Zuvörderst Aufgabe des Grundsicherungsträgers ist, bereits im Verwaltungsverfahren ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Dies dient der Umsetzung des für den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit der Unterkunftskosten entwickelten Kriterien.
So die Entscheidung des Bundessozialgerichts in dem hier vorliegenden Fall, in dem es um die Höhe der zu übernehmenden Kosten für Unterkunft und Heizung gegangen ist. Geklagt haben Mutter und Sohn, die beide seit Anfang 2005 Leistungen nach dem SGB II bezogen haben. Im Juli 2005 schloss die Klägerin einen Mietvertrag mit der R GmbH über eine Wohnung in der K-Straße in Duisburg (Mietbeginn und Umzug zum 1.11.2005) mit einer Größe von 77,53 qm, bestehend aus drei Zimmern zuzüglich Küche, Bad und Flur. Die Grundmiete betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 364,68 Euro, die Betriebskostenvorauszahlung bis einschließlich November 2006 128,46 Euro und ab Dezember 2006 dann 150 Euro im Monat; die Heizkostenvorauszahlung belief sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 35,69 Euro monatlich. Nach Information durch die Klägerin über den geplanten Umzug im Oktober 2005 erteilte der Beklagte eine Zustimmung zum Umzug ausdrücklich nicht. Bei der Bewilligung der Leistungen für die Zeit vom 1.11.2006 bis zum 30.4.2007 erkannte der Beklagte als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat November 2006 und für Januar bis April 2007 von 189,74 Euro (Klägerin) bzw 189,75 Euro (Kläger) sowie für den Monat Dezember 2006 von 193,26 Euro (Klägerin) bzw 193,27 Euro (Kläger) an. Hiergegen ist Klage erhoben worden. Das Sozialgericht Duisburg hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, über die bereits gewährten Unterkunftsaufwendungen hinaus weitere Kosten für den Monat November 2006 in Höhe von 10,80 Euro und für die Monate Dezember 2006 bis April 2007 in Höhe von jeweils 19,48 Euro monatlich zu leisten1. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufungen der Kläger und des Beklagten zurückgewiesen2. Hiergegen ist Revision beim Bundessozialgericht eingelegt worden.
Nach Auffassung des Bundessozialgerichts, ist unter Berücksichtigung sämtlicher den Grund und die Höhe beeinflussender Anspruchsvoraussetzungen und Berechnungsfaktoren zu ermitteln, ob ein höherer Anspruch besteht, ohne dass eine Prüfung nur beschränkt auf die von den Klägern geltend gemachte Begründung erfolgt, es sei bei der Festlegung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten der (arithmetische) Mittelwert der Baualtersklasse II für Wohnungen bis zu 70 qm in einfacher Wohnlage (4,36 Euro) zugrunde zu legen. Der geltend gemachte Erhöhungsbetrag kann sich daher auch wegen anderer, bei der Ermittlung der Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung zu prüfender Faktoren ergeben. Bei der abschließenden Feststellung der Höhe des Anspruchs des Klägers ist auch sein bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen, das – nach Aktenlage – zwar seine Regelleistung überstieg, seinen Anspruch auf Kosten der Unterkunft jedoch nicht gänzlich entfallen ließ.
Unter Berücksichtigung der nachfolgenden Grundsätze zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf Kosten der Unterkunft und Heizung sind weitere Feststellungen des Landessozialgerichts erforderlich.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der „Angemessenheit“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle3. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung weiter nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist4.
Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten, sind diese – falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden – solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate nach § 22 Abs 1 S 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende5 ohne inhaltliche Änderung zu Satz 3 wurde6. Da die angemessene Referenzmiete bereits bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten so festzulegen ist, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im gesamten räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten und allenfalls in einzelnen Regionen Deutschlands ein Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht, dürfte für den Regelfall davon auszugehen sein, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt7.
