitliche Zahlung des Stiefvaters des Klägers im Hinblick auf die gegenüber dem „M“ e.V. eingegangenen Verpflichtungen ist nicht als Einkommen des Klägers zu werten, das den Bedarf entfallen lässt. Aus dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II folgt zwar keine Definition dessen, was Einkommen ist. Lediglich die im zweiten Satzteil genannten Leistungen sind von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen. Mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Arbeitslosenhilfe14 und des Bundesverwaltungsgerichts zum Einkommensbegriff im Wohngeldrecht15 kann auch im Anwendungsbereich des § 11 Abs 1 SGB II nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung jedoch nicht als Einkommen qualifiziert werden. Nur der „wertmäßige Zuwachs“ stellt Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Leistungsberechtigten zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit in Höhe der Zuwendungen dauerhaft entfallen. Insoweit ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu unterscheiden zwischen Geldzahlungen oder Sachleistungen, die einem SGB II-Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden16, und einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne des BGB gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist17.

Dieser Systematik entsprechend stellen auch Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig vom Grundsicherungsträger abgelehnte Leistung wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren und nur für den Fall des Obsiegens zurückgezahlt werden sollen, kein Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II dar. Sie entbinden den Grundsicherungsträger nicht von seiner Leistungsverpflichtung. Wie im Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch und des Bundessozialhilfegesetzes kann dem Hilfesuchenden eine zwischenzeitliche Selbstbeschaffung der begehrten Leistung unter dem Gesichtspunkt einer „Zweckverfehlung“ der ursprünglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden18. Gerade wegen der Unaufschiebbarkeit des Bedarfs muss vom Hilfebedürftigen bis zur endgültigen Klärung der Leistungspflicht des Trägers der Grundsicherung übergangsweise eine andere Regelung gefunden werden. Soweit es nicht möglich ist, die Verpflichtungen aus eingegangenen Verbindlichkeiten stunden zu lassen, bleibt es dem Hilfebedürftigen etwa unbenommen, zu marktüblichen Konditionen ein verzinsliches Darlehen aufzunehmen. Soweit dadurch unabwendbar Mehrkosten entstehen, sind auch sie ggf vom Träger der Grundsicherung zu erstatten19. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn Hilfebedürftige vorrangig auf freiwillige und kostengünstigere Angebote Dritter zurückzugreifen, die auf freundschaftlicher oder familiärer Verbundenheit beruhen.

Einen ursprünglich bestehenden Anspruch lassen solche Bemühungen dann nicht entfallen, wenn feststeht, dass dem Dritten im Falle des Obsiegens die zugewandten Leistungen zurückerstattet werden. Dies hat das Landessozialgericht vorliegend festgestellt; zulässige Rügen hat der Beklagte hiergegen nicht erhoben. Die Zuwendung sollte damit nicht im oben dargestellten Sinne zum endgültigen Verbleib beim Kläger und einem wertmäßigen Zuwachs seines Vermögens führen. Welche Vereinbarungen zwischen ihm und seinem Stiefvater für den Fall getroffen worden sind, dass ein Anspruch gegenüber dem Beklagten im Ergebnis eines Widerspruchs- und Klageverfahrens nicht besteht, ist unerheblich.

Ob und in welchen Fällen eine vom Vermieter zurückzuzahlende Kaution, auf die der Beklagte in seiner ablehnenden Entscheidung als Möglichkeit zur Bedarfsdeckung hingewiesen hat, als Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II (und nicht als Vermögen) zu berücksichtigen ist, kann vorliegend offen bleiben. Vor Einführung des § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II zum 1. August 2006 fehlte jedenfalls eine Regelung, wonach eine mit einem Mietverhältnis in Zusammenhang stehende Rückzahlung unmittelbar den Bedarf für die Unterkunft mindert20. Im Übrigen mindert die Rückzahlung einer Kaution, sofern sie Einkommen darstellt, den aktuellen Bedarf im Zeitpunkt des Zuflusses (bzw im Folgemonat: vgl § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung), nicht dagegen einen bereits vor Zufluss bestehenden Renovierungsbedarf.

Bundessozialgericht, Urteil vom 6. Oktober 2011 – B 14 AS 66/11 R

  1. LSG Hamburg, Urteil vom 04.05.2010 – L 5 AS 55/07[][]
  2. SG Hamburg, Urteil vom 05.09.2007 – S 53 AS 1035/05[]
  3. dazu BSG, Urteil vom 19.03.2008 – B 11b AS 31/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 10[]
  4. dazu BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16[]
  5. vgl bereits BVerwGE 90, 160[]
  6. so BVerwGE 90, 160[]
  7. entsprechend zu Kosten bei Nutzung eines Hausgrundstücks BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 61/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18 am Ende[]
  8. dazu auch BSG, Urteil vom 200.8.2009 – B 14 AS 34/08 R[]
  9. zur Wirksamkeit sog Rückgabeklauseln vgl nur Blank in Blank/ Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 535 BGB RdNr 396 ff[]
  10. vgl zu Hinweispflichten bei einer Staffelmietvereinbarung BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 23[]
  11. vgl für Kosten der Renovierung bei Einzug BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 = SozR 4-4200 § 22 Nr 16[]
  12. zur Verpflichtung von Hilfebedürftigen, Kosten im Grundsatz durch entsprechende Eigenleistungen zu minimieren, vgl BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R , BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, RdNr 19[]
  13. dazu bereits BSG, Urteile vom 19.08.2010 – B 14 AS 10/09 R, SozR 4-4200 § 23 Nr 10 RdNr 22 und – B 14 AS 36/09 R; Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R , BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 21[]
  14. BSGE 58, 160 = SozR 4100 § 138 Nr 11; SozR 4100 § 138 Nr 25[]
  15. stRspr seit BVerwGE 54, 358; BVerwGE 69, 247[]
  16. vgl etwa BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 32/08 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 17[]
  17. BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R, BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30[]
  18. vgl BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 11 und BVerwGE 96, 152, 157[]
  19. dazu BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R, BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 35[]
  20. BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 37[]