Das in der Betriebskostenabrechnung ausgewiesene Guthaben ist grundsätzlich als Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 SGB II in Verbindung mit der Sonderregelung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen, was er bereits vor Antragstellung hatte. Dabei ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend. Auch für Rückerstattungen von Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ist nicht von dieser Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als Differenzierungskriterium zwischen Einkommen und Vermögen abzuweichen1.
Nach der Sonderregelung zur Einkommensanrechnung von Rückzahlungen und Guthaben des § 22 Abs 1 S 4 SGB II2 mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Mit der unklaren Formulierung „mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung“ wird zum Ausdruck gebracht, dass eine unmittelbare Anrechnung der Guthaben auf die Kosten der Unterkunft und Heizung und ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11 Abs 2 SGB II, nicht jedoch eine abweichende individuelle Bedarfsfestsetzung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung des Folgemonats, erfolgen soll. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist eine Sonderregelung zur Anrechnung von Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, die eingeführt wurde, um den mit der Einkommensberücksichtigung nach § 11 SGB II häufig einhergehenden Abzug der Versicherungspauschale zu vermeiden und zugleich die Anrechnung des Guthabens dem kommunalen Träger zugute kommen zu lassen3. § 22 Abs 1 S 4 SGB II verändert für Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, lediglich die in § 19 S 3 SGB II4 bestimmte Reihenfolge der Berücksichtigung von Einkommen und modifiziert den Zeitpunkt der Anrechnung in Bezug auf die Zuflusstheorie und – durch die ausdrückliche gesetzliche Zuordnung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung – die Regelungen des § 11 Abs 2 SGB II5.
Es handelt sich hier um ein Guthaben, das dem Bedarf für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs 1 S 4 SGB II zuzuordnen ist. § 22 Abs 1 S 4 SGB II ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) zu berücksichtigen ist, wenn es sich (aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen o.Ä.) im Monat der Gutschrift oder später tatsächlich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgewirkt hat6. Zwar könnte hierfür die Fassung des Gesetzes sprechen („mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung“ anstelle „sind als Einkommen bei der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen“). Eine derart weitgehende Ankoppelung der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens als Einkommen an Vereinbarungen und ein tatsächliches Handeln des Vermieters und/oder des Leistungsberechtigten ist mit dieser Regelung jedoch nicht verbunden. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber insoweit vom Einkommensbegriff des § 11 SGB II abweichen und Einkommen nur dann berücksichtigen wollte, wenn der Vermieter oder der Leistungsberechtigte dieses Guthaben auch für einen bestimmten Zweck tatsächlich verwenden.
Der Anwendung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II steht auch nicht entgegen, dass das Betriebskostenguthaben aus einem früheren Mietverhältnis stammt. Eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 1 S 4 SGB II nicht. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass während der Hilfebedürftigkeit zugeflossenes Einkommen zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist und bei der Anrechnung von Einkommen regelmäßig auf den Zeitraum des Erzielens von Einkommen in Geld oder Geldeswert und nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem es „erwirtschaftet“ wurde7. Über die in der Literatur diskutierte Frage, ob das Guthaben von vornherein nur teilweise berücksichtigt werden kann, weil die Ansparung aus einer Zeit stammt, in welcher der Leistungsträger nicht die tatsächlichen, sondern nur die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen hat8, musste das Bundessozialgericht hier nicht entscheiden, weil der Beklagte – nach Aktenlage – die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat.
Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 132/11 R
- vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 16 mwN; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5, RdNr 37; s aber BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 42, RdNr 12 zur Stromkostenerstattung und BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16, RdNr 17 für den Ausnahmefall, dass mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde[↩]
- in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I 1706; nunmehr – in geringfügig veränderter Fassung des § 22 Abs 3 SGB II idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011[↩]
- BT-Drucks 16/1696 S 26[↩]
- idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl I 1706[↩]
- vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 139/11 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 55, RdNr 17 ff; siehe auch BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 159/11 R[↩]
- so LSG Hamburg, Urteil vom 16.07.2009 – L 5 AS 81/08, NZS 2010, 230[↩]
- BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 17, RdNr 23 ff[↩]
- vgl hierzu z.B. Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 116[↩]