Das Bundessozialgericht folgt dem Landessozialgericht bei der Festlegung der angemessenen Wohnungsgröße und des Vergleichsraums. Weitere Feststellungen sind jedoch zur abstrakt angemessenen Nettokaltmiete, den abstrakt angemessenen Betriebskosten und den Heizkosten erforderlich:
Angemessene Wohnungsgröße
Das Landessozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen ist. Die Bemessung der angemessenen Größe einer Wohnung erfolgt mit Bezug auf die anerkannten Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau8, hier unter Berücksichtigung des im streitigen Zeitraum gültigen9 Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen „Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG)“10. Dieser Erlass ist auch nach Inkrafttreten des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) weiterhin auf Wohnungen, die seit dem 1. Januar 2003 nach dem WoFG gefördert worden sind, entsprechend anwendbar, soweit ausdrückliche Regelungen des WoFG nicht entgegenstehen (Ziff 1.11 VV-WoBindG). Ziff 5.7.1 VV-WoBindG bestimmt, dass in der Regel für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 60 qm Wohnfläche iS von § 27 Abs 4 WoFG angemessen sind. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass der Runderlass des Ministers für Bauen und Verkehr „Wohnraumförderbestimmungen (WFB)“11.
Vergleichsraum
Das Landessozialgericht hat auch zutreffend bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Duisburg herangezogen. Entscheidend für die repräsentative Bestimmung des Mietpreisniveaus ist es, ausreichend große Räume der Wohnbebauung zu beschreiben, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden12. In gleicher Weise wie bei der Stadt Essen, für die das Bundessozialgericht bereits einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat13, liegen die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch bezogen auf das Stadtgebiet von Duisburg vor.
Abstrakt angemessene Nettokaltmiete
Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Duisburg als räumlichem Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsobergrenze) im streitigen Zeitraum mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend bestimmen.
Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen14. Nach diesen inhaltlichen Vorgaben soll die Festlegung der Mietobergrenze auf der Grundlage eines deren Einhaltung ermöglichenden schlüssigen Konzepts erfolgen. Dies erfordert nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt (keine „Ghettobildung“), der Beobachtungszeitraum und der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar dargelegt sind, die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt ist, die einbezogenen Daten repräsentativ sind und eine Validität der Datenerhebung angenommen werden kann. Bei der Datenauswertung müssen anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten werden und Angaben über die gezogenen Schlüsse erfolgen15.
Dabei hält das Bundessozialgericht an seiner Rechtsprechung fest, wonach es Angelegenheit und Verantwortung des Grundsicherungsträgers ist, bereits im Verwaltungsverfahren ein solches schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zu entwickeln. Die umfassende Ermittlung der Daten sowie deren Auswertung ist dessen Aufgabe und bereits für eine sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren notwendig. Das Gericht hat anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen iS des § 22 Abs 1 SGB II ist16. Entscheidet der Grundsicherungsträger – wie hier von dem Landessozialgericht zu Recht angenommen – ohne schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 S 1 Halbs 2 SGG gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und hat eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen17. Wenn sich nach weiteren Ermittlungen des Grundsicherungsträgers und ggf des Sozialgerichts erweist, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) bzw nunmehr § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl § 5 Abs 1 WoGG bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein „Sicherheitszuschlag“ einzubeziehen18.
Das Landesoszialgericht ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte kein eigenständiges schlüssiges Konzept entwickelt hat, weil die sogenannte „Schürkesliste“, bei der es sich um eine Datenbank über freie Wohnungen in allen Größen, verteilt über das Duisburger Stadtgebiet handelt, und die weiteren Erhebungen des Beklagten den Gegenstand der Beobachtung nicht ausreichend eingrenzen und wesentliche Faktoren, wie zB den Wohnungsstandard, nicht ausreichend erfassen. Im Ansatz geht auch der Beklagte von einer Berechnung der angemessenen Nettokaltmiete unter Heranziehung der Daten des Mietspiegels aus, weil der von ihm zugrunde gelegte Wert von 3,94 Euro/qm seinen Ursprung im Mietspiegel für die Stadt Duisburg für das Jahr 1999 hat (Baualtersklasse I, bezugsfertig vor 1948, einfache Wohnlage, Wohnungen bis 50 qm mit Heizung, Bad und Isolierverglasung).
