Eine Unterhaltsnachzahlung ist zu berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Getrenntlebensunterhalt nach § 1361 BGB ist im Rahmen des SGB II nicht als zweckbestimmte Einnahme privilegiert.
Im Rahmen des SGB II ist Einkommen grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen, was er vor Antragstellung bereits hatte. Dabei ist vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt1.
Die Gutschrift auf dem Konto ist ein tatsächlicher Zufluss und damit Einkommen. Aus dem Umstand, dass es sich um eine Unterhaltsnachzahlung handelt, ergibt sich nichts anderes. Zwar hatte im hier entschiedenen Fall der Kläger bereits vor Zahlungseingang einen Anspruch auf Getrenntlebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zur Ehescheidung. Für die Teilzeiträume vom 1. April bis zum 21. Mai 2008 und vom 1. Februar bis zum 30. April 2009 stand ihm der Anspruch auch weiterhin zu, da er für diese Zeiträume keine Grundsicherungsleistungen bezogen hatte und der Anspruch daher insoweit nicht auf die Rechtsvorgängerin des Beklagten übergegangen war. Doch ist bei der Erzielung von Einnahmen aus einer bereits bestehenden Rechtsposition (hier: Überweisung durch Frau W. als Erfüllung der Unterhaltsforderung) grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab2. Das gilt auch im Fall einer Unterhaltsnachzahlung3.
Das dem Kläger demnach im September 2009 zugeflossene Einkommen war bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen, da keine privilegierte Einkommensart im Sinne des § 11 Abs. 1 und 3 SGB II aF betroffen ist. Insbesondere handelt es sich beim Bezug von Getrenntlebensunterhalt nach § 1361 BGB nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB II aF. Weder war den Unterhalts(nach)zahlungen über die Tilgungsbestimmung hinaus eine bestimmte Zweckrichtung beigemessen4, noch dienten sie einem anderen Zweck als der Sicherung des Lebensunterhalts5.
Sozialgericht Hamburg, Urteil vom 11. Januar 2012 – S 3 AS 4322/10
- s. zu dieser modifizierten Zuflusstheorie aus jüngerer Zeit nur BSG, Urteil vom 23.08.2011, SGb 2011, 570, mwN[↩]
- s. dazu nochmals BSG, Urteil vom 23.08.2011, SGb 2011, 570, mwN[↩]
- so bereits SG Speyer, Beschluss vom 01.06.2006 – S 1 ER 161/06 AS[↩]
- s. zu diesem Erfordernis bei Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage BSG Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 47/08 R, BSGE 102, 295[↩]
- s. dazu, dass der Getrenntlebensunterhalt den Lebensbedarf umfasst, Berger/Mansel, Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Aufl. 2011, § 1361 Rn. 1[↩]