Freiwilliges Soziales Jahr

Einkünfte, die ein Grundsicherungempfänger im Rahmen der Ableistung eines Freiwilligen Sozialen Jahres als monatliches Taschengeld, Verpflegungs- und Wohngeld bezieht, ist als Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB 2 zu berücksichtigten. Ein Erwerbstätigenfreibetrag ist neben dem Abzugsbetrag nach § 1 Abs 1 Nr 13 AlG 2-VO nicht anzusetzen.

Es handelt sich bei dem Einkommen aus dem FSJ um zu berücksichtigendes Einkommen gem. § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II. Dass dieses Einkommen anzurechnen ist, ergibt sich insbesondere aus § 4 S. 1, 2 Nr. 4 AlG II-VO. Dort ist nämlich geregelt, dass für die Berechnung von Einnahmen aus Freiwilligendienstverhältnissen § 2 entsprechend anwendbar ist. § 1 Abs. 2 Nr. 13 AlG II-VO bestimmt außerdem, dass ein Teil des Taschengeldes aus dem Jugend- und Bundesfreiwilligendienstes nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Wären die Einkünfte aus dem FSJ von vornherein nicht berücksichtigungsfähig, hätte es dieser Vorschriften nicht bedurft.

Insbesondere handelt es sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme gem. § 11a Abs. 3 S. 1 SGB II. Demnach ist Einkommen anrechnungsfrei, wenn es anderen Zwecken als den der Leistungen des SGB II dient. Das Einkommen setzt sich aus Taschengeld, Wohngeld und Verpflegungskosten zusammen. Taschengeld und Verpflegungskosten sind die typischen Anwendungsfälle der Regelleistung i.S.v. § 20 Abs. 1 SGB II, Wohngeld ist die typische Leistung nach § 22 SGB II. Das Einkommen ist daher nicht privilegiert1, es dient demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II.

Das Einkommen ist auch nicht nach § 11a Abs. 4 SGB II privilegiert, da es keine Zuwendung der freien Wohlfahrtspflege darstellt. Das würde nämlich voraussetzen, dass die Zuwendung einem anderen Zweck als die Leistung nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen würde, dass daneben Leistungen nach dem SGB II gerechtfertigt wären. Die Leistungen dienen aber gerade dem Zweck des SGB II.

Von dem Einkommen aus dem FSJ in Abzug zu bringen ist der Freibetrag gem. § 1 Abs. 1 Nr. 13 AlG II-VO in Höhe von 60 € monatlich.

Die Versicherungspauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlG II-VO in Höhe von 30 € i.V.m. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist in Ansatz zu bringen.

Weitere Freibeträge, insbesondere wegen Erwerbstätigkeit, sind nicht zu gewähren. Das FSJ stellt keine Erwerbstätigkeit dar, sondern dient der Gemeinnützigkeit. Es wird gerade kein Arbeitsentgelt, sondern ein Taschengeld gezahlt. Das FSJ stellt nach § 1 Abs. 1 S. 1 JFDG (Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten) eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements dar. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 JFDG sind diejenigen Personen Freiwillige, die den Dienst ohne Erwerbsabsicht leisten. Nr. 3 knüpft weiter daran an, dass die Personen für den Dienst nur unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld oder anstelle von Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung entsprechende Geldersatzleistungen erhalten dürfen. Schon hieraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Dienst gerade nicht als Erwerbstätigkeit ansehen wollte. § 1 Abs. 1 S. 3 JFDG erläutert, dass die Förderung nach diesem Gesetz dazu dient, die mit der Ableistung des Jugendfreiwilligendienstes verbundenen Härten und Nachteile abzumildern. Hier wird deutlich, dass sich der Gesetzgeber bewusst gewesen ist, dass die Ableistung des FSJ dem Freiwilligen gewisse Opfer abverlangt. Eine Einstufung als Erwerbstätigkeit würde dazu führen, dass neben dem Erwerbstätigenfreibetrag der Freibetrag nach § 1 Abs. 1 Nr. 13 AlG II-VO gewährt werden müsste und sich daraus sogar eine Besserstellung des FSJ gegenüber einer Erwerbstätigkeit ergäbe. Das aber war nicht gewollt.

Eine analoge Anwendung der Freibetragsregelungen kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ziel der Freibetragsregelungen ist es, dem Hilfebedürftigen einen finanziellen Anreiz für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu schaffen. Ein derartiges Ziel kann für das FSJ als bürgerschaftliches Engagement gerade nicht angenommen werden. Das Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten sieht in § 10 vor, wie das FSJ gefördert werden kann. Das SGB II ist dort nicht erwähnt. Auch wenn die Teilnahme von Jugendlichen an diesen Diensten besonders lobenswert ist, muss berücksichtigt werden, dass es eben nicht mit einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen ist, die das SGB II aber anstrebt.

Sozialgericht Reutlingen, Urteil vom 23. April 2012 – S 12 AS 2086/11

  1. vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 04.07.2008, Az. S 25 AS 74/07[]