Bei dem nachfolgend von den Vorinstanzen eingeschlagenen Weg, den vom Beklagten festgelegten Wert für die Nettokaltmiete anhand eines qualifizierten Mietspiegels zu verifizieren und abweichend festzulegen, sind die Vorinstanzen zu Recht davon ausgegangen, dass für die Bestimmung der angemessenen Referenzmiete im Rahmen eines schlüssigen Konzepts als eine Möglichkeit auf den Mietspiegel 2005 für die Stadt Duisburg zurückgegriffen werden kann19.
Bei dem Duisburger Mietspiegel 2005 handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel, der nach § 558d Abs 1 BGB nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet und von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Da bei der Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels die Repräsentativität der Stichprobe durch die Annahme der Chance gleicher Wahrscheinlichkeit der Abbildung der im Detail unbekannten Realität der Grundgesamtheit des Gesamtwohnungsbestandes fingiert wird20 und eine umfassende verfahrensrechtliche Absicherung durch die beteiligten Interessengruppen stattfindet, ist die Repräsentativität und Validität der Datenerhebung auch im Rahmen des schlüssigen Konzepts regelmäßig als ausreichend anzusehen21.
Zwar sind dem Mietspiegel 2005 der Stadt Duisburg keine gesonderten Werte für einfache Wohnlagen und Wohnungen nur einfachen Standards zu entnehmen, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen. Als Tabellenmietspiegel, bei dem die Struktur des Wohnungsmarktes in typischen Kategorien von Wohnungen beschrieben wird, die durch Kombination von Wohnwertmerkmalen bestimmt und denen die dazu passenden tatsächlich erhobenen Mietdaten zugeordnet werden20, berücksichtigt der Duisburger Mietspiegel sechs Baualtersklassen, die jeweils nochmals nur in die beiden Kategorien der normalen und guten Wohnlage aufgeteilt werden. Zusätzlich ist der Wohnbestand in vier Wohnflächengrößenklassen erfasst. Im Mietspiegel selbst werden ausschließlich Wohnungsausstattungen mit Heizung, Bad und Isolierverglasung einbezogen. Diese eingeschränkte Berücksichtigung von Wohnwertmerkmalen macht diesen Mietspiegel aber nicht grundsätzlich ungeeignet zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten. Wenn – wie hier – weiteres Datenmaterial vom Grundsicherungsträger nicht bereit gestellt wird bzw – zB wegen nur geringer Zahl von Wohnungen in einfacher Wohnlage – werden kann, ist vor einem ggf erforderlichem Rückgriff auf die Wohngeldtabelle unter Hinnahme von gewissen möglicherweise begünstigenden Spannbreiten zur Sicherstellung des Existenzminimums des Leistungsberechtigen im Bereich der KdU die Heranziehung der Daten eines qualifizierten Mietspiegels vorrangig zu prüfen.
Bei einem Herausgreifen nur bestimmter Mietspiegelwerte – wie hier erfolgt – muss allerdings – ggf durch weitere Ermittlungen – abgesichert werden, dass der hinter diesen berücksichtigten Werten stehende tatsächliche Wohnungsbestand im Vergleichraum die Anmietung einer angemessenen Wohnung im gesamten Vergleichsraum ermöglicht. Die Leistungsberechtigten dürfen auch nicht durch die Berücksichtigung nur bestimmter Mietspiegelfelder – de facto – auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung beschränkt werden, weil dies neben der tatsächlichen Ausklammerung eines Teils des Vergleichsraums gleichzeitig das Risiko einer Ghettoisierung birgt. Die zusätzliche Prüfung ist gefordert, weil es zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete für einen qualifizierten Mietspiegel ausreicht, wenn (nur) ein repräsentativer Rücklauf von Datensätzen (idR 30 Angaben) für die durch die jeweiligen Tabellenfelder beschriebenen Wohnungstypen vorhanden ist22. Die Besetzung einzelner Tabellenfelder eines Mietspiegels lässt daher zunächst nur die Vermutung zu, dass zum Zeitpunkt der Datenerhebung ein bestimmter Wohnungsmietwert auf dem Gesamtwohnungsmarkt überhaupt vorhanden ist23 und erlaubt keinen Rückschluss auf seine Häufigkeit. Die einzelnen Mietspiegelfelder mit ihren Mietpreisen pro Quadratmeter haben insofern je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Tabellenfeld tatsächlich im Vergleichsraum vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtwohnungsmarkt der mietspiegelrelevanten Wohnungen im Vergleichsraum24.
Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen kann das Bundessozialgericht aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend beurteilen, ob der von den Vorinstanzen zugrunde gelegte Wert von 4,12 Euro einer angemessenen Nettokaltmiete entspricht.
Der Betrag von 4,12 Euro/qm liegt unterhalb des Median (= Wert, der in der Mitte der nach der Höhe geordneten Mietwerte steht) der Wohnungen bis 70 qm ausschließlich der Baualtersklasse I (Wohnungen vor 1948) in normaler Wohnlage von 4,19 Euro/qm. Es kann nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen werden, dass unter Heranziehung gerade nur des rechnerischen Durchschnittswerts aus den untersten Spannenwerten der Wohnungen in normaler Wohnlage der Baualtersklassen I bis IV im gesamten Vergleichsraum angemessener Wohnraum einfachen Standards in ausreichendem Maße vorhanden ist. Zu beachten ist auch, dass in den jeweiligen Mietspiegelfeldern ohne weitere Differenzierungen hinsichtlich der Ausstattungsmerkmale nur Wohnungen mit Heizung, Bad und Isolierverglasung erfasst werden, sodass Rückschlüsse auf einen (durchgängig höheren) Ausstattungsstandard von Wohnungen mit Mietpreisen an den oberen Spannenwerten der jeweiligen Mietspiegelfelder nicht möglich sein dürften. Insofern ist auch zu werten, dass für einzelne höherwertige Ausstattungsmerkmale (überdurchschnittliche Sanitär- und Elektroausstattung) nach den Erläuterungen zum Mietspiegel Zuschläge vorgenommen werden können. Die insofern vorgesehenen Abschläge von den Mietspiegelwerten (ua Wohnungen ohne Heizung, ohne Bad, ohne Warmwasser im Bad) sind bei der Festlegung einer angemessenen Miete außer Betracht zu lassen, weil diese Wohnungen nicht den einfachen, sondern den darunter liegenden untersten Standard widerspiegeln25. Zwar hat das Landessozialgericht dargelegt, dass der Wert von 4,12 Euro/qm in etwa dem Durchschnittswert entspreche, wie er sich aus der Mietpreisspanne von Wohnungen in einfacher Wohnlage (mit je einem Abschlag von 5%) der Baualtersstufe I und der Baualtersstufe II der oberen Preisspanne der normalen Wohnlagen ergebe. Insofern bezieht das Landessozialgericht in seine Berechnungen aber Wohnungen in einfacher Wohnlage ein, die in Duisburg nach seinen Feststellungen nur in zahlenmäßig eingeschränktem Umfang zur Verfügung stehen und mangels Häufigkeit auch bei der Mietspiegelerstellung als nicht repräsentativ unberücksichtigt gelassen wurden.
Weitere tatsächliche Feststellungen sind auch wegen der vorgenommenen Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen erforderlich. Zwar hat das Landessozialgericht festgestellt, dass mehr als 50 % aller Wohnungen in Duisburg den Baualtersklassen I und II angehören. Unter qualitativen Gesichtspunkten können bestimmte Baualtersklassen aber nur ausgeklammert werden, wenn weitergehende Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung erkennen lassen, dass bestimmte Baualtersklassen den einfachen Standard nach Lage, Ausstattung und Bausubstanz nicht mehr nachvollziehbar abbilden, es sich also zB ausschließlich oder schwerpunktmäßig um das höhere oder obere Marktsegment handelt26. Insofern sind noch ergänzende Feststellungen des Landessozialgerichts zu den – mit bestimmten Baualtersklassen ggf regelmäßig verbundenen – Standards erforderlich.
