Jugendbett statt Kinderbett

Der besondere Aufwand für die Anschaffung eines Jugendbettes (100 x 200 cm) im Austausch für ein Gitterbett für Kleinkinder (140 x 70 cm) ist als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung zu decken und nicht von den Leistungen für Erstausstattung umfasst.

Soweit der Kläger die Erstattung von Kosten für die Anschaffung des Bettgestells nebst Lattenrost begehrt, ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG statthafte Klageart. Zwar hat nach der gesetzlichen Systematik der Hilfebedürftige einen gebundenen Rechtsanspruch nur im Hinblick auf das „ob“ – und nicht auf das „wie“ der Leistungserbringung im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung, denn nach § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II a.F. (jetzt § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II) steht es im pflichtgemäßen Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers, ob er die Leistung als Sachleistung oder als ggf. pauschalierte Geldleistung erbringt. Beschafft sich jedoch der Hilfebedürftige die im Streit stehenden Gegenstände endgültig selbst, richtet sich das Begehren des Hilfebedürftigen dann ausschließlich auf eine Geldleistung, die allein im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen ist1. Insoweit besteht bei (zwischenzeitlicher) Selbstbeschaffung ein Kostenerstattungsanspruch2. Voraussetzung ist, dass es sich um unaufschiebbare Sozialleistungen (also in Eil- und Notfällen) gehandelt und der Leistungsträger nicht rechtzeitig entschieden hat oder dass die Leistungsablehnung in rechtswidriger Weise erfolgte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen wandelt sich auch im Anwendungsbereich des SGB II ein Sachleistungsanspruch in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch um3. Die Voraussetzungen hierfür liegen indes nicht vor, denn weder war die Entscheidung des Beklagten nicht rechtzeitig, noch hat er die Leistung rechtswidrig abgelehnt.

Der Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 7 Abs. 2 SGB II. Danach erhalten Leistungen auch Personen, die mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Mutter des Klägers ist erwerbsfähige Hilfebedürftige i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Kläger gehört als ihr Kind ihrem Haushalt an und ist damit als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) selbst berechtigt zum Bezug laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sozialgeld nach § 7 Abs. 2, 28 Abs. 1 SGB II a.F. bzw. jetzt § 23 Nr. 1 SGB II), denn er kann mit seinem eigenen Einkommen seinen Bedarf nicht decken.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II a.F. (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II) sind Bedarfe für Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung/dem Regelbedarf umfasst und werden gesondert erbracht. Voraussetzung für die Übernahme der Kosten für die Anschaffung des Bettes nebst Lattenrost ist danach, dass es sich um eine Erstausstattung handelt. Dabei ist die Vorschrift bedarfsbezogen und nicht rein zeitlich zu verstehen4. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. ist erst auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 16.12.20035 in das SGB II aufgenommen worden. In der Begründung des Gesetzesentwurfs zu der entsprechenden Regelung im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) wird auf die frühere Regelung des § 21 Abs. 1a Bundessozialhilfegesetz Bezug genommen und ausgeführt, dass Leistungen für Erstausstattung nicht nur im Zusammenhang mit der Erstanmietung einer Wohnung, sondern auch durch „neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände“ begründet sein können, etwa nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft6. Mit dieser nicht abschließenden Aufzählung sind Konstellationen erfasst, in denen es gerade nicht um die erstmalige Ausstattung einer Wohnung überhaupt geht, sondern um eine Ersatzbeschaffung schon früher vorhandener Gegenstände. Dabei können Gegenstand der Erstausstattung auch einzelne Gegenstände sein7. Abzugrenzen sind Leistungen für Erstausstattung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. jedoch vom Erhaltungs-, Ergänzungs- und Ersatzbeschaffungsbedarf, der von der Regelleistung bzw. dem Regelbedarf umfasst ist.

Hinsichtlich des Bedarfs von Kindern an Bekleidung hat das BSG im Urteil vom 23.03.20108 ausgeführt, dass zwar mit jedem Wachstumsschritt bei Kindern ein Bedarf für ein bestimmtes Kleidungsstück in einer bestimmten Größe „erstmalig“ entstehe, gleichwohl jedoch gerade bei Kindern die Notwendigkeit, Kleidungsstücke sowohl wegen des Wachstums als auch des erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabschnitten zu ersetzen, zu dem regelmäßigen Bedarf gehöre. Der insoweit im Unterschied zu Erwachsenen entstehende wachstums- und verschleißbedingte besondere Aufwand sei als kindspezifischer regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung abzudecken9