Zudem birgt die Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich das Risiko, dass die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten doch nicht – wie gefordert – über den gesamten Vergleichsraum, sondern – de facto – nur beschränkt auf bestimmte Stadtteile erfolgt. Bei Heranziehung nur bestimmter Baualterklassen muss daher auch festgestellt werden können, dass diese Baualtersklassen grundsätzlich über alle Stadteile hinweg vorhanden sind27.
Zu den hiernach noch geforderten tatsächlichen Feststellungen weist das Bundessozialgericht zunächst darauf hin, dass der Umfang der vorrangig vom Grundsicherungsträger nachzuholenden Ermittlungen bzw Auswertungen zu dem hinter den Tabellenfeldern liegenden Wohnungsbestand von dem – je nach Art des Mietspiegels – unterschiedlichen Datenmaterial, dem ggf „ausgeklammerten“ Anteil von Wohnungen des Vergleichsraums (etwa bestimmter Baualtersklassen, Wohnlagen oder Standards) sowie dem gesamten Wohnungsbestand im Vergleichsraum abhängt.
Dabei kann zunächst das Datenmaterial herangezogen werden, das der Erstellung des Mietspiegels zugrunde liegt. Wegen der an den qualifizierten Mietspiegel anknüpfenden Rechtsfolgen muss die Erarbeitung des Mietspiegels grundsätzlich dokumentiert werden28. Mit der vom Landessozialgericht in Bezug genommenen Dokumentation zum Duisburger Mietspiegel 2007 hat der Beklagte einen auch in diesem Verfahren auswertbaren Erläuterungsbogen übersandt, aus dem sich die Anzahl der knapp 230 000 frei finanzierten Wohnungen in Duisburg nach Miettabellenfeldern ergibt.
Bei der Auswertung der Mietspiegeldaten und ggf weiterem Zahlenmaterial kann sich ergeben, dass die Berücksichtigung von gewichteten Mittelwerten der (ggf nach Ausklammerung bestimmter Baualtersklassen, Wohnungsstandards oder Wohnlagen) herangezogenen Tabellenfelder – wegen der damit berücksichtigten tatsächlichen Häufigkeit – sicherstellt, dass ein ausreichender Bestand an den einbezogenen Wohnungen vorhanden und damit angemessener Wohnraum für den Leistungsberechtigten tatsächlich erreichbar ist; wegen der Besonderheiten von Mietspiegeln erfüllt die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept regelmäßig nicht29. Insofern lässt sich hier bereits dem vom Beklagten übersandten Erläuterungsbogen entnehmen, dass zB eine nicht nach tatsächlicher Häufigkeit gewichtete Einbeziehung des Mietwertes für Wohnungen der Baualtersklasse IV – in unproblematisch zu berücksichtigender normaler Wohnlage – eine nach dem tatsächlichen Wohnungsbestand im Vergleichsraum nicht gerechtfertigte Erhöhung der Angemessenheitsgrenze bewirken würde. Das Bundessozialgericht hat bereits entschieden, dass als Angemessenheitsgrenze der obere Spannenwert zu berücksichtigen ist, wenn – bei entsprechend vorhandenem Datenmaterial – nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde gelegt werden30, die vom Duisburger Mietspiegel aber nicht gesondert erfasst sind.
Abstrakt angemessenen Betriebskosten
Weitere Ermittlungen sind auch zu den angemessenen abstrakten Betriebskosten iS des § 556 BGB erforderlich, die der Beklagte und ihm nachfolgend das Sozialgericht in die Prüfung der angemessenen Bruttokaltmiete einbezogen haben31.
Heizkosten
Schließlich wird das Landessozialgericht noch die Höhe der getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben32. Hier sind die Vorinstanzen offenbar von den tatsächlichen Heizkostenvorauszahlungen ausgegangen, für deren Unangemessenheit keine Anhaltspunkte vorliegen. Dieser Betrag ist aber ggf um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung erfolgt33. Hierzu fehlen Feststellungen des Landessozialgerichts.
Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 19/11 R
- SG Duisburg, Urteil vom 28.08.2008 – S 35 AS 64/07[↩]
- LSG NRW, Urteil vom 29.04.2010 – L 9 AS 58/08[↩]
- BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 21; BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 20[↩]
- BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 20; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 15, 17[↩]
- vom 20.07.2006 – BGBl I 1706[↩]
- vgl BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, München, RdNr 29; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, RdNr 30[↩]
- vgl bereits BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19,München, RdNr 36 sowie RdNr 29 zu möglichen persönlichen Umständen für den begründungspflichtigen Ausnahmefall; siehe auch BSG, Urteil vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, für die Ermittlung der abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft unter Einbeziehung von qualifizierten Mietspiegeln RdNr 30[↩]
- BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19[↩]
- BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 70/08 R[↩]
- VV-WoBindG vom 08.03.2002 in der geänderten Fassung vom 21.09.2006[↩]
- WFB vom 03.02.2004 in der geänderten Fassung vom 26.01.2006 nicht berücksichtigt werden kann, weil hierin die Größe der Wohnung lediglich mit der Anzahl der Zimmer verknüpft wird und nur die Anzahl der die Wohnung bewohnenden Personen Maßstab für die Wohnungsgröße ist ((BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 16[↩]
- BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 21; BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 15[↩]
- BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, München[↩]
- BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20[↩]
- vgl zum schlüssigen Konzept im Einzelnen BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, Wilhelmshaven II, RdNr 18; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 26; vgl auch BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R und BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 25; vgl allgemein zur Verfahrens- und Vertretbarkeitskontrolle auch Berlitt in: info also 2010, 196[↩]
- vgl zu diesem Weg BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen[↩]
- BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27; BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, Wilhelmshaven II, RdNr 26; BSG, Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 33/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 25, Wilhelmshaven I, RdNr 22[↩]
- BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 23; BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21[↩]
- BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27,Essen, RdNr 27; BSG vom 19.10.2010 – B 14 AS 15/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 27; vgl nunmehr auch § 22c Abs 1 SGB II, der ausdrücklich vorsieht, dass zur Ermittlung der angemessenen KdU im Rahmen der neuen Satzungsregelungen ua Mietspiegel und qualifizierte Mietspiegel herangezogen werden können[↩]
- Gautzsch, Sozialrecht aktuell 2011, S 137, 139[↩][↩]
- vgl hierzu bereits BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 28[↩]
- Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, S 223 ff; Börstinghaus, Miethöhe-Handbuch, 2009, Kapitel 6 RdNr 80[↩]
- Gautzsch aaO, S 139[↩]
- vgl hierzu grundlegend: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 30[↩]
- BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 29[↩]
- vgl auch BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 19; BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 28[↩]
- vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 27, Essen, RdNr 29 mit Einbeziehung nur von Wohnungen bis zur Baualtersklasse 1984 vor dem Hintergrund der Feststellungen des SG, dass Neubauwohnungen bis zu einem Alter von ca 20 Jahren nicht einen einfachen und im unteren Segment liegenden Ausstattungsgrad widerspiegeln, und des LSG, dass qualitativ unterschiedliche Wohnlagen in allen Stadteilen vorhanden sind; vgl auch BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R, BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, München, RdNr 25, wonach ein Abstellen auf Baualtersklassen nur möglich ist, soweit hieraus oder anderen Erkenntnisquellen auf den Standard von Wohnungen im Vergleichsraum geschlossen werden kann; sa BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 28[↩]
- BT-Drucks 14/4553, S 57; vgl Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, S 70; BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 31[↩]
- vgl BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 32[↩]
- BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 21; so auch BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R, Cuxhaven, RdNr 24[↩]
- vgl zu den Ermittlungsschritten auf der Grundlage der Bruttokaltmiete als Vergleichsbasis: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 33f; vgl aber auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 RdNr 23 zur Nettokaltmiete als Vergleichsbasis; siehe auch BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 48/08 R, BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16 ff[↩]
- BSG, Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R, BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23; zuletzt BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, Berlin, RdNr 18; keine Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 24[↩]
- vgl hierzu näher BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5[↩]