Nach Auffassung des Senats sind diese Grundsätze auch auf die Bedarfe von Kindern hinsichtlich des Mobiliars zu übertragen10. Insoweit kommt einem Jugendbett keine grundsätzlich andere Funktion als einem Gitterbett für einen Säugling bzw. ein Kleinkind zu, denn beide dienen als Bett dem Grundbedürfnis zu schlafen. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers wird insoweit lediglich ein kleines Bett gegen ein wegen des Wachstums des Kindes erforderliches größeres Bett eingetauscht, so dass es sich um eine Ersatzbeschaffung handelt. Die Rechtslage ist daher nicht anders zu beurteilen als im Falle der Bekleidung, bei der ebenfalls zu kleine Bekleidungsstücke durch größere ersetzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Mobiliar ohne das Wachstum des Kindes noch verwendet werden könnte, also nicht abgenutzt ist. Auch Kinderbekleidung wird wegen des Wachstums des Kindes häufig nicht verschlissen und unbrauchbar sein, kann jedoch gleichwohl von dem Kind nicht mehr genutzt werden – weshalb keineswegs nur bei unteren Einkommensgruppen der Handel mit gebrauchtem Kinderbedarf weit verbreitet ist. Insoweit sind die weiteren vom Bevollmächtigten des Klägers genannten Beispiele wie Schülerschreibtisch und Stuhl oder Kleiderschrank mit der hier vorliegenden Konstellation des Austausches eines Bettes nicht unmittelbar zu vergleichen, denn etwa bei einem Schülerschreibtisch entsteht – sofern überhaupt ein Bedarf angenommen wird11 dieser jedenfalls erstmalig mit der Einschulung neu. In Abgrenzung dazu ist der regelmäßig auftretende kindspezifische Bedarf nach Anpassung des vorhandenen Mobiliars an die altersspezifischen Bedürfnisse des Kindes aus dem Regelbedarf zu finanzieren. Dessen Höhe ist indes nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Auch andere Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch sind nicht ersichtlich, er lässt sich auch nicht aus Verfassungsrecht herleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.02.201012 zwar u.a. § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1. Alt. SGB II a.F. i.V.m. § 20 Abs. 1 SGB II für verfassungswidrig erklärt, weil der Gesetzgeber die Regelleistung für Kinder von der Regelleistung für Erwachsene abgeleitet hatte, ohne zuvor den kindspezifischen Bedarf zu ermitteln. Im Grundsatz hat das BVerfG aber die systematische Herleitung der Regelleistung auf der Grundlage des Statistikmodells nicht beanstandet und für zulässig erachtet, dass die Leistung in Abweichung vom früheren System der Sozialhilfe mit einer Vielzahl von einmaligen Leistungen als monatlicher Festbetrag gewährt wird. Auch bezogen auf die Regelleistung für Kinder hat das BVerfG nicht feststellen können, dass die Regelleistung evident unzureichend wäre13. Insoweit sind über den Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. hinaus die Leistungen für Kinder auch nicht um einen einmaligen Zuschuss zu erhöhen14. Bei der Ermittlung des ab 1.01.2011 maßgebenden Regelbedarfs sind die kindspezifischen Bedarfe dadurch berücksichtigt, dass in die statistische Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe auch Familienhaushalte aufgenommen worden sind (§ 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII vom 24.03.2011 – RBEG15). Der übliche, kindspezifische Bedarf, zu dem auch ein größeres Bett gehört, ist daher vom Regelbedarf erfasst und gehört nicht zu den Konstellationen, die über die einmaligen Bedarfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F./§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II gedeckt werden sollen. Ob die hier getätigten Aufwendungen der Höhe nach erforderlich waren, bedarf daher keiner Entscheidung.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13. September 2012 – L 12 AS 639/12

  1. vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 36/09 R[]
  2. vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2010, a.a.O.[]
  3. vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R, BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 41[]
  4. vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 64/07 R, BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr. 2; BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R – SozR 4-4200 § 23 Nr. 5[]
  5. BT-Drucks. 15/2259 S. 3[]
  6. BT-Drucks. 15/1540 S. 60[]
  7. vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008, a.a.O. – Waschmaschine[]
  8. BSG, Urteil vom 29.03.2010, a.a.O.[]
  9. BSG, a.a.O.[]
  10. a.A. Münder in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 24 Rdnr. 34[]
  11. vgl. hierzu einerseits SG Berlin, Urteil vom 15.02.2012 – S 174 AS 28285/11; andererseits SG Aachen, Urteil vom 09.01.2007 – S 11 AS 96/06[]
  12. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09[]
  13. BVerfG, a.a.O., Rdnr. 155[]
  14. vgl. BSG, Urteil vom 23.03.2010, a.a.O.[]
  15. BGBl. I S. 453